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Am 26.2.2014 wurde im Europäischen Parlament (EP) das so genannte „4. Eisenbahnpaket“ mit großer Mehrheit konservativer und liberaler Abgeordneter beschlossen, welches de facto einen weiteren Liberalisierungsschub des Schienenverkehrs in Europa bedeutet. Der Europäischen Kommission gehen die Reformen angesichts der zahlreichen eingebrachten Änderungen im EU-Parlament nicht weit genug, während aus Sicht der Gewerkschaften viele höchst problematische Entwicklungen verhindert werden konnten.
Das 4. Eisenbahnpaket: Bedenkliche Neuerungen

Für die AK ist die am 26.2.2014 im Europäischen Parlament (EP) beschlossene Liberalisierung der europäischen Bahnen prinzipiell eine äußerst bedenkliche Entwicklung, da nun weiteren Privatisierungstendenzen Tür und Tor geöffnet wurde. Zwar bleibt grundsätzlich die Möglichkeit bestehen, öffentliche Aufträge direkt ohne Ausschreibung zu vergeben, jedoch können diese in Zukunft nur auf Basis äußerst strenger Auflagen gerechtfertigt sein.

Das bedeutet in der Praxis die Einführung des so genannten „Rosinenpickens“, wonach sie private Anbieter möglichst lukrative Strecken auswählen, was zu einer systematischen Schwächung und sogar etwaigen Stilllegungen der wenig gewinnbringenden Regionalbahnen führen wird.

Durch diese neuen Auflagen werden öffentliche Anbieter zukünftig zu vermehrten Ausschreibungen gezwungen sein, was in der Praxis zu Teuerungen und Lohndumping führen kann. Die Rechnung werden wie immer die ArbeitnehmerInnen und KonsumentInnen zu zahlen haben, obwohl die Europäische Kommission mit ihrem Vorschlag eine erhöhte Attraktivität des Bahnsektors in Europa versprochen hatte.

Teilerfolge für ArbeitnehmerInnen

Trotz dieser grundsätzlichen Fehlentwicklungen wurden dem 4. Eisenbahnpaket aufgrund von zahlreichen Änderungen auch etliche Giftzähne gezogen. So ist besonders erfreulich, dass bei künftigen Betreiberwechseln die Regelung einer verpflichtenden Personalübernahme schlagend wird.

Außerdem konnte die von der Europäischen Kommission angestrebte Einschränkung des Streikrechts verhindert werden. Verkehrskommissar Siim Kallas befürwortete in seinem Legislativvorschlag auch das so genannte „Unbundling“, was in anderen Worten die Zerschlagung von Bahngesellschaften vorsieht, welche beispielsweise Netzwartung sowie Schienenverkehr selbst betreiben. Dieser Vorstoß der Kommission konnte im letztendlich angenommen 4. Eisenbahnpaket abgewendet werden, hätte er doch weitreichende Auswirkungen für die Beschäftigten bzw. Mehrkosten durch den Wegfall von Synergieeffekten zur Folge gehabt.

Fazit: Ein blaues Auge

Durch zahlreiche Abänderungen des ursprünglichen Vorschlages der EU-Kommission konnte das 4. Eisenbahnpaket in vielen entscheidenden Fragen entschärft werden, wenngleich trotzdem ein neuer Schritt Richtung Liberalisierung des Schienenverkehrs in Europa gesetzt wurde.

Aus Sicht der ArbeitnehmerInnen und KonsumentInnen gilt es jetzt zu beobachten, wie sich die neue Wettbewerbsfreiheit im Bereich der Eisenbahnen auf die Qualität, Kosten und Nachhaltigkeit der angebotenen Dienstleistungen auswirkt. Es ist zu befürchten, dass die von der Europäischen Kommission versprochene erhöhte Attraktivität des Schienenverkehrs durch Liberalisierungen nicht zu erreichen ist.

Mehr Informationen zum 4. Eisenbahnpaket:


AK EUROPA Positionspapier „Das Vierte Eisenbahnpaket: Vollendung des einheitlichen europäischen Eisenbahnraums zur Steigerung von Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum in der EU“

Fact Sheet „Fakten zur Novellierung der VO 1370/2007 EG“ von AK EUROPA und vida

Studie „Volkswirtschaftliche Effekte der Liberalisierung des Eisenbahnpersonenverkehrs in Österreich“ im Auftrag von AK Wien, GdG, vida, Städtebund und VÖWG