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Am 12. Februar 2014 wurde im Ausschuss für internationalen Handel (INTA) des Europäischen Parlaments (EP) eine öffentliche Anhörung zur Bilanz der Handelspolitik der Europäischen Kommission während der vergangenen 5 Jahre abgehalten. Als europäischer Fachmann aus dem gewerkschaftsnahen Bereich mit auf dem Podium: Nikolai Soukup, einer der TopexpertInnen der AK zum Thema Handelspolitik. Sein Fazit: aus Sicht von AK und Gewerkschaften gibt es für ArbeitnehmerInnen wenig Grund, über die Kommissionspolitik der letzten Jahre zu jubeln.
Belebung der Binnennachfrage wichtiger als Außenhandel, um aus der Krise zu kommen

Es muss als hohe Anerkennung für die Arbeit der Arbeiterkammer und der österreichischen Gewerkschaften gewertet werden, dass mit Nikolai Soukup einer ihrer TopexpertInnen neben drei weiteren europäischen Fachleuten eingeladen wurde, um den Abgeordneten des Handelsausschusses des Europäischen Parlaments, das immerhin rund 500 Millionen EU-BürgerInnen vertritt, die Kritikpunkte der ArbeitnehmerInnenbewegung an der Handelspolitik der Europäischen Kommission zu präsentieren.

Zu Beginn seiner Ausführungen rief Soukup in Erinnerung, dass die Ziele der EU-Handelspolitik mit den allgemeinen Zielen der EU-Außenpolitik, wie sie in Artikel 3 des Vertrages über die Europäische Union festgehalten sind, im Einklang stehen müssen: nachhaltige globale Entwicklung, Solidarität und gegenseitiger Respekt aller Völker, freier und fairer Handel, die Beseitigung von Armut und der Schutz der Menschenrechte.

Deshalb sei eine wie jetzt vom EP initiierte Bewertung wichtig, um die politische Kohärenz der Aktivitäten der EU-Kommission zu beurteilen. In offiziellen Dokumenten betone die Kommission immer wieder, dass Handel notwendig sei, um aus der Krise zu kommen. Dies sei jedoch irreführend, so Soukup. Er erinnerte daran, dass der Handel der EU-Mitgliedsländer untereinander, also die sogenannte Binnennachfrage, viel entscheidender sei, da dieser fast die Gesamtheit des Waren- und Dienstleistungsaustausches zwischen den EU-Mitgliedern ausmache.

Soziale und arbeitsrechtliche Klauseln in EU-Handelsverträgen zweitklassig


Generell merkte Soukup an, dass die EU immer mehr den Weg multilateraler Handelsverträge verlasse und sich Immer stärker auf bilaterale und plurilaterale Verhandlungen beschränke. Aus Gewerkschaftssicht gebe es bei allen Verträgen einen entscheidenden Schwachpunkt. So könnten in Handelsverträgen festgeschriebene Standards für Beschäftigung, so wie soziale und arbeitsrechtliche Klauseln, nicht eingeklagt werden, und seien damit anderen Vertrags-Kapiteln untergeordnet. Die AK fordere daher, dass auch für diese Regeln Streitbeilegungsmechanismen vorgesehen werden müssten. Dies gelte auch für die ILO- Arbeitsstandards und die ILO-Konventionen. Das EU-Abkommen mit Korea mache deutlich, dass diese Klauseln und Standards nur sehr schwach formuliert sind. Auch habe Korea nur 4 der 8 ILO-Standards umgesetzt. Bei den Abkommen mit Kolumbien und Peru kritisiere die AK generell das politische Umfeld und die eklatante Missachtung und Bedrohung von GewerkschafterInnen und Gewerkschaftsrechten.

Privat verklagt Staat hinter verschlossenen Türen


Ein weiteres gravierendes Problem von Freihandelsabkommen aus gewerkschaftlicher, zivilgesellschaftlicher, aber auch demokratischer Sicht erkennt Soukup im Mechanismus zur Streitbeilegung, der in der oftmals für Laien verwirrenden Terminologie der Handelsverträge auch „Investitionsschutzmechanismus“ (Mechanismus zur Schlichtung von Streitigkeiten zwischen InvestorInnen und Staaten ISDS) genannt wird. Dieser Mechanismus räumt privaten InvestorInnen die Möglichkeit ein, gegen demokratisch legitimierte Entscheidungen von Staaten zu klagen, wenn sie der Ansicht sind, dass letztere ihren Geschäftsinteressen schaden. Die Entscheidung über solche Beschwerden trifft jedoch nicht ein staatliches Gericht, sondern ein kleines Gremium von „Sachverständigen“, das noch dazu hinter verschlossenen Türen tagt, und gegen desseen „Urteile“ keine Berufung möglich ist. Soukup bezeichnete diese Konstruktion als Aushöhlung nationaler Rechtssysteme, die für die AK inakzeptabel sei.

Auch öffentliche Dienstleistungen müssten aus den Handelsverträgen der EU völlig ausgenommen sein und dürften nicht dem Marktdiktat unterworfen werden, so Soukup, der in diesem Zusammenhang auch auf den großen Erfolg der ersten erfolgreichen, gewerkschaftlich getragenen Europäischen Bürgerinitiative „right2water“ verwies, bei der sich rund 1,6 Millionen UnterzeichnerInnen gegen Pläne zur Privatisierung der Wasserversorgung in Europa aussprachen.

Die Leistungsbilanz der Europäischen Kommission während der vergangenen 5 Jahre im Bereich der Handelspolitik sei demnach aus ArbeitnehmerInnensicht durchwachsen, so Soukup in seinem Fazit. Wesentlich für die Gegenwart (Verhandlungen für ein Handelsabkommen zwischen der EU und den USA) und die Zukunft sei, die demokratische Legitimität der Verhandlungen zu stärken, sie aus den Hinterzimmern ans Licht zu zerren und sie vor den Augen der breiten Öffentlichkeit zu führen. Dazu gehöre auch, dass das Europäische Parlament in alle Verhandlungsphasen eingebunden sei, so AK-Soukup zum Abschluss.

Weitere Informationen:


Video Mitschnitt: Nikolai Soukup im EP (ab 15:59:00-16:11:15)

PowerPoint Präsentation von Nikolai Soukup (EN)

Fragen und Antworten zum Handelsabkommen EU-USA

Tagesordnung der öffentlichen Anhörung
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