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Der Aufschrei der Zivilgesellschaft über den Versuch der Europäischen Kommission, die Wasserversorgung zu liberalisieren, ist kaum verhallt, der Widerstand gegen das Freihandelsabkommen zwischen EU und USA („Transatlantic Trade and Investment Partnership“ oder kurz TTIP) wächst. Die Europäische Kommission scheint dies alles völlig zu ignorieren und verhandelt über ein weiteres Abkommen zur Liberalisierung der öffentlichen Dienstleistungen („Trade in Services Agreement“ oder kurz TiSA) mit 21 anderen Ländern (u.a. USA, Kanada, Australien, Japan, Türkei, allesamt Mitgliedsstaaten der WTO (World Trade Organization).
Mit dem so genannten „TiSA“, dem neuen Freihandelsabkommen für Dienstleistungen, stehen insbesondere auch essentielle Leistungen der Daseinsvorsorge wie Bildung, Gesundheits- und soziale Dienstleistungen, Abwasser- und Müllentsorgung, Energie, Verkehr oder Wasserversorgung auf dem Spiel. Eine aktuelle Studie von „Public Services International“ gibt zudem Einblick darin, wie einseitig die Verhandlungen auf offensive Geschäftsinteressen ausgerichtet sind. Derzeit sind die Standards zum Handel mit Dienstleistungen im WTO-Dienstleistungsabkommen GATS (General Agreement on Trade in Services) geregelt. Bereits im Jahr 2000 wurde versucht, das GATS zu verschärfen und einen umfassenden Durchbruch für die Liberalisierung der Dienstleistungsmärkte zu erzielen. Dieser Versuch rief massive Kritik von AK, Gewerkschaften, NGOs und Zivilgesellschaft (Stopp GATS-Proteste) hervor. Vehemente Forderung von allen: die Herausnahme der öffentlichen Dienstleistungen aus dem Anwendungsbereich des Freihandelsvertrags.

Weitgehender Stillstand der GATS-Verhandlungen führt zu neuen Wegen der Wirtschaftslobby


Die EU und 21 Mitgliedsstaaten der WTO, die sich selbst als „Really Good Friends of Services“ be-zeichnen, wollen nicht länger auf einen Durchbruch im Rahmen des GATS warten, sondern versuchen die bestehende Widerstände in Form eines neuen Abkommens – TiSA – zu umgehen. Trotz breiter Kritik an den Plänen zur Aufnahme von Verhandlungen über die Liberalisierung von Dienstleistungen auf plurilateraler Ebene, gingen am 28. April die TiSA-Verhandlungen in die nächste Runde – hinter verschlossener Tür und während die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf TTIP und ISDS liegt. Intransparenz, Umgehung von multilateralen Verträgen und vor allem verschärfte Regelwerke für die Liberalisierung des Dienstleistungssektors sind kennzeichnend für das TISA-Projekt. So soll z.B. statt des bisherigen Standards „Positivlistenansatz“ (liberalisiert wird das, was explizit verpflichtet ist), soll in wichtigen Bereichen des Abkommens ein „Negativlistenansatz“ zum Einsatz kommen (“list it or lose it“ – was nicht ausgenommen ist, ist voll liberalisiert). Staaten sollen in bestimmten Sektoren den Status der Liberalisierung beibehalten können, jedoch können diese nicht wieder stärker reguliert werden („Stillhalteklausel“). Zudem sollen Liberalisierungsverpflichtungen nicht nur irreversibel gemacht, sondern auch fortlaufend festgeschrieben werden („Ratchet Clause“). Bedroht von diesem einschneidenden Verlust demokratischer Handlungsspielräume sind vor allem auch die öffentlichen Dienstleistungen.

Die AK fordert einen grundlegenden Kurswechsel der EU-Handelspolitik. Die verpflichtende Verankerung von Sozialstandards, die Sicherstellung der Einhaltung von ArbeitnehmerInnenrechten und die Herausnahme der öffentlichen Daseinsvorsorge aus dem Anwendungsbericht von Freihandelsabkommen muss außer Streit gestellt werden. Jegliche Verhandlungen zur Liberalisierung der öffentlichen Dienstleistungen müssen gestoppt werden.

Mehr Informationen zu diesem Thema:

AK EUROPA-Position zum plurilateralen Dienstleistungsabkommen (nur auf Englisch verfügbar)

Public Services International (PSI) Studie

Dokumentation des ETUC-EPSU-AK Europa-ÖGB Europabüro Seminars zu FTAs und öffentlichen Dienstleistungen

AK Infobrief „GATS reloaded“, Seite 25ff