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In diesem Jahr sind in Bangladesch mehrere Textilfabriken eingestürzt bzw. in Flammen aufgegangen. Schon allein die Bilanz des verheerendsten Falls vom 24. April 2013 ist erschreckend: Mehr als 1100 Tote und weit über 2000 zum Teil schwer verletzte FabriksarbeiterInnen. Am 17. September 2013 sprach die Botschafterin Bangladeschs vor dem Handelsausschuss des Europäischen Parlaments (EP) in Brüssel. Eingeladen waren auch Vertreter der europäischen Textilindustrie, der Foreign Trade Association (FTA) und der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Gemeinsam wurden Fragen der notwendigen Reformen zum Schutz der ArbeitnehmerInnen in Bangladesch besprochen, wobei die Positionen der unterschiedlichen Stakeholder in einigen Punkten stark voneinander abwichen.
Eine katastrophale Bilanz und ihre Ursachen

Die Hintergründe zu den erschütternden Tragödien sind in der Regel immer gleich. Alle betroffenen Fabriksgebäude wiesen grobe bauliche Mängel auf und entsprachen in keinem Fall den ohnehin schon relativ geringen Sicherheitsvorschriften der bangladeschischen Behörden. Besonders der Einsturz der Textilfabrik in Rana Plaza Ende April diesen Jahres hatte äußerst tragische Konsequenzen: Laut offiziellen Angaben fanden 1129 ArbeiterInnen in den Trümmern den Tod, während 2438 mit größtenteils schweren Verletzungen überlebten. In Rana Plaza wurden beispielsweise Kleidungsstücke für Aldi, Tchibo, H&M, C&A und Benetton hergestellt.

Immer wieder gab es seither lautstarke Proteste und Streiks von TextilarbeiterInnen in weiten Teilen des Landes. Unter den Hauptforderungen befanden sich vor allem die Erhöhung der Löhne und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Form von verstärkten Sicherheitsstandards.

Diskussionen im Ausschuss des EP

Im Handelsausschuss berichtete Ismat Jahan, Botschafterin von Bangladesch in Belgien und zur EU, über die angestrebten politischen Reformen in der Textilindustrie ihres Heimatlandes. Es würden demnächst rund 200 neue InspektorInnen zur Verfügung stehen und auch das Recht auf gewerkschaftliche Organisierung verbessert werden. Mit einer Summe von 3 Milliarden US-Dollar könnten auch innerhalb von fünf Jahren alle Sicherheitsstandards auf ein notwendiges Niveau erhöht werden. Dies käme einer Erhöhung des Preises der exportierten Kleidungsstücke von nur 10 Cent gleich.

Gilbet Houngbo, Vertreter der ILO, begrüßte den Reformwillen auf politischer Ebene in Bangladesch, kritisierte aber die vergleichsweise großen Hürden bei der Etablierung von Gewerkschaften. So müssen weiterhin 30 % der ArbeiterInnen einer Firma zustimmen, um überhaupt eine Gewerkschaft organisieren zu können.

Mitglieder des Europäischen Parlaments äußerten große Bedenken an der tatsächlichen Umsetzung angedachter Reformen und verwiesen auf die Notwendigkeit einer Bekämpfung korrupter FabriksinspektorInnen. Einhellig wurde die sofortige finanzielle Entschädigung der Unglücksopfer gefordert bzw. die gezielte Unterstützung jener ArbeiterInnen, welche bei den Katastrophen schwere Verletzungen erlitten und daher nicht mehr ihre bisherigen Berufe ausüben können.

Vonseiten der Vertreter der Foreign Trade Association (FTA) ist mehrmals darauf hingewiesen worden, dass die großen europäischen Einzelhändler in Bangladesch mittels eines internen Monitoring-Programms umfassend überwacht werden. Zudem obliege ihnen in der Regel nicht direkt die Leitung der Fabriken selbst, welche an lokale Betreiber ausgelagert werden. Die Verantwortung für die Unglücke aus jüngster Zeit könnten also nicht ihnen direkt übertragen werden.

Abseits der Schuldfrage und der Effektivität einer Selbstregulierung muss dem aber entgegengehalten werden, dass die großen Einzelhändler wenig Bereitschaft zeigen, tiefgreifende Änderungen der Sicherheits-, Gesundheits- und allgemeinen Arbeitsbedingungen der TextilarbeiterInnen u.a. in Bangladesch vorzunehmen. So sollte beispielsweise Anfang September ein Treffen der 29 größten europäischen Einzelhändler im Bereich der Bekleidungsindustrie abgehalten werden. Nur 9 von ihnen nahmen daran teil, um die Entschädigung der Opfer der diesjährigen Fabrikseinstürze in Rana Plaza und Tazreen zu debattieren. Schlussendlich haben sie es aber abgelehnt, Entschädigungszahlungen zu tätigen.

Ausblick

Der politische Wille notwendige Veränderungen zum Schutz der ArbeitnehmerInnen der Textilindustrie in Bangladesch einzuführen wird stets von allen Stakeholdern gebetsmühlenartig wiederholt. Die konkrete Schaffung von verbindliche Regeln für Unternehmen zur Einführung bestimmter Standards wird aber bis heute schmerzlich vermisst, ebenso wie die tatsächliche Verabschiedung umfassender Reformen vonseiten der bangladeschischen Politik. Auch die Europäische Union könnte angesichts des enorm großen Handelsvolumens mit Bangladesch (rund 9 Milliarden Euro) stärkeren politischen Druck ausüben. Der Kampf der TextilarbeiterInnen in Bangladesch für mehr Rechte, höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen steht erst am Anfang. Ebenso ungelöst bleibt die Frage der Entschädigungen der Opfer von Rana Plaza und Tazreen. Die europäische Textilindustrie verweigert ihre finanzielle Verantwortung.