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Diese Woche veranstalteten AK EUROPA und das ÖGB Europabüro eine Podiumsdiskussion über das Spannungsfeld zwischen Demokratie und Technokratie. Der Trend zur Auslagerung hoheitlicher Überwachungskompetenzen an unabhängige Agenturen – z.B. im Energie- oder Eisenbahnsektor - bedeutet nach Meinung vieler eine Schwächung der demokratischen Kontrolle. Neben dem Autor der Studie, Dr. Konrad Lachmayer, diskutierten auch der Vorstand der E-Control, Martin Graf, Monika Štajnarová von BEUC und Edith Hofer von der Europäischen Kommission.

Mangelnde demokratische Legitimität vs. strenge Aufsicht

Die gut besuchte Veranstaltung in der Ständigen Vertretung Österreichs bei der EU in Brüssel begann mit der Vorstellung der AK-Studie „Regulatie“ durch den Autor Dr. Konrad Lachmayer. Nach den Statements der PanelistInnen hatten die BesucherInnen die Möglichkeit, ihre Fragen an die ExpertInnen zu richten. Susanne Wixforth von der AK Wien moderierte die lebhafte Diskussion.

Dr. Lachmayer, der kürzlich im Arbeit und Wirtschaft Blog von AK und ÖGB einen Artikel publizierte, begann seine Ausführungen mit dem theoretischen Konzept moderner Regulierung. Ehemalige weisungsgebundene Behörden werden zurzeit – inspiriert vom angelsächsischen Raum und aufgrund Vorgaben der EU – in unabhängige „Agenturen“ umgewandelt. Letztere vereinten problematischerweise exekutive, legislative und judikative Kompetenzen in einer einzigen Organisation. Dies entspreche nicht der österreichischen Verwaltungstradition und lasse die Grenzen zwischen Staat und Privat verschwimmen. Eventuell verfassungswidrige Aspekte der rechtlichen Architektur des EU-Regulierungsregimes wurden vom österreichischen Gesetzgeber in Verfassungsrang gehoben. Dadurch verringere sich die Kontrolle über derartige Einrichtungen, da der Verfassungsgerichtshof im Fall von Verfassungsbestimmungen bzw. -gesetzen nur eingeschränkt prüfen kann. Insgesamt bewertete Lachmayer die Entkoppelung von Regulierungsagenturen und staatlicher Kontrolle als einen demokratiepolitischen Mangel. Gerichte hätten, anders als Ministerien oder Private, einen erheblichen Nachteil in diesem Bereich, da sie mitunter nicht über das notwendige technische know-how verfügen würden. Die Pläne, eine „Superregulierungsagentur“ für alle Sektoren zu schaffen, lehnte der Wissenschaftler ab, da nur kleine Organisationen eine halbwegs effektive Kontrolle ermöglichen würden.

Martin Graf, Vorstand der Energie-Control Austria, sah in der Tätigkeit seiner Organisation keine demokratiepolitische Problematik. Durch die rechtlichen Rahmenbedingungen seien die Handlungsspielräume stark begrenzt. Die Aufsichtsorgane, darunter das Wirtschaftsministerium, nähmen ihre Funktionen weiters sehr intensiv wahr. Die wesentliche Aufgabe seiner Behörde seien technische Angelegenheiten (z.B. Datenformate) und Marktzugang, während grundlegende energiepolitische Entscheidungen weiterhin durch den gewählten Gesetzgeber getroffen würden.

In Bezug auf die Offenheit der E-Control sprach Graf von einer „Musterschülerin“ im europäischen Vergleich. Man habe intensiven Kontakt zu den Interessensvertretungen, u.a. auch zu AK und ÖGB, über diverse Gremien und Dialogforen. Kritisch merkte er an, dass Österreich Nachholbedarf bei der Energieinfrastruktur habe. In dieser Hinsicht sah er auch die Länder in der Verantwortung. Weiters stellte er fest, dass die Liberalisierung des Strommarktes vor allem Gewerbekunden genützt habe. Gemeinsam mit KonsumentInnenvertreterInnen suche man Wege, um auch PrivatkundInnen von billigen Preisen profitieren zu lassen.

Monika Štajnarová von BEUC (Europäischer Verbraucherverband) sah ein demokratisches Defizit bei der Gesetzgebung allgemein und insbesondere im Energiebereich. Die EnergieversorgerInnen genössen zurzeit in der Bevölkerung ähnlich wenig Ansehen wie die Banken. In Zukunft sollten die RegulatorInnen vermehrt in Partnerschaft mit den KonsumentInnenschützerInnen agieren. Dies erfordere u.a. mehr Transparenz, Kapazitäten und gemeinsame Prozesse (z.B. für die Entwicklung und Umsetzung von Regulierungen). Die geplante Energieunion der EU könnte hier Vorbildwirkung haben, da geplant ist, die BürgerInnen intensiv einzubinden.

Edith Hofer von der EU-Kommission verteidigte die Regulierungsarchitektur der Union. Die Unabhängigkeit der RegulatorInnen mache Sinn, da sich viele Energieunternehmen in staatlichem Eigentum befänden und private MitbewerberInnen vor Benachteiligungen geschützt werden müssten. Die Legitimation der Agenturen ergebe sich durch den demokratischen Prozess ihrer Etablierung. Auch sie sah Österreich als Musterschüler im Bereich KonsumentInnenrecht, obwohl viele KundInnen offensichtlich durch die Liberalisierung überfordert seien. KonsumentInnenschutz könne auch negative Folgen haben, wenn, wie z.B. in Belgien die Regeln zu streng seien, um neue Anbieter zu motivieren, in den Wettbewerb einzusteigen.

Weiterführende Informationen:

Fotos der Veranstaltung