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Vergangene Woche hat der renommierte europäische ThinkTank Bruegel eine Studie herausgegeben, in der die desaströsen Auswirkungen der europäischen Austeritätspolitik auf die untersten Bevölkerungsschichten bzw. die Jungen klar aufgezeigt werden. Dieser verfehlte wirtschafts- und budgetpolitische Ansatz hat nicht nur die Lebenssituation von Millionen Menschen verschlechtert, sondern dürfte auch schwerwiegende langfristige Folgen nach sich ziehen, da sich eine „lost generation“ herauszubilden scheint.

Während in Spanien, Portugal oder Irland die Regierungschefs ein Ende der Wirtschaftskrise verkünden (was vermutlich auch mit wahltaktischen Überlegungen zusammenhängt), zeigt sich, dass Europa vermutlich noch lange unter dem Erbe der Krise leiden wird. In ihrer Studie argumentieren Zsolt Darvas und Olga Tschekassin von Bruegel, dass die europäische Sparpolitik die Armut in Europa nachhaltig gefördert und die Ungleichheit verschlimmert habe.

Sozialausgaben in Europa relativ stabil – Gefahr einer „verlorenen Generation“

Auch die südeuropäischen Staaten – mit der Ausnahme Griechenlands – haben Kürzungen bei den Sozialausgaben (im Gegensatz zu anderen Posten) vermieden. Davon profitierten insbesondere ältere Menschen. Finanzielle Unterstützung für Familien und Bildungsausgaben wurden dagegen eher reduziert bzw. nur gering erhöht. In Zusammenhang mit der grassierenden Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa entstehe dadurch eine „lost generation“, die mangels praktischer Erfahrung auch in Zukunft schwer in den Arbeitsmarkt zu integrieren sein wird. Dies werde auch demographische Folgen nach sich ziehen, da sich Hoffnungslosigkeit auch in der Geburtenzahl widerspiegelt bzw. Kinder „armer“ Eltern schlechtere Chancen in puncto Ausbildung und hochqualitativer Arbeit haben.

Starker Nord-Süd Gegensatz in Europa bei Armut

Während in den letzten Jahren eine gewisse Annäherung der „neuen Mitgliedstaaten“ an Westeuropa in Hinblick auf den Anteil der „Armen“ („severe material deprivation“) feststellbar war, kam es seit 2009 zu einem Auseinanderklaffen der Armutsraten zwischen Nord- und Südeuropa. Eurostat hat erhoben, dass Bulgarien, Rumänien und Ungarn 2013 noch immer die Länder mit dem größten Anteil an „armer“ Bevölkerung waren. Zumindest in den beiden Balkanstaaten sei der Trend jedoch rückläufig, während Griechenland, Zypern, Italien, Portugal, Irland und auch Großbritannien starke Anstiege der „Armen“ verzeichnen und mittlerweile schlechtere Kennzahlen als Slowenien oder Tschechien aufweisen. Spanien scheint eine positive Ausnahme zu sein, Österreich zählt zu den „MusterschülerInnen“ in dieser Hinsicht.

Übergang von Arbeits- zu Konsumsteuern belastet vor allem GeringverdienerInnen

Der Ratschlag der Europäischen Kommission, die Steuerbelastung auf Arbeit zu senken, und dafür Konsumsteuern wie die Mehrwertsteuer zu erhöhen, wurde von 16 EU-Staaten befolgt. Während Einkommensteuern in der Regel progressiv gestaffelt sind, entfaltet die Mehrwertsteuer eine regressive Wirkung: KleinverdienerInnen werden folglich besonders stark belastet, da ihr gesamtes Einkommen in mehrwertsteuerpflichtige Konsumausgaben fließt und der Steuersatz genauso hoch ist, wie bei Menschen mit hohem Einkommen. Ungleichheit wird durch eine derartige Steuerpolitik somit begünstigt. Vermögenssteuern, die dieser Entwicklung entgegenwirken können, wurden nur in drei EU-Staaten „ausgebaut“.

Österreich verzichtete im Zuge der von ÖGB und AK geforderten Steuerreform im Wesentlichen auf eine Erhöhung der Mehrwertsteuer.

Konsolidierungspolitik in Südeuropa unumgänglich – im Norden jedoch verfrüht

Während die AutorInnen grundsätzlich der Ansicht sind, dass in Griechenland eine Budgetsanierung unumgänglich war, kritisieren sie das „Wie“. Man hätte langsamer vorgehen müssen, vor allem aber hätte der reiche Norden nicht gleichzeitig auch sparen dürfen. Dies sei widersinnig gewesen, da die Wirtschaft des gesamten Kontinents darunter leide und es zudem in Fällen wie Deutschland oder Österreich nicht notwendig war, wie das Beispiel der USA oder Japan zeige. In all diesen Ländern sei das Vertrauen der InvestorInnen und Finanzmärkte trotz der erhöhten Schuldenstände auch in der Krise weiterhin gegeben gewesen.

Die Bankenhilfe, welche die europäischen Staaten ca. 600 Milliarden Euro gekostet habe, hätte man durch Beteiligung der GläubigerInnen auch „billiger“ haben können. Dadurch wäre finanzieller Spielraum für dringend notwendige Investitionen geblieben, die erwiesenermaßen den höchsten „Multiplikatoreffekt“ auf das Wirtschaftswachstum haben. Auch die AK sprach sich zuletzt auf einer Veranstaltung in Brüssel für eine „Goldene Investitionsregel“ für die EU-Staatshaushalte aus, um nachhaltige Zukunftsvorhaben zu realisieren und die Wirtschaft anzukurbeln. Prof. Truger erstellte dazu eine wirtschaftswissenschaftliche Studie.