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Diese Woche veranstalteten das ÖGB Europabüro und AK EUROPA gemeinsam mit unseren Partnern Friends of the Earth, Corporate Europe Observatory und LobbyControl eine Podiumsdiskussion zum Thema Freihandel und Lobbying. Die Veranstaltung in der Ständigen Vertretung Österreichs war außergewöhnlich gut besucht, was sich nicht nur auf die Brisanz des Diskussionsstoffes zurückzuführen lässt, sondern auch auf das prominent besetze Panel. Zu Gast war u.a. Ignacio García Bercero, der TTIP-Chefverhandler der Europäischen Kommission, der sich breiter Kritik seitens der anderen DiskutantInnen stellen musste. Hauptthemen waren wenig überraschend die umstrittenen Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren (ISDS) und die geplante Regulierungszusammenarbeit (regulatory cooperation).

Freihandel weiterhin brisantes Thema

Zunächst stand der überproportionale Einfluss der Wirtschaftslobby im Gegensatz zur Zivilgesellschaft im Vordergrund der Debatte, der sich durch TTIP und CETA weiter zu Ungunsten der BürgerInnen verschieben könnte. Der Katalysator für diese Entwicklung ist aus Sicht der KritikerInnen die geplante „Regulierungskooperation“, welche die Position der US-Lobbies in der europäischen Gesetzgebung stärken werde.

Ignacio García Bercero (Generaldirektion Handel der Europäischen Kommission, Chefverhandler TTIP) betonte, dass für die VerhandlerInnen von TTIP regulatory cooperation als ein Dialog zwischen den Regulatoren auf beiden Seiten des Atlantiks gedacht sei. Stakeholder, also z.B. Vertreter der Wirtschaft oder der ArbeitnehmerInnen, werden nicht im geplanten „Regulierungsrat“ (Regulatory Cooperation Body) vertreten sein, sondern nur (in ausgewogener Form) in einem angehängten Forum. Wichtig war es dem Beamten auch zu versichern, dass Standards z.B. im KonsumentInnenschutzbereich nicht fallen würden, da der geplante „Regulierungsrat“ keinerlei gesetzgebende Kompetenzen haben werde. Diese verblieben wie bisher bei Parlament und Rat.

Für Eva Dessewffy (AK Wien) war Regulierungszusammenarbeit nicht nur aus demokratiepolitischer Sicht äußerst bedenklich, auch für ArbeitnehmerInnen und KonsumentInnen wären starke Nachteile zu erwarten. Die AK lehne es ab, dass eine Behörde oder Stakeholder beurteilen sollen, welche Gesetzesmaßnahmen als belastend und unnötig gesehen werden und welche nicht. Die enorm hohe Beteiligung bei der öffentlichen Konsultation zu ISDS in TTIP wäre ein klares Zeichen gewesen, was das Beharren der Kommission auf ISDS, selbst in einer reformierten Version, umso unverständlicher macht. ISDS sei nicht verbesserbar, weshalb die AK derartige Einrichtungen sowohl in CETA als auch in TTIP klar ablehne.

Jörg Leichtfried (MdEP, Stellvertretender Vorsitzender der S&D Fraktion) warnte davor, dass harmlos klingende „regulatorische Zusammenarbeit“ bzw. Dialog ein Anfang zu einer Entwicklung sein könnte, die ungewünschte Folgen mit sich bringen könnte. Er machte auch auf die Rolle seiner Fraktion aufmerksam, die in den Abstimmungen um CETA und TTIP das Zünglein an der Waage im Europäischen Parlament sei. Das Ablehnungspotential des Parlaments dürfe nicht unterschätzt werden, wie das gescheiterte ACTA-Abkommen gezeigt habe. ISDS sei aufgrund der hochentwickelten Justizsysteme beider Seiten nicht notwendig. Überhaupt habe er oft den Eindruck, dass TTIP kein Abkommen zwischen zwei Staaten, sondern zwischen verschiedenen Großunternehmen sei, die allen anderen ihre Regeln aufoktroyieren wollen. Dies sei nicht im Sinne der SozialdemokratInnen.

Paul de Clerck (Friends of the Earth Europe) kritisierte, dass im Vorfeld der Verhandlungen zwischen Europa und den USA die Europäische Kommission in erster Linie Gespräche mit WirtschaftslobbyistInnen geführt habe. Durch die Einführung eines „Regulierungsrats“ erhöhe man die Hürden für den Gesetzgeber, notwendige regulatorische Maßnahmen zu erlassen. Bezüglich ISDS konstatierte de Clerck, dass die Kommission mit ihren neuen Vorschlägen nur kosmetische Korrekturen vorgenommen habe. Das Grundproblem, dass ISDS Unternehmen ein Privileg einräume, welches BürgerInnen verwehrt sei, bleibe auch bei einer reformierten Version bestehen.

Ferdi de Ville (Wissenschaftler, Ghent University) präsentierte sein Modell der „unmöglichen Dreifaltigkeit“ von TTIP. Das Abkommen könne Wirtschaftswachstum, Erhaltung der hohen Standards und eine effektive Vorbildwirkung auf globaler Ebene niemals gleichzeitig erreichen. Die Prognosen der Auswirkungen des Freihandelsabkommen auf Wachstum und Beschäftigung seien allerdings ohnehin dürftig, es sei unklar, was TTIP tatsächlich bringen werde.

Weiterführende Informationen:

Fotos der Veranstaltung

Regulierungszusammenarbeit (Regulatory Cooperation) MD 3915 in der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnershaft (TTIP)

AK-Stellungnahme zum Wirtschafts- und Handelsabkommen EU-Kanada (CETA)

Transatlantic Free Trade Agreement (TAFTA) – Freihandelsabkommen der EU mit den USA