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Nach Schätzungen der Europäischen Kommission entgehen den EU-Mitgliedstaaten jedes Jahr rund 1.000 Mrd. € durch Steuerhinterziehung und –vermeidung. Die Kommission hat daher Ende letzten Jahres ein Maßnahmenpaket vorgestellt, das diese Steuerausfälle reduzieren soll. Im Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europäischen Parlaments wurde nun ein Berichtsentwurf zum Kommissionspaket vorgestellt, der den Kurs der Kommission unterstützt, aber noch weitergehende Aktionen fordert.
Die für den Bericht federführend zuständige EU-Abgeordnete Kleva Kekus von den SozialdemokratInnen beziffert den Verlust beim Steueraufkommen mit rund 2.000 Euro pro EU-Bürger. Nationale Maßnahmen gegen den Steuerbetrug reichen laut ihren Aussagen nicht aus. Eine europäische Steuerstrategie sei absolut notwendig, wobei die Kommission dazu jedoch weitere Legislativvorschläge unterbreiten müsse. Darüber hinaus sei es unumgänglich auf internationaler Ebene tätig zu werden – die Europäische Union müsse auch Verhandlungen mit Drittstaaten aufnehmen. Heftige Kritik übte sie an jenen Unternehmen, die sich im Zuge aggressiver Steuerplanung ihren steuerlichen Pflichten entziehen. Banken solle die Lizenz entzogen werden, sollten sie direkt oder indirekt zum Steuerbetrug ihrer KundInnen beitragen. Dieser müsse auch strafrechtlich verfolgt werden. Bei den Steueroasen verlangt Kleva Kekus für die Europäische Union nach dem Vorbild der OECD eine schwarze Liste für Länder, die die Steuerflucht unterstützen. Kritik übte sie am Rat, denn dort würden EU-MinisterInnen Vorschläge gegen Steuerflucht blockieren.

Die EU-Mandatarin Sirpa Pietikäinen von der Europäischen Volkspartei fordert bei der Bekämpfung von Steuerhinterziehung ebenfalls eine aktivere Rolle der EU auf internationaler Ebene. Auch sie fordert strafrechtliche Maßnahmen im Falle von Steuerbetrug. Wesentliche Schritte seien unter anderem eine gemeinsam konsolidierte Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer-, obligatorische Zusammenarbeit bei Steuerbehörden, eine europäische Steuernummer, Änderungen bei den Regeln über die Lizenzen oder Anpassungen bei der Mutter-Tocher-Richtlinie. Es sollte darüber hinaus für Steueroasen keine Doppelbesteuerungsabkommen geben.

Eine ganz eigene Meinung zum Thema Steuerhinterziehung hat der liberale griechische EU-Abgeordnete Skylakakis: Steuerflucht gefährde vor allem die Volkswirtschaften der Peripherie. Steuerlücken sei zu schließen, wobei die so gewonnenen zusätzlichen Einnahmen jedoch für Steuersenkungen genutzt werden sollten.Sonst würde mit neuen Ausgaben nur ein sozialistischer Staat geschaffen werden. Durch niedrigere Steuern sollen InvestorInnen angelockt werden.

Der grüne EU-Abgeordnete Eickhout kritisierte, dass beim Thema Steueroasen leider nie konkrete Maßnahmen gesetzt werden. Die Europäische Union müsse hier zusammenarbeiten um erfolgreich zu sein. Der linke EU-Mandatar Thomas Händel hält die Mitteilung der Kommission für zögerlich, denn es soll neuerlich evaluiert, besprochen und verschoben werden. Doppelbesteuerungsabkommen von Ländern sollen gekündigt werden, wenn sie sich nicht an Standards in Sachen Steuerehrlichkeit halten. Steuerdumping und Steuerwettlauf zulasten der Gesellschaften müssten, so Händel, unterbunden werden.

Mit der Verabschiedung des Parlamentsberichts ist im Mai oder Juni zu rechnen. Nachdem das Europäische Parlament bei der Steuerpolitik jedoch kein Mitentscheidungsrecht hat, richtet sich die Aufmerksamkeit vor allem auf die Verhandlungen im Rat. Die Diskussionen zwischen den EU-Finanzministerien dürften jedoch alles andere als einfach verlaufen, den die Steuerpolitik ist eine der wenigen Bereiche, bei der nach wie vor das Einstimmigkeitsprinzip gilt: Wenn sich nur ein Land gegen neue Steuermaßnahmen ausspricht, fällt der Vorschlag der Kommission.