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Stehen die Interessen einiger weniger Großkonzerne vor den Bedürfnissen der Gesellschaft? Diese Frage muss man sich auf Ebene der EU-Institutionen in letzter Zeit öfter stellen. Gestern war es mit der Abstimmung des Binnenmarktausschusses im Europäischen Parlament über die Dienstleistungskonzessions-Richtlinie wieder einmal soweit: Hinter dem eher technisch klingenden Titel versteckt sich ein neuer Vorstoß der Europäischen Kommission, die öffentliche Versorgung mit Wasser, Gesundheitsdiensten und anderen wesentlichen öffentlichen Dienstleistungen deutlich zu erschweren. In letzter Konsequenz könnten die neuen Regelungen in manchen Kommunen die Privatisierung grundlegender öffentlicher Dienstleistungen zur Folge haben. Die EU-Abgeordneten stimmten dennoch mit großer Mehrheit für den Richtlinienvorschlag.
Bereits zu Beginn der Diskussionen um die Dienstleistungskonzessions-Richtlinie warnten vor allem deutsche und österreichische VertreterInnen von Kommunen und Städten sowie ArbeitnehmerInnenvertretungen vor den Konsequenzen im Bereich der öffentlichen Dienstleistungen wie Wasser, Abfall, Energie oder Gesundheitsversorgung. Die Europäische Kommission schnürt mit diesem Vorschlag ein enges Korsett für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen. Werden die in der Richtlinie beschriebenen Bedingungen von den Kommunen nicht erfüllt, muss die Dienstleistung ausgeschrieben werden – und damit wird internationalen Konzernen Tür und Tor geöffnet. Bekommen die Konzerne bei der Ausschreibung den Zuschlag, besteht die Gefahr, dass bei der Erbringung der Dienstleistung nicht mehr die Versorgung die Toppriorität darstellt, sondern der mit der Dienstleistung zu erzielende Gewinn. Kritik gibt es auch bezüglich der hohen Komplexität des Richtlinienvorschlags, die vor allem kleineren Kommunen mangels eigener großer Rechtsabteilungen das Leben schwer macht.

Der zuständige konservative Kommissar Michel Barnier, der für den Richtlinienvorschlag zu den Dienstleistungskonzessionen verantwortlich zeichnet, bestreitet aber nach wie vor, dass der Rechtsvorschlag negative Auswirkungen auf die öffentliche Hand hätte.

Vor allem deutsche und österreichische EU-MandatarInnen stellten sich – durchaus fraktionsübergreifend – gegen den Richtlinienvorschlag. In beiden Ländern wird seit vielen Jahrzehnten der Grundsatz der öffentlichen Ver- und Entsorgung von Wasser, Gesundheitsleistungen, Abfallwesen oder anderer öffentlicher Dienstleistungen mit großem Erfolg und zum Vorteil der Bevölkerung gelebt.

Entsprechend sah auch das gestrige Abstimmungsergebnis aus: Vor allem deutsche und österreichische EU-Abgeordnete stimmten gegen den Richtlinienvorschlag, Grüne und Linke schlossen sich ihnen an. Trotzdem stimmten schließlich 28 EU-MandatarInnen für und 10 Abgeordnete gegen den Bericht zu den Dienstleistungskonzessionen des zuständigen französischen EU-Abgeordneten Philippe Juvin von der Europäischen Volkspartei.

Bei der Abstimmung im Plenum des Europäischen Parlaments voraussichtlich im März mit allen 754 EU-Abgeordneten besteht noch eine kleine Hoffnung, die Richtlinie zu verhindern beziehungsweise zumindest grundlegende öffentliche Dienstleistungen wie Wasser, Abfall oder die Gesundheitsversorgung von der Richtlinie auszunehmen. Dazu müssten sich jedoch noch einige weitere Länder dem Protest Deutschlands und Österreichs anschließen.