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Diese Woche diskutierten der ehemalige Finanzminister Ferdinand Lacina und die drei Gewerkschaftspräsidenten Erich Foglar (ÖGB, Österreich), Karl-Petter Thorwaldsson (LO, Schweden) und Antti Palola (STTK, Finnland) über die Bilanz von 20 Jahren EU-Mitgliedschaft ihrer Heimatländer. Diese fiel insgesamt positiv aus, obwohl die Podiumsteilnehmer auch kritische Punkte ansprachen, darunter v.a. die unerträgliche Jugendarbeitslosigkeit in Europa.

Finnland, Schweden und Österreich sind 1995 der Europäischen Union beigetreten. AK EUROPA und das ÖGB Europabüro organisierten in der Ständigen Vertretung Österreichs die erste diesbezügliche „Jubiläumsveranstaltung“, bei der vor allem die Perspektive der ArbeitnehmerInnen im Vordergrund stand. Moderiert wurde die Diskussion von Melitta Aschauer von der AK Wien, die Begrüßung übernahm Österreichs EU-Botschafter Walter Grahammer.

Ferdinand Lacina, der den Beitritt in den 1990er Jahren mitverhandelte, hielt als „Täter, der an den Tatort zurückgekehrt ist“ eine einleitende Keynote. Er beschrieb den Wandel der Union der letzten 20 Jahre von der Zeit des sozialistischen Kommissionspräsidenten Jacques Delors über die „Schönwetterunion“ der 2000er Jahre bis zur Krisenunion, welche die hohe Jugendarbeitslosigkeit nicht in den Griff bekomme und es nicht schaffe, einfache und logische Lösungen für die wirtschaftlichen Probleme zu finden. Er sprach zudem selbstkritisch die fehlerhafte Konstruktion der Eurozone an, der es an einer steuerpolitischen Integration mangle. Schließlich verurteilte er die Flüchtlingspolitik der EU und forderte ein Ende des Steuerwettbewerbs und der (staatlich unterstützten) Steuervermeidung von Konzernen. Er erteilte auch dem angeblichen „internationalen Konkurrenzkampf“ in der Wirtschaft eine Absage, der oft als Begründung für schlechte Bezahlung diene. Hier werde mit „gezinkten Karten“ gespielt, da vor allem die (lokale) Dienstleistungsbranche unter niedrigen Löhnen leide, so z.B. die sozialen Berufe.

Erich Foglar (ÖGB) stellte fest, dass Österreich vom EU-Beitritt eindeutig profitiert habe und führte als Beispiel die positive Handelsbilanz mit einem Verweis auf den legendären ÖGB-Präsidenten Anton Benya an. Der Präsident erwähnte, dass die VertreterInnen der ArbeitnehmerInnenseite in die Beitrittsverhandlungen gut eingebunden waren, was er heute stark vermisse. Die Umstrukturierungen, die der Beitritt in Österreich ausgelöst hatte, wurden dank der SozialpartnerInnen gut abgefedert. Auch Erich Foglar erinnerte sich positiv an Jacques Delors, der ein Weißbuch über Wachstum und Beschäftigung veröffentlicht habe. Im Gegensatz dazu gehe die derzeitige Entwicklung der Union in die falsche Richtung, es sei eine soziale Säule zusätzlich zu den vier Grundfreiheiten nötig. Diesbezüglich sprach er von einem „New Deal“, den die nächste Generation abschließen müsse. Foglar zeichnete zudem ein Bild von der zukünftigen Arbeitswelt, in der das klassische Konzept der zeitbezogenen Arbeit bzw. Entlohnung unter Druck geraten werde. In Zusammenhang mit den technologisch begründeten Produktivitätssteigerungen stelle dies eine wesentliche Herausforderung für Gewerkschaften dar.

Karl-Petter Thorwaldsson, Präsident der schwedischen Gewerkschaft LO, berichtete von der positiven Grundeinstellung der Gewerkschaften beim Beitritt Schwedens. Die Union habe sich aber gewandelt, u.a. durch das EUGH-Laval-Urteil, das die Befugnisse von Gewerkschaften stark einschränkte. Die Osterweiterung, die er begrüßte, habe aufgrund des Lohngefälles Länder wie Schweden vor Herausforderungen gestellt. Thorwaldsson gab sich kämpferisch („we will strike back“) wenn es darum gehe, die Situation der ArbeitnehmerInnen in Europa wieder zu verbessern. Hier sprach er das Problem des Sozialdumpings an, das oft unter dem Deckmantel der Personenfreizügigkeit gerechtfertigt werde. LO-Schweden, ÖGB und DGB haben dazu eine gemeinsame Initiative gestartet, die demnächst konkrete Vorschläge liefern werde. Die letzten 12 Monate seien für die Gewerkschaften aber sehr positiv gewesen, auch wegen der Einführung des Mindestlohns in Deutschland, weshalb er optimistisch in die Zukunft blicke. Er kritisierte die mangelnden Investitionen in Europa und die fehlende Führungsbereitschaft. Gegen die grassierende Jugendarbeitslosigkeit werde es in Schweden bald eine gesetzliche Jobgarantie für Unter-25-Jährige geben.

Antti Palola, Präsident der finnischen Gewerkschaft STTK, verglich die Situation Finnlands in den 1990ern mit der heutigen. Damals habe sich Finnland, ähnlich wie heute, in einer schwierigen Wirtschaftskrise befunden Die finnischen Gewerkschaften seien auf den Beitritt damals nicht in vollem Umfang vorbereitet gewesen. Eine Verbesserung brachten gewerkschaftliche „Studienreisen“ nach Brüssel. Die ArbeitnehmerInnenvertretung sprach sich damals (wie heute) für die EU-Mitgliedschaft aus. Die Bedingung war aber, dass Lohnverhandlungen, Pensionen und Lohnniveau unangetastet bleiben müssten. Aus Sicht Palolas sei die EU insgesamt eine Erfolgsgeschichte, da sie den Frieden in Europa nachhaltig gesichert habe. Bei der Union handle es sich aber um ein Haus, das ständige Reparaturarbeiten benötige: Größtes Problem sei derzeit die Jugendarbeitslosigkeit.

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