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Nach dem Luxleaks-Skandal letztes Jahr beschloss Kommissionspräsident Juncker in die Offensive zu gehen und legale Steuervermeidungspraktiken von oberster Ebene zu bekämpfen. Diese Woche wurde der erste Schritt vorgestellt: Steuerabkommen zwischen multinationalen Unternehmen und den nationalen Finanzbehörden sollen ab 2016 automatisch an alle anderen Mitgliedstaaten verschickt werden. Einige Staaten benutzen Sonderabkommen mit Multis dazu, um Unternehmen anzusiedeln, was zu Einnahmenverlusten in anderen Mitgliedsländern führt. Die neue Transparenz werde zu besseren Steuerpraktiken aller EU-Mitglieder führen.

Der Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici stellte diese Woche Änderungen zur Richtlinie über die administrative Zusammenarbeit von nationalen Steuerbehörden vor. Informationen über sämtliche „tax rulings“, also Steuervorbescheide der nationalen Finanzämter, für international tätige Unternehmen müssen in Zukunft alle drei Monate automatisch zwischen den nationalen Finanzbehörden und der Europäischen Kommission ausgetauscht werden. Sollte ein Land durch einen Vorbescheid eines anderen Staates Nachteile befürchten, ist es berechtigt, ausführlichere Informationen über das Steuerabkommen anzufordern. Die Kommission will den Austausch überwachen und Analysen darüber erstellen.

Die neue Richtlinie soll schon am 1.1.2016 in Kraft treten, was ein schnelles Vorgehen erforderlich macht, da sie einstimmig im Ministerrat beschlossen und dann von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden muss. Betroffen sind auch alle Steuervereinbarungen („tax rulings“) zwischen Staaten und Unternehmen die nicht älter als 10 Jahre und noch immer in Kraft sind.

Die geplante Maßnahme dient der Transparenz, da viele Staaten über „aggressive“, aber legale, Steuerpraktiken in anderen EU-Ländern nicht Bescheid wissen. Die Konsequenzen, die von den betroffenen Staaten gezogen werden, werden von der Kommission nicht geregelt, da es sich bei Steuerrecht um eine nationale Kompetenz handelt. Die einzige EU-Möglichkeit, gegen unlautere Steuerabkommen vorzugehen, ist das europäische Beihilfenrecht. Im Fall von Starbucks und Amazon laufen derzeit solche Untersuchungen, an denen sich auch die AK als interessierte Beobachterin beteiligt hat.

Eine Kommissionsquelle betonte, dass der Charme der Maßnahme in ihrer Einfachheit liege, und deswegen auch von den Mitgliedstaaten akzeptiert werde. Durch verpflichtende Transparenz werde eine „Gruppendynamik“ innerhalb der Union entstehen, die Steuervermeidung reduzieren werde. Das Potential liege hier bei 150 Milliarden Euro im Jahr.

Es handle sich laut Moscovici nur um einen ersten Schritt in Richtung effektiverer Besteuerung im grenzenlosen Europa. Die Kommission will bis zum Sommer einen Aktionsplan bezüglich weiterer Maßnahmen im Steuersektor vorlegen, bei dem auch die gemeinsame Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer (CCCTB) wieder thematisiert werden wird, nachdem die Debatte darüber in den letzten Monaten auf Eis lag. Ein weiteres Vorhaben könnte aber auch die Veröffentlichung einiger Steuerinformationen multinationaler Konzerne sein, die von einigen Abgeordneten des EU-Parlaments gefordert wurde. Die Grundidee dahinter ist, dass Gewinne dort besteuert werden sollen, wo sie erwirtschaftet werden.

Im Rahmen der G20 bzw. der OECD-Steuergespräche will sich Kommissionspräsident Juncker zusätzlich dafür einsetzen, dass die neue EU-Regelung zum internationalen Standard wird.