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ZurückRudi Kaske: Der digitale Wandel muss aktiv mitgestaltet werden
Der Präsident der Bundesarbeitskammer Österreich, Rudi Kaske, zeigte bei seinen Ausführungen auf, dass die Digitalisierung unseren herkömmlichen Begriff von Arbeit und die Arbeitsbeziehungen verändern werde. Gerade im Dienstleistungsbereich bringe die Digitalisierung massive Veränderungen, wie z.B. durch neue Geschäftsmodelle wie Uber oder Airbnb. Kaske ging auch vor dem Hintergrund von Industrie 4.0 auf grundsätzliche Fragen der Sozialstaatsfinanzierung und die Notwendigkeiten einer ausgebauten Mitbestimmung ein. Denn beides gerate mit den neuen Arbeitsformen, wie z.B. dem Crowdworking, ins Wanken. Das Phänomen Crowdworking zeige deutlich, vor welchen Neuerungen auch die ArbeitnehmerInnen stehen, und wie wichtig die Weiterentwicklung unserer arbeitsrechtlichen Normen ist. Die Frage werde daher sein, wie wir mit diesen neuen Beschäftigungsformen umgehen werden. Es gelte, so Kaske abschließend, diese aktiv mitzugestalten und neue Regelungen zu schaffen.
Martin Risak: Crowdworker brauchen faire Arbeitsbedingungen
Professor Dr. Martin Risak definierte Crowdworking als eine neue Form der Organisation von Arbeit, die nicht auf stabilen Beziehungen mit einzelnen VertragspartnerInnen aufbaue, sondern darauf, dass eine große Masse an potenziellen VertragspartnerInnen, die sogenannte Crowd, verfügbar sei und es immer jemanden gebe, der/die die benötigte Arbeit zeitnah ausführe. Die kommerzielle Nutzung dieses Organisationsmodells sei das sogenannte Crowdsourcing: Tätigkeiten, die ursprünglich durch einzelne VertragspartnerInnen, in der Regel ArbeitnehmerInnen erbracht wurden, werden „ausgelagert“ (outsourcing). Dadurch, dass die Arbeit im virtuellen Raum stattfinde, sei es egal, ob die crowdworker um die Ecke säßen oder am anderen Ende der Welt. Dies ermögliche es, ohne zusätzliche Kosten auf einen weltweiten Pool von Arbeitskräften zuzugreifen, die rund um die Uhr zur Verfügung stünden und die sicherstellten, dass ohne stabile Arbeitsbeziehungen immer ausreichend Personen arbeiteten. Risak forderte in diesem Zusammenhang abschließend, dass Strategien entwickelt werden sollten, damit faire Arbeitsbedingungen auch für Crowdworker gewährleistet werden könnten – dies auch deshalb, damit dadurch nicht reguläre Arbeitsverhältnisse unter Druck geraten und die Arbeitsbedingungen auch dort weiter erodieren.
Stefan Körzell: Die Digitalisierung im Sinne der ArbeitnehmerInnen mitgestalten
Stefan Körzell, Vorstandsmitglied des DGB, sagte, dass wir schon seit Jahren in einer digitalisierten Welt leben und dass die Gewerkschaften den Anspruch haben, diesen Prozess zu gestalten. Es bestehe die Befürchtung, dass die Digitalisierung zu einem Angriff auf ArbeitnehmerInnen-Schutz genutzt wird. Das erlebe man gerade in Deutschland. Demgegenüber habe man aber schon Erfolge zu verbuchen: Die Gewerkschaften haben durch intensive Arbeit die Gründung von Betriebsräten beim Versandriesen Amazon erreicht. Neben der Frage der Mitbestimmung seien auch die Fragen der Verdienste und der Sozialversicherungspflicht zentral. Um die Mitbestimmung voranzutreiben, müsse auch der Soziale Dialog auf europäischer Ebene ausgebaut werden. Dabei müsse es auch um die Frage gehen, wie die Mitbestimmungsrechte von Betriebsräten durch europäische Regeln gefördert werden könnten. Außerdem müssten sich die Gewerkschaften auch neuen Gruppen von ArbeitnehmerInnen in den digitalisierten Berufen öffnen. Die Gewerkschaften müssten und würden im Umgang mit diesen neuen Herausforderungen bereits grenzübergreifend voneinander lernen.
Nicolas Schmit: Weg von der Idealwelt der Neoliberalen, hin zum sozialen Dialog
Der Luxemburgische Arbeitsminister und derzeitige EU-Ratsvorsitzende Nicolas Schmit wies darauf hin, dass die neuen Herausforderungen des Arbeitsmarktes neuer Regeln bedürften, die von den Sozialpartnern, der Kommission und den EU-Mitgliedsstaaten gestaltet werden müssten. Gleichzeitig sei der digitale Sektor eine Chance, und der Aufbau eines digitalen Binnenmarkts könnte die wirtschaftlich Position Europas in der Welt stärken. Besonders in Steuerfragen brauche man Regelungen und eine Zusammenarbeit auf internationaler Ebene, wie z.B. mit der internationalen Organisation für Arbeit (ILO), aber auch mit der amerikanischen Regierung, mit der momentan nur über einen Handelspakt und Investitionen, nicht aber über Sozialfragen diskutiert werde. Die Position der Kommission in diesen Fragen sei viel zu sehr von Interessen der Industrie geprägt, und übersehe die Bedürfnisse der Menschen. Nach dieser Periode neoliberalen Denkens müsse der soziale Dialog wieder Priorität haben, um die „digitale Transition“ besser und gerechter zu organisieren. Dies solle durch bessere Ausbildung und Mitbestimmungsrechte erreicht werden.
Erich Foglar: Akzeptanz der EU hängt von der sozialen Frage ab
ÖGB-Präsident Foglar kritisierte die aktuelle Ausrichtung der EU. Das große Friedensprojekt habe nur noch Tarnkappenfunktion für die Umsetzung der Freihandelszone. Die EU werde zunehmend auf die wirtschaftlichen Grundfreiheiten reduziert. „Die EU wird scheitern, wenn sie eine reine Wirtschaftsunion bleibt.“ Er forderte die Verankerung der Gleichrangigkeit der sozialen Grundrechte in den EU-Verträgen. Er verwies dabei auf eine gemeinsame Initiative der österreichischen, deutschen und schwedischen Gewerkschaften, die sich mit den jeweiligen sozialdemokratischen Parteien auf die Forderung nach einem sozialen Fortschrittsprotokoll geeinigt haben. Die Gewerkschaften werden einer künftigen Vertragsänderung ohne ein soziales Fortschrittsprotokoll nicht zustimmen. Mit einem solchen Protokoll sollen die sozialen Grundrechte in der EU mindestens den gleichen Stellenwert wie die wirtschaftlichen Grundfreiheiten erhalten und in den Verträgen verankert werden. Angesichts der Forderungen des britischen Premierminister Cameron könnte diese Situation schneller eintreten als manche denken.
Wolfgang Münchau: Die EU ist im Rahmen der geltenden Verträge ein neoliberales Projekt
Der Wirtschaftsjournalist Wolfgang Münchau begrüßte den Optimismus von Präsident Foglar, was die Neuverhandlung von sozialen Rechten in den EU-Verträgen betrifft.: Bisher sei es aber nur auf Ebene des Nationalstaates gelungen, Grund- und Arbeitsrechte wirkungsvoll zu verankern. Auch vor der Einführung des Euro seien viele zu optimistisch gewesen und hätten gedacht, dass man auch nachher noch Änderungen vornehmen könne. Nun stehe man allerdings vor vollendeten Tatsachen: Die EZB und die Konvergenzkriterien seien bereits Teil der Euro-Architektur, eine Sozial- und Fiskalunion hingegen sei noch immer nicht durchgesetzt worden.
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