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Die Steuerpolitik in der Europäischen Union hat in letzter Zeit wieder einiges an Brisanz dazugewonnen. Jüngst veröffentlichte Studien der Kommission zeigen, dass im Raum der EU28 Länder Steuern auf Arbeit die größte Quelle des Steueraufkommens sind. Im Zuge des europäischen Semesters wurde erläutert, dass Österreich eine sehr hohe Steuer- und Abgabenlast im Bereich Arbeit vorweist. Diese besorgniserregenden Entwicklungen in der Steuerpolitik nahmen AK und ÖGB diese Woche zum Anlass, um neben der hohen Abgabenlast auch auf die Auswirkungen des Steuerdumpings im Rahmen einer Podiumsdiskussion hinzuweisen.
Schere zwischen Arm und Reich geht weiter auf

Neben der Moderatorin Marlies Stubits (Ständige Vertreterin Österreichs bei der OECD) waren die Podiumsdiskutanten Erich Foglar (ÖGB Präsident), David Begg, (Generalsekretär des irischen Gewerkschaftsbundes ICTU), Heinz Zourek (Generaldirektor Steuern und Zollunion EU-Kommission) und Michael Förster (Senior Policy Adviser OECD).
Förster trug einige Ergebnisse aus seiner Tätigkeit zur Entwicklung der Einkommensungleichheit in den OECD Ländern vor. Er betonte, dass seit den 1980ern die Schere zwischen Arm und Reich immer mehr auseinanderklafft. Durch die Nachwehen der Wirtschaftskrise sowie öffentliche Ausgabenkürzungen sei in den letzten Jahren die Ungleichheit wieder gestiegen. Es sei besonders zu vermerken, dass in den meisten OECD Ländern, darunter auch in Österreich, die ärmsten 10% aller Haushalte höhere Einkommensverluste aufweisen als die reichsten 10%.

Verfehlte Steuerpolitik in Österreich

Erich Foglar ist der Ansicht, dass das Ungleichgewicht in Österreich unter anderem auch einer missglückten Steuerpolitik zuzuschreiben ist: Die unter Schwarz- Blau durchgeführte Steuerreform hat den Effekt, dass dem/r ArbeitnehmerIn trotz guter Lohnpolitik netto weniger bleibt (Beispiel: Von 1€ Lohnerhöhung bleiben bestenfalls netto 52 Cent). Foglar betonte, dass eine höhere Kaufkraft ein notwendiger Faktor zur Ankurbelung des Wachstums sei. Er stellte dazu das AK/ÖGB Modell zur Lohnsteuersenkung vor, welches schon von 800.000 Menschen unterzeichnet wurde. Das Ziel der Gewerkschaft ist, dass dieses Modell im Jahr 2015 eine Umsetzung durch das österreichische Parlament findet.

Multis nutzen weiterhin nationale Steuerschlupflöcher

David Begg stellte fest, dass die irische Wirtschaft im Moment ein starkes Wachstum mit 5,7% aufweist. Die Rezession sei seiner Meinung nach nicht durch zu hohe Staatsschulden, sondern durch Fehlentwicklungen im Bereich von Immobilien- und Bankengeschäften entstanden. Eine Währungsunion ohne Fiskal- und Bankenunion sei seiner Ansicht nach nicht möglich. Ein wichtiger Faktor sei das Wachstum der Binnennachfrage. Weiters forderte er, dass neue soziale Risiken abgesichert werden sollten, speziell bei prekären Beschäftigungsverhältnissen und bei Aus- und Weiterbildung. Begg konstatierte, dass Multis keine Steuern zahlen wollen, jedoch im Gegenzug dazu die volle Infrastruktur in Beschlag nehmen möchten. Er ist der Meinung, dass die EU die Globalisierungssituation nicht gedrosselt habe, sondern nur verschärft.

Einige EU- Mitgliedsstaaten (z.B. Irland) sorgen jedoch selbst dafür, dass multinationale Konzerne ganz legal ihre Steuerlast über ausländische Tochtergesellschaften minimieren können. Laut OECD Schätzungen wurden von Multis weltweit etwa 1600 Milliarden Euro in Steueroasen oder Niedrigsteuergebieten untergebracht. Dies konnte nur durch die Nutzung von nationalen Schlupflöchern und international nicht abgestimmten Steuergesetzen geschehen.

Verstärkt Entwicklungen in der Steuerpolitik

Heinz Zourek bekundete, dass eine Währungsunion ohne Fiskalunion kaum machbar sei. In den letzten Jahren sei der Trend in den Mitgliedsstaaten über bestimmte steuerpolitische Sachen zu diskutieren immer sichtbarer geworden, was vorher noch als undenkbar galt. Das Europäische Semester gibt seit kurzem auch Äußerungen zu steuerpolitischen Themen ab, beispielsweise zur zu hohen Arbeitsbesteuerung. Zourek stellte fest, dass in letzter Zeit eine immer intensivere Zusammenarbeit, auch im Hinblick auf die Einigung der FinanzministerInnen über den automatischen Datenaustausch, erfolgt. Das kann als wichtige Aufwärtsentwicklung verbucht werden.