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Diese Woche wurde EU-Verkehrskommissar Siim Kallas neuerlich von den Abgeordneten des Europäischen Parlaments zu einer Diskussion über Gigaliner – überdimensionierte LKWs mit einem Gewicht von bis zu 60 Tonnen und einer Länge von 25 Metern – geladen. Und auch bei dieser Debatte hagelte es wieder Kritik an Kommissar Kallas. Jahrelang habe er den grenzüberschreitenden Einsatz dieser Megatrucks für illegal erklärt, nach einem Besuch bei der Frächterlobbyorganisation IRU habe sich seine Meinung plötzlich geändert und findet es nun in Ordnung, so der Vorwurf.
Die EU-Abgeordneten erinnerten EU-Verkehrskommissar Kallas neuerlich daran, dass die bestehende Richtlinie den grenzüberschreitenden Einsatz der Gigaliner nicht vorsehe. Das habe Kallas im Jahr 2010 selbst bestätigt, so der Grüne EU-Abgeordnete Cramer. Nach einem Besuch bei der IRU habe sich diese Meinung nun geändert und interpretiert die rechtliche Lage plötzlich ganz anders. Damit sei der Hüter der Gesetze nun in der Rolle des Gesetzesbrechers.

Eine Reihe von EU-Abgeordneten stellte klar, was sie von einem derartigen Vorgehen des Kommissars hält: Nämlich nichts. Die Infrastruktur werde dadurch überbeansprucht, die Verkehrssicherheit gefährdet und die Schiene habe mit dieser Politik keine Chance.

Siim Kallas verteidigte sich damit, dass nun bald ein neuer Richtlinienvorschlag veröffentlicht werde, der die Energieeffizienz der LKWs verbessern soll, bei den Fahrerkabinen für mehr Aerodynamik sorge, bessere Antriebssysteme ermögliche und den intermodalen Verkehr erleichtere.

Der Sozialdemokratische EU-Abgeordnete Ismail Ertug wies den Kommissar auf eine Antwort der Kommission hin, die er auf eine schriftliche Frage gerade erst erhalten habe: Kallas meint darin, dass er bei seiner neuen Interpretation der Richtlinie bleibe. Und in der geplanten Revision der Richtlinie sei der grenzüberschreitende Verkehr überhaupt nicht berücksichtigt. Schon heute würden Gigaliner zwischen Deutschland und Dänemark verkehren, Ertug forderte Kallas auf zu sagen, was er in diesem Fall zu tun gedenke.

Einzige Ausnahme bei den EU-Abgeordneten war die liberale Mandatarin Gesine Meissner: Sie äußerte zwar aufgrund der widersprüchlichen Aussagen der Kommission Bedenken, hält den grenzüberschreitenden Gigaliner-Verkehr aber für eine gute Sache. In ihrem Bundesland – Niedersachsen – hätten sie mit Gigalinern positive Erfahrungen gemacht.

Ganz anders der konservative EU-Abgeordnete George Bach und der Sozialdemokrat Brian Simpson: Gigaliner haben negative Auswirkungen, beispielsweise bei der Verkehrssicherheit, für die Umwelt, die Infrastruktur und den Schienenverkehr. Bach und Simpson erwarten von Kallas, dass der neue Vorschlag Rechtsklarheit bezüglich der grenzüberschreitenden Verwendung der Gigaliner bringen muss.

Die Antwort von Kallas auf die Kritik der EU-MandatarInnen fiel enttäuschend aus. Man hätte in der Sache sicher anders vorgehen können, das sei ein Fehler der Kommission gewesen, so der Kommissar. Es solle jedoch den Mitgliedstaaten überlassen sein, ob Gigaliner grenzüberschreitend zugelassen werden – gerade das ist jedoch die Befürchtung der Gigaliner-GegnerInnen: lassen erst einmal einige Länder den grenzüberschreitenden Einsatz der überlangen LKW zu, steigt der Druck auf die Staaten, die dies nicht wollen. Am Ende seines Statements meinte Kallas lapidar, dass kein Verfahren gegen Mitgliedsstaaten eingeleitet worden sei, die bereits jetzt Gigaliner grenzüberschreitend zulassen.

Der neue Richtlinienvorschlag wird für Februar/März 2013 erwartet. Nach den Äußerungen von Siim Kallas ist zu befürchten, dass in dem Vorschlag erneut nur die Interessen der Wirtschaft berücksichtigt werden.