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Mit den unterschiedlichen Konzepten von Eurobonds – also der gemeinsamen Aufnahme von Schulden durch die Staaten der Eurozone – war die Hoffnung verbunden, die Schuldenkrise langfristig hinter sich zu lassen und als Eurozone vereint gegenüber den mächtigen Finanzmärkten auftreten zu können. Eine ExpertInnengruppe der Kommission unter dem Vorsitz von Gertrude Tumpel-Gugerell kommt jetzt zum ernüchternden Schluss, dass die dort diskutierten Konzepte kaum ohne langwierige Vertragsänderungen umsetzbar sind.
Eurobills und Schuldentilgungsfonds

Die Expertengruppe diskutierte zwei Konzepte, sogenannte „Eurobills“ und einen Schuldentilgungsfonds, wie er vor allem in Deutschland von dem „Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“ (vulgo die Wirtschaftsweisen) vorgeschlagen wurde.

Bei der Idee von „Eurobills“ soll nur ein kleiner Teil der Schulden (z.B. bis zu 10% des BIP der teilnehmenden Länder) als gemeinsame Schuldtitel ausgegeben werden, und die Anleihen sollen eine relativ kurze Laufzeit von nur ein oder zwei Jahren haben.

Das Konzept des Schuldentilgungsfonds sieht vor, dass alle Mitgliedsstaaten der Eurozone jenen Teil ihrer Schulden, der die Grenze von 60% des BIP an einem bestimmten Stichtag übersteigt, in den europäischen Schuldentilgungsfonds überführen. Der Schuldentilgungsfonds würde die übernommenen Schulden mit gemeinschaftlichen Anleihen refinanzieren. Die einzelnen Mitgliedsstaaten würden sich im Gegenzug dazu verpflichten, die ausgelagerten Schulden in einem Zeitraum von 25 Jahren abzutragen. Entsprechend wäre der Spardruck für die Staaten unterschiedlich hoch.

Beide Konzepte können mit verschiedenen Konditionen versehen werden, um dem befürchteten Problem des „Moral Hazard“ zu begegnen, also der Gefahr, dass einzelne Staaten die vergünstigten Bedingungen zur Schuldenaufnahme ausnutzen und sich im Endeffekt auf Kosten der anderen Staaten übermäßig verschulden.

Demokratiepolitische Probleme oder faule Ausrede?

Die Auswahl und Zusammensetzung der ExpertInnengruppe waren für sich genommen schon problematisch. Denn die Gruppe widerspricht klar den von der Kommission selbst aufgestellten Kriterien der Ausgewogenheit, wonach wirtschaftliche Interessen nicht überrepräsentiert sein dürfen, und es ein Gegengewicht aus Gewerkschaften, Wissenschaft und Zivilgesellschaft geben muss. Tatsächlich vertreten aber gleich 4 von 10 Mitgliedern der ExpertInnengruppe die Interessen der Finanzindustrie, während Gewerkschaften und Zivilgesellschaft gar nicht vertreten sind und die restlichen VertreterInnen NationalbankerInnen und zum Teil sehr wirtschaftsnahe AkademikerInnen sind.. Auch eine öffentliche Ausschreibung hat nicht stattgefunden.

Die Expertengruppe anerkennt zwar in ihrem Abschlussbericht mögliche Vorteile von Eurobills und Schuldentilgungsfonds, aber letztendlich begräbt sie die Idee wieder. Einerseits verweist sie darauf, dass die Auswirkungen der neuen wirtschaftspolitischen Architektur (Six Pack, Fiskalpakt, Bankenunion) erst abgewartet werden müssen und führt noch einmal die Gefahr des „Moral Hazard“ an. Besonders bemerkenswert ist aber ihr zentrales Argument gegen gemeinsames europäisches Schuldenmanagement. Die ExpertInnengruppe argumentiert nämlich, dass die beiden diskutierten Konzepte nicht ohne eine Änderung der EU-Verträge eingeführt werden können. Zwar könnte alternativ eine intergouvernementale Vereinbarung außerhalb des EU-Rechts geschaffen werden. Dies lehnt die ExpertInnengruppe aber aus demokratiepolitischen Bedenken ab. Nun sind diese Bedenken zwar nicht von der Hand zu weisen, dennoch hat das die Regierungen nicht daran gehindert, Fiskalpakt, den Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM oder jüngst den geplanten Fonds zur Finanzierung von Pleitebanken als intergouvernementale Vereinbarungen ins Leben zu rufen. Ganz offensichtlich gelten demokratiepolitische Bedenken derzeit nur, wenn es darum geht, die fehlgeschlagene Sparlogik zu zementieren oder mehr Kompetenzen für Europa zu verhindern.