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Diese Woche hat der Handelsausschuss einen Bericht zum Dienstleistungsabkommen TiSA mehrheitlich angenommen. Darin sind zwar wichtige Warnsignale an die verhandlungsführende Europäische Kommission enthalten. Doch es bestehen nach wie vor zu viele Schlupflöcher, durch die der Schutz öffentlicher Interessen unterlaufen werden kann.

Nachdem die Abstimmung bereits einmal verschoben worden war, kam es im Handelsausschuss Anfang dieser Woche zu einer Einigung. Während die Berichterstatterin MEP Reding (EVP) die Signalwirkung an die Europäische Kommission hervorhebt, sprechen skeptischere Stimmen von zu vielen verwässerten Empfehlungen und Kompromissen.

Zu den offenen Fragen für die Abstimmung im Plenum Anfang Februar zählt, ob es dort noch zu einer durchgängigen Ablehnung des so genannten „Negativlistenansatzes“ und den zugehörigen „Sperrklinken“- und „Stillstandsklauseln“ kommen kann. Im Handelsausschuss konnte dazu keine eindeutige Ablehnung erzielt werden. Die Verwendung dieser neuen Liberalisierungstechniken führt dazu, dass jegliche Ausnahme von einer Voll-Liberalisierung stärker unter Druck gesetzt werden kann („list it or lose it“). Diese neuen Techniken kommen nicht nur in den laufenden TiSA-, sondern auch in den TTIP-Verhandlungen bereits teilweise zur Anwendung. Ihre Verwendung wird von Konzernlobbies als Erfolg gefeiert. Würde sich das EP noch für eine durchgängige Rückkehr zum Standardverhandlungsansatz „Positivliste“ aus dem WTO-Dienstleistungsabkommen GATS aussprechen (allfällige Liberalisierungsverpflichtungen sind konkret anzuführen), müsste die EK eine grundlegende Kurskorrektur vornehmen.

Dazu kommt eine Reihe von Bereichen, in denen die Empfehlungen der EK bislang zu viel Spielraum lassen. So sprach sich beispielsweise der Beschäftigungsausschuss (EMPL) in seiner Stellungnahme zum Reding-Bericht noch dafür aus, durchsetzbare und sanktionierbare ILO-Arbeitschutzstandards im TiSA zu verankern. Im nun abgestimmten Bericht ist dazu nur mehr eine unverbindliche Formulierung zu finden. Zudem ist die begrüßenswerte Forderung nach einer Überarbeitung der sogenannten „Public Utility“-Klausel zu einer Musterklausel zum Schutz öffentlicher Dienstleistungen im Bericht enthalten. In diesem Zusammenhang wurde jedoch verabsäumt, die EK darauf zu binden, dass solch eine Musterklausel zum Schutz öffentlicher Dienstleistungen auf alle Vertragsbestimmungen derartiger Abkommen anwendbar sein muss (z.B. nicht nur teilweise auf Marktzugangsverpflichtungen wie die sog. „Public Utility“-Klausel, sondern auch auf Bereiche wie etwa Inländergleichbehandlung, Investitionsschutz, öffentliche Beschaffung oder Disziplinen zur innerstaatlichen Regulierung).

Nachbesserungen im Plenum notwendig

Aus Sicht der AK ist es unerlässlich, eine eindeutige und gänzliche Ausnahme der Daseinsvorsorge aus dem Anwendungsbereich derartiger Abkommen sowie einklagbare und sanktionierbare ILO-Kernarbeitsnormen sicherzustellen. In diesem Zusammenhang braucht es nicht nur in Zusammenhang mit dem TiSA, sondern auch im Rahmen des Vertragstexts des WTO-Dienstleistungsabkommen GATS grundlegende Reformen. Im Bereich der temporären Entsendung von Arbeitskräften (mode IV) müssen Maßnahmen zur verstärkten grenzüberschreitenden Zusammenarbeit von Behörden und Justiz mit Nachdruck eingefordert werden, um die Umgehung von arbeitsrechtlichen und kollektivvertraglichen Bestimmungen effektiv ahnden und sanktionieren zu können. Unter den gegebenen Bedingungen ist insbesondere auch von einem wechselseitigen Abtausch von höheren Liberalisierungsverpflichtungen mit EU-Drittstaaten Abstand zu nehmen. Zudem braucht es vor den negativen Erfahrungen der Finanz- und Wirtschaftskrise eindeutige Richtlinien, die weiterführende Verhandlungen der EK zur Liberalisierung von Finanzdienstleistungen ausschließen.

Weiterführende Informationen:

AK Positionspapier Aktuelle Verhandlungen zum plurilateralen Abkommen zum Handel mit Dienstleistungen (TiSA)

AK Positionspapier zur EK-Mitteilung Trade for all – Towards a more responsible trade and investment policy

AK-Positionspapier zu TTIP und CETA

Veröffentlichte Texte der Europäischen Kommission zu TiSA (nur auf Englisch verfügbar)

Dokumentation des Seminars „Challenging the liberalisation of public services in TTIP and beyond”, organisiert von AK, ÖGB, EPSU und ETUCE (Dokumente zum Teil nur auf Englisch verfügbar)

AK Wien infobrief eu & international 2/2013, Artikel „GATS reloaded“, Seite 25ff

Studie „TiSA contra Öffentliche Dienste“ von Public Services International (PSI)

Studie Public Services under Attack

Studie “Public Services in Bilateral Free Trade Agreements of the EU” (nur auf Englisch verfügbar)