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Der Generalstreik in Spanien und Portugal und die zahlreichen Solidaritätsstreiks und Demos letzten Mittwoch haben gezeigt, dass es den Menschen in Europa reicht. Die blinde Sparpolitik auf dem Rücken der ArbeitnehmerInnen hat dramatische Konsequenzen für das Leben vieler. In Griechenland wurde eine Woche zuvor ein umfassendes Sparpaket verabschiedet, das massive Eingriffe in das Sozialsystem bedeutet. In Brüssel stellten sich der griechische Finanzminister, Giannis Stournaras, und der Arbeitsminister, Giannis Vroutsis, den Fragen der EU-ParlamentarierInnen.
„Austerity kills dignity- Reclaim Europe“

Mit diesem und ähnlichen Slogans marschierten Mittwoch zigtausende Menschen auf Europas Straßen. In Spanien und Portugal riefen die Gewerkschaften zu einem 24-stündigen Generalstreik auf und marschierten durch die Städte. Lissabons U-Bahn ist stillgestanden, Flüge mussten abgesagt werden, und nur wenige Züge fuhren. In den Krankenhäusern wurden nur Notfälle aufgenommen und die meisten Schulen blieben in Spanien und Portugal geschlossen. In der Energie-, Automobil-, Schiffs- und Bauindustrie beteiligten sich fast hundert Prozent der Beschäftigten. Italiens größte Gewerkschaft rief zu mehrstündigen Arbeitsniederlegungen auf und in Griechenland hielt der öffentliche Dienst Solidaritätsstreiks ab. Auch in Belgien und Frankreich verweigerten ArbeitnehmerInnen mehrere Stunden lang die Arbeit und bekundeten ihre Unzufriedenheit mit der europäischen Austeritätspolitik.

Noch ein griechisches Sparprogramm


Um nochmals eine Hilfstranche zu erhalten, hat die griechische Regierung vergangene Woche abermals ein umfassendes Sparprogramm verabschiedet. Gegen erheblichen Widerstand der Opposition wurden drastische Kürzungen beschlossen. Ab sofort können ArbeitgeberInnen mit ArbeitnehmerInnen direkt Verträge abschließen und somit Tarifverhandlungen umgehen. Außerdem wurden die Abfindungen für bereits entlassene ArbeitnehmerInnen deutlich heruntergeschraubt. Die Löhne der Staatsbediensteten wurden um zwanzig Prozent gestrichen und das Weihnachts- und Urlaubsgeld abgeschafft. In öffentlich-rechtlichen Betrieben sollen die Gehälter denen der Staatsbediensteten angepasst werden, laut Gewerkschaften wird das zu 30 Prozent Lohnverlust führen. Auch das Gesundheitswesen muss herhalten: Zahlreiche Krankenhäuser müssen zusperren oder zusammengelegt werden. Außerdem wurden die Eigenbeiträge bei Medikamenten drastisch erhöht. Bei den Renten ist das Sparprogramm am deutlichsten spürbar. Es sollen 4,8 Milliarden Euro insgesamt im Pensionssystem gespart werden, außerdem wurde das Rentenantrittsalter wurde von 65 auf 67 Jahre erhöht. Auch hier wurde das Weihnachtsgeld gestrichen und die Renten von mehr als 1000 Euro wurden um fünf bis fünfzehn Prozent gekürzt. JedeR RentnerIn verliert somit 2000 Euro im Jahr, so die griechischen Gewerkschaften. Die Bevölkerung reagierte mit Massenprotesten und Aufmärschen auf die neuesten Maßnahmen der Regierung.

Erfreuter reagierte die TROIKA, bestehend aus der Europäischen Kommission, des Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank. Ihr lange erwarteter Bericht über den Fortschritt des Reformprogramms in Griechenland fiel überwiegend positiv aus. Eurogruppenchef, Jean-Claude Junker und IWF-Chefin, Christine Lagarde lobten die Sparbemühungen der GriechInnen. Ein positiver Bericht der TROIKA ist eine Voraussetzung für die Auszahlung weiterer Hilfsgelder an Griechenland.

Rede und Antwort vor dem Europäischen Parlament

Die europäische Sparpolitik, das griechische Reformprogramm und die soziale Lage vieler EuropäerInnen war im Europäischen Parlament Thema. Bei der Aussprache des griechischen Finanzministers und des Arbeitsministers im Europäischen Parlament betonten beide die Leistungen, die bislang von Griechenland erbracht worden sind. Keine andere Demokratie habe in Friedenszeiten so viel erreicht, die Wettbewerbsfähigkeit sei enorm gestiegen, so der Finanzminister Giannis Stournas. Giannes Vroutsis, der griechische Minister für Arbeit, soziale Sicherheit und Wohlstand, betonte, dass sein Land alles tue, um den Auflagen der TROIKA gerecht zu werden. Zwar waren die Arbeitsmarktreformen und soziale Reformen für die Bevölkerung hart, die griechische Regierung sei aber bei der Umsetzung der „Reformen“ sehr sensibel vorgegangen. Das Sozialsystem hätte erhebliche Mängel aufgewiesen, die jetzt aufgehoben worden seien. Auch bei den Pensionen hätte es untragbare Lücken im System gegeben, die es PensionistInnen erlaubt hätten, mehrfach Beträge zu beziehen, die ihnen nicht zustanden. Beide Minister appellierten an die europäischen EntscheidungsträgerInnen, ihre Zustimmung zu einer weiteren Auszahlung von Hilfsgeldern zu geben. Beide griechischen Minister betonten die Notwendigkeit, wieder Vertrauen und Glaubwürdigkeit in ihr Land herzustellen, um InvestorInnen anzuziehen. Als weiteres gravierendes Problem bezeichnete Giannis Stournas die illegale Einwanderung nach Griechenland. Es sei die „offene Wunde der Wirtschaft Griechenlands“ und müsse bekämpft werden, so der Arbeits- und Sozialminister Griechenlands.

Kritisch äußerten sich die EuropaparlamentariarInnen des Beschäftigungs- und Sozialausschusses. Die prekäre soziale Lage in Griechenland war bei vielen Wortmeldungen das Thema. Der spanische Sozialdemokrat Alejandro Cercas pochte auf die Einhaltung der Sozialcharta, die ein Fundament der Europäischen Union sei. Außerdem wurde die hohe Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen angesprochen, die über 50% beträgt. Angeprangert wurden obendrein die hohen Militärausgaben Griechenlands. Mehrere Abgeordnete äußerten sich erstaunt, weshalb nicht in diesem Bereich gekürzt würde. Der koordinierte Streik in mehreren Ländern des europäischen Südens führte Europa vor Augen, wo seine offene Wunde liegt: bei der Arbeitslosigkeit, den Menschen die in Altersarmut leben und denjenigen ArbeitnehmerInnen, deren Sozialleistungen und Gehälter dramatisch gekürzt wurden. Der Grüne EU-Abgeordnete Jean-Paul Bessert sprach aus, was sich viele dachten: „ Glauben Sie nicht, dass es Zeit ist endlich umzusteuern?“