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Am 22. Oktober 2013 fand im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) eine Konferenz zum Thema „Corporate Social Responsibility“ (CSR) statt. Auf dem eintägigen Treffen präsentierten rund zwanzig VertreterInnen von Unternehmen, der Europäischen Kommission, akademische ExpertInnen und auch Mitglieder des EWSA ihre praktischen wie theoretischen Ansätze zu CSR. Aus Sicht von ArbeitnehmerInnen ist es aber mehr als enttäuschend, dass lediglich einem gewerkschaftlichen Vertreter ein Platz am Podium eingeräumt wurde. Die fehlende Ausgewogenheit in der Zusammensetzung der ExpertInnen am Podium war aber auch ein Spiegelbild für die Schwächen des Konzepts der CSR im Allgemeinen.
Von Werten und Verpflichtungen

„Tchibo“, „Danone“, „Bpifrance Investissement“, „Schneider Electric“: Die Liste der auf dem Podium der Konferenz vertretenen Unternehmen ist lang. Zusätzlich waren zwei Vertreterinnen von BUSINESSEUROPE und EUROCHAMBERS vor Ort. BUSINESSEUROPE ist der größte ArbeitgeberInnen-Dachverband in Europa und EUROCHAMBERS der Zusammenschluss europäischer Wirtschafts- und Industriekammern. Demgegenüber stand nur ein Vertreter für die Interessen von ArbeitnehmerInnen. Dieses Ungleichgewicht galt schon als Vorbote späterer Widersprüchlichkeiten im konkreten Verständnis von CSR.

Gleich zu Beginn der Konferenz wurde von mehreren Seiten klargestellt, dass „Corporate Social Responsibility“ kein einheitliches Konzept sei, sondern vielmehr einen grundsätzlichen Rahmen zur strategischen Leitung von Unternehmen bieten soll. Kerngedanke ist dabei die Berücksichtigung der sozialen, wirtschaftlichen und umweltpolitischen Auswirkungen unternehmerischer Tätigkeiten. Themenbereiche wie „nachhaltige Produktion“ und „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ kamen während der Diskussionen des Öfteren auf.

Unternehmen müssten sich gerade in Zeiten der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise auf grundsätzliche ethische Werte besinnen. Daraus solle eine Unternehmensphilosophie entstehen, deren Kerngedanke die Steigerung der Produktivität der einzelnen ArbeitnehmerInnen durch verstärkte Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse sei. Dies war die einhellige Haltung der ArbeitgeberInnenseite auf der Konferenz.

Jedoch lehnten die UnternehmensvertreterInnen bei der Konferenz mehrheitlich rechtliche Regelungen zur Festschreibungen konkreter Pflichten ab. Hier werden die Widersprüche dieses diffusen Konzepts von „Corporate Social Responsibility“ deutlich. Firmen dient CSR gewissermaßen als Überbegriff für Strategien zur Produktivitätssteigerung, was in der Praxis vollkommen unterschiedliche Ausprägungen haben kann. Eine große Gefahr für KonsumentInnen geht vor allem vom so genannten „Greenwashing“ aus. Dabei wird ein Unternehmen in der Öffentlichkeit als besonders umweltverträglich, nachhaltig und sozial gerecht angepriesen, während die tatsächlichen Produktionsbedingungen ein anderes Bild zeigen. CSR dient in diesem Zusammenhang als reine PR-Strategie ohne Substanz.

Steuergerechtigkeit und CSR?

Die Haltung der UnternehmensverterterInnen bei der Konferenz im EWSA machte des Weiteren deutlich: ArbeitnehmerInnen sollen bei der Definition der spezifischen Inhalte von CSR in einem Unternehmen nicht notwendigerweise eingebunden werden. Vielmehr geht es um eine neuartige Management-Strategie, die es Firmen erlaubt, sich selbst unverbindliche Leitlinien zu setzen, um umweltverträglicher zu produzieren beispielsweise.

Fragen der Steuergerechtigkeit wurden überraschendweise gänzlich aus den Diskussionen ausgeklammert. Jedoch müsste doch genau dieser Bereich die Kernidee von CSR von der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen tangieren. Jedes Jahr verlieren die europäischen Staaten Milliarden an Euro durch systematische Steuervermeidungsstrategien multinationaler Konzerne. Diese nützen bei ihrer aggressiven Steuerplanung geschickt Schlupflöcher in nationalen Steuersystemen aus – siehe auch den AK EUROPA-Artikel zu Steuergerechtigkeit.

Konsequenterweise müsste ein Unternehmen mit Anspruch auf Verwirklichung seiner gesellschaftspolitischen Verantwortung diese Praktiken ablehnen und seinen fairen steuerlichen Anteil leisten.

Perspektive für ArbeitnehmerInnen?

Marco Cilento vom Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) erläuterte als einziger Vertreter von ArbeitnehmerInnen am Podium prägnant den problematischen Kern von CSR. Dieses Konzept hat aufgrund seiner inkonsistenten und unterschiedlichen Definition je nach Unternehmen per se keinen substantiellen Kern, der die Rechte von ArbeitnehmerInnen stärkt. Außerdem werden ArbeitnehmerInnen bei der Erarbeitung der konkreten Inhalte einer CSR-Strategie einer Firma in der Regel nicht eingebunden. Fragen der Lohngerechtigkeit sind in der Regel nicht zwangsweise Teil von CSR.

Zudem ist die Verweigerung von UnternehmerInnenseite zu bestimmten rechtlichen Verpflichtungen ein starkes Zeichen für die Zahnlosigkeit dieses Konzepts. Die Frage, was CSR überhaupt ist, kann also in Wahrheit nicht genau beantwortet werden. Die jüngste Geschichte zeigt, dass bei genauerer Analyse oft nicht mehr als leere Worthülsen übrig bleiben. So haben beispielsweise jene europäischen Einzelhändler, welche ihre Kleidungsstücke unter menschenunwürdigen Bedingungen in Bangladesch produzieren lassen, den Opfern der eingestürzten Fabriken noch keinerlei Entschädigungen gezahlt – siehe auch den AK EUROPA-Artikel zu den TextilarbeiterInnen in Bangladesch. Gleichzeitig heften sich jedoch einige große Handelsketten auf die Fahnen, für sozial- und umweltverträgliche Produktionsbedingungen sorgen zu wollen.

Weiterführende Informationen:


Konferenz „Corporate Social Responsibility“ im EWSA
(EN)