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Die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise machen den Menschen in Europa noch heute schwer zu schaffen. Dies ist hinlänglich bekannt und wurde auch immer wieder von unterschiedlichsten Seiten bestätigt. Nun hat das auch die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), gemeinsam mit der EU-Kommission, in einem Bericht festgehalten und aufgezeigt, dass gerade die Mittelschicht besonders schwer getroffen und geschrumpft wurde, ebenso wie ihr Anteil am Gesamteinkommen. Dank Sozialpartnerschaft, Mechanismen der Lohnfestsetzung und Lohnverhandlungen gab es aber auch positive Beispiele.

Erosion der Mittelschicht Europas während der letzten Dekade

In den meisten europäischen Ländern wuchs die Mittelschicht zwischen den 1980er und 1990er Jahren schnell, hauptsächlich durch eine höhere Erwerbsbeteiligung von Männern und Frauen sowie durch die Entstehung des Models doppelverdienender Haushalte. Auf der anderen Seite wurden langfristige Trends wie die Veränderungen in der Berufswelt und der Anstieg atypischer Beschäftigungsformen durch weitere, krisenbedingte Faktoren verschärft, wie die wachsende Arbeitslosigkeit, Reallohnverluste und Veränderungen der Institutionen des sozialen Dialogs. Diese Faktoren trugen zur weiteren Erosion der Mittelschicht Europas während der letzten Dekade bei.

Sozialpartnerschaft ist Garant für geringere Ungleichheit

Der Bericht der ILO kommt erfreulicherweise zu der Erkenntnis, dass gerade ein funktionierender sozialer Dialog, eine gelebte Sozialpartnerschaft, eine hohe Dichte an Kollektivverträgen, Mechanismen der Lohnfestsetzung und Lohnverhandlungen den Ausschlag geben, dass die Mittelschicht trotz Krise wächst. Interessant ist, dass z.B. als positives Beispiel das Überleben des Lohnindexsystems in Belgien genannt wurde, das maßgeblich zur Begrenzung von Ungleichheiten beigetragen hat. Es war aber gerade das Indexsystem der BelgierInnen, das der EU-Kommission jährlich ein Dorn im Auge war. Jährlich im Rahmen des EU-Semesters wurde Belgien von der Kommission empfohlen das System der automatischen Lohnindexierung zu reformieren, denn dies würde der Wettbewerbsfähigkeit des Landes im Wege stehen – sichtlich ein folgenschwerer Irrtum. Denn das Indexsystems in Belgien trägt nicht nur zur Begrenzung von Ungleichheiten bei, sondern stärkt das System der sozialen Sicherheit und somit die Solidarität zwischen den Bürgerinnen und Bürgern.

Schwächung des sozialen Dialogs hat fatale Folgen

Die Schwächung des sozialen Dialogs in Ländern wie Griechenland, Spanien und Irland hat gezeigt, dass dies zu größeren Ungleichheiten beitragen kann. In Ländern mit schwächerer Sozialpartnerschaft und geringerer Kollektivvertragsdichte, wie Ungarn und den baltischen Staaten, hängt das Wachstum der Mittelschicht daher direkt vom ökonomischen Umfeld ab. Um den Trend der Ungleichheiten zu reduzieren sollte daher die Politik gezielte Maßnahmen für die Mittelschicht treffen. Solche Initiativen sollten nicht nur die Welt der Arbeit betreffen, sondern auch verwandte Bereiche wie Steuerrecht, Bildung und soziale Sicherheit.

Weiterführende Informationen:

Langfassung des ILO Berichts (nur auf Englisch Verfügbar)

Kurzfassung des ILO Berichts (nur auf Englisch Verfügbar)