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ZurückDer Abgasskandal, der mit den Aufdeckungen bei VW begonnen hat, wird vom Europäischen Parlament in einem Untersuchungsausschuss aufgearbeitet. Hier prüft das Parlament unter anderem, was die Kommission im Hinblick auf Betrugssoftware wusste oder ob sie nicht zumindest einen Verdacht hegte. Denn in Wahrheit gab es schon seit Jahren Hinweise darauf, dass eine derartige Software in der Automobilbranche verwendet werde.
Niemand wusste etwas
Ein Kritikpunkt im Ausschuss an der Kommission war, dass das Verbot der Betrugssoftware zu vage sei, um ihre Anwendung zu verhindern. Der damals dafür verantwortliche EU-Industriekommissar Günter Verheugen meinte jedoch in seiner Anhörung am 30. August, diese Kritik sei bei dessen Einführung nicht geäußert worden. Zu den Hinweisen auf Betrugssoftware wurden auch die ehemaligen EU-Kommissare Janez Potocnik (Umwelt) und Antonio Tajani (Industrie) am 5. September befragt. Beide legten darauf Wert, keine Hinweise auf Betrug gehabt zu haben. Potocnik erklärte sogar, alle Informationen bezüglich der problematischen Laborbedingungen an Tajanis Dienststelle weitergeleitet zu haben. Dieser wiederum berief sich darauf, dass er und seine MitarbeiterInnen überzeugt gewesen wären, die Laborbedingungen würden die besten Tests darstellen und sie keinerlei anderweitige Informationen hatten – auch nicht vom Europäischen Parlament. Beide verwiesen auf die Probleme mit den unterschiedlichen Kompetenzen von Kommission, Parlament und den Behörden der Mitgliedsstaaten.
So wurde wieder einmal die Verantwortung vom einen zum anderen geschoben. Bisher war das Problem, dass die Kommission kein Mandat zur Überwachung hat und die Mitgliedsstaaten keine Überprüfungspflicht, was beides wiederum aus der verwässerten Gesetzgebung der EU-Institutionen resultiert.
Zwischenbericht vom Ausschuss angenommen und neuer Kommissionsvorschlag vorgelegt
Nach einem halben Jahr Arbeit im Untersuchungsausschuss wurde nun ein Zwischenbericht vorgelegt, der vom Plenum des Parlaments mit großer Mehrheit angenommen wurde. Darin fordert das Parlament u.a. die Kommission zu besserer Zusammenarbeit mit dem Untersuchungsausschuss auf und vor allem dazu, Unterlagen zügiger bereitzustellen.
Inzwischen liegt ein Vorschlag der Kommission für eine neue Verordnung vor, den die AK als brauchbaren Schritt zur Beseitigung der Schwachstellen sieht. Diese sieht mehr Eingriffsmöglichkeiten für die Kommission (z.B. Überprüfung von besonders verdächtigen Prüfinstituten, strengere Strafen bei falschen Emissionsangaben, stärkere Unabhängigkeit der Testinstitute) und eine gewisse Koordinierung der Marktüberwachung in den Mitgliedsstaaten vor. Generelle Überprüfungen von in EU-Mitgliedsstaaten typisierten Kraftfahrzeugen durch die Kommission werden ihr aber wahrscheinlich weder von den Mitgliedsstaaten noch vom EP zugestanden. Aus AK-Sicht ist vor allem eine Einhaltung der Bestimmungen nötig, wenn der Pkw das Fließband verlassen hat: Was im Verkaufsprospekt steht, muss auch beim Tanken an der Tankstelle stimmen und darf auch hinten beim Auspuff nicht mehr herauskommen.
Eine umfassende und fortschrittliche Regelung wäre jedenfalls dringend nötig, da nach Berechnungen der Kommission allein 2010 rund 420.000 Menschen in der EU an den Folgen von Luftverschmutzung starben. Doch ob eine solche angesichts der Widerstände in den Mitgliedsstaaten und der Interessen der Automobilbranche wirklich unverwässert bleibt, kann derzeit nicht gesagt werden. Es hängt wohl auch davon ab, was der Untersuchungsausschuss des Parlaments in seinen noch folgenden zehn Sitzungen bis zum Jahresende ans Licht bringt, bevor sein Abschlussbericht voraussichtlich am 2. März 2017 im Plenum vorgestellt wird.
Mittlerweile wurden auch Vertragsverletzungsverfahren von Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska gegen jene Mitgliedsstaaten angekündigt, die bei Verstößen gegen die Emissionsvorschriften nicht gegen die verantwortlichen AutoherstellerInnen vorgegangen sind. Darüber hinaus soll im November ein Bericht des EP-Abgeordneten Daniel Dalton angenommen werden, der jedoch aus Sicht der AK nicht ausreichend weit reicht.
Weiterführende Informationen:
AK-Positionspapier zum Kommissionsvorschlag
AK-Studie zum Unterschied bei Emissionen zwischen Laborbedingungen und der Realität