Nachrichten
ZurückSie zählen zu den Hohepriestern des Kasinokapitalismus. Wenn sie den Daumen heben oder senken, folgen die InvestorInnen meist wie Lemminge, selbst wenn es in den Abgrund geht. Lang ist die Liste ihrer Verfehlungen und ihres Versagens, mit schweren Folgen für SteuerzahlerInnen und ArbeitnehmerInnen, aber ohne Konsequenzen für sie selbst. Denn sie verstecken sich hinter ihrer eigenen Interpretation der Meinungsfreiheit. Die Ratingagenturen.
Wenn Unternehmen oder Staaten Kapital brauchen, müssen sie sich einer Benotung durch Ratingagenturen unterziehen. Das macht das Leben für InvestorInnen im heutigen Finanzkapitalismus deutlich einfacher, da sie nicht mehr selbst überlegen müssen, ob eine Investition gut oder schlecht ist. Der einfache Stempel einer Ratingagentur genügt, um die Herde der InvestorInnen und SpekulantInnen zum Kauf oder Verkauf eines Papiers zu veranlassen.
Und obwohl sie zu den Apologeten des freien Marktes zählen, halten sie selbst nicht allzu viel von Wettbewerb. Rund 95% des weltweiten Geschäfts mit der Benotung von Unternehmen und Staaten wird von drei Mega-Ratingagenturen (Standard & Poor’s; Moody’s und Fitch) dominiert, deren EigentümerInnen (oft große FinanzinvestorInnen und Medienkonzerne) noch dazu in vielen Fällen miteinander verschachtelt sind.
Dazu kommt, dass sich Ratingagenturen nicht gerne in die Karten schauen lassen. Wie sie zu ihren Benotungen kommen, bleibt größtenteils ihr streng gehütetes Geheimnis und kann daher auch von der Öffentlichkeit nicht nachvollzogen werden. Ein weiteres Problem: Die „Schüler“ (Unternehmen und Staaten) bezahlen die „Lehrer“ (Ratingagenturen) für die Noten, die sie bekommen. Interessenskonflikte sind also vorprogrammiert.
All diese strukturellen Probleme haben in der Vergangenheit immer wieder zu schwerem Versagen der Ratingagenturen geführt. So geben viele ExpertInnen ihnen eine massive Mitschuld am Ausbruch der Finanzkrise, hatten doch nahezu alle Ramsch-Hypothekenpapiere, die sich nach Ausbruch der Krise als wertlos herausstellten, von ihnen Bestnoten bekommen. Eine besonders fragwürdige Rolle spielen die Agenturen auch bei der Benotung von Staaten. Nachdem sie über lange Jahre beispielsweise bei den Ländern der Eurozone nur Positives erkennen konnten, sind sie heute ins Lager der Ultra-Pessimisten gewechselt und drohen einem Euro-Land nach dem anderen mit einer Herabstufung seiner Kreditwürdigkeit. Mit katastrophalen Folgen für die Politik und die Bevölkerung. Herabstufungen durch die Ratingagenturen treiben sofort die Zinsen für die Staatspapiere der betroffenen Länder in die Höhe und verteuern massiv die Schuldenaufnahme an den Kapitalmärkten. Bis zu dem Punkt, wo die Zinsen so hoch sind, dass Länder wie Griechenland oder Portugal es sich nicht mehr leisten können, die Zinsen zu zahlen, und so effektiv von den Kapitalmärkten abgeschnitten sind. Dann gibt es zwei Möglichkeiten: Das Land macht bankrott, oder die anderen Euro-Partner müssen aushelfen.
In ihrer Finanzmarkteuphorie haben die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten über lange Jahre dem Treiben der Ratingagenturen tatenlos zugesehen. Erst nach Ausbruch der Finanzkrise kamen die ersten zaghaften Regulierungsversuche der Kommission, zuerst eine Registrierungspflicht für Ratingagenturen, und dann ihre Unterstellung unter europäische Aufsicht. Die weiterhin bestehenden strukturellen Probleme, die den Politikern und der Bevölkerung im Zuge der Euro-Turbulenzen der vergangenen Monate deutlich vor Augen geführt wurden, sind bis heute ungelöst.
Unter politischem Druck hat deshalb diese Woche in Brüssel die Europäische Kommission einen Vorschlag zur Regulierung der Ratingagenturen angekündigt, der ihre überproportionale Macht brechen soll. Bedauerlicherweise hat sich die Kommission jedoch wieder in internen Streitereien verheddert. Der zuständige französische Kommissar Michel Barnier konnte sich in zwei medial viel beachteten Punkten bei seinen Kommissars-KollegInnen nicht durchsetzen und musste klein beigeben.
Der erste Punkt betrifft das von Barnier ursprünglich geplante Verbot für Ratingagenturen, die mehr als 20% Marktanteil haben (also effektiv die drei Großen), während einer Zeit von 10 Jahren kleinere Mitbewerber aufzukaufen und zu schlucken. Das Verbot hätte verhindern sollen, dass die Giganten noch größer und mächtiger werden. Barnier konnte sich nicht durchsetzen.
Beim zweiten Punkt geht es um das von Barnier beabsichtigte zeitweise Verbot für Ratingagenturen, Länder in finanziellen Schwierigkeiten zu bewerten und damit die Abwärtsspirale noch stärker anzuheizen. Auch dieses Vorhaben hat im Kolleg der KommissarInnen keine Mehrheit gefunden.
Dennoch enthält der Kommissionsvorschlag, der jetzt noch vom Europäischen Parlament und den Mitgliedstaaten beraten werden muss, eine Reihe von sinnvollen Vorschriften. So soll der offizielle Bezug auf Ratings von Agenturen, der in einer ganzen Fülle von Gesetzen und technischen Standards enthalten ist, systematisch durchforstet und abgeschwächt werden. Banken und andere InvestorInnen sollen sich in Zukunft nicht mehr sklavisch an Ratings der Agenturen halten und sich auf sie ausreden können, sondern sollen selbst das Risiko einer Geldanlage beurteilen, was ja auch ihr ureigenes Kerngeschäft ist.
Auch müssen Unternehmen in Zukunft öfter die Ratingagentur wechseln (Rotation), damit keine zu große Vertrautheit zwischen Lehrer und Schüler entsteht. Und: Die Agenturen müssen die Art und Weise, wie sie zu einer Note kommen, offenlegen. Bisher begnügen sie sich oft mit wenig nachvollziehbaren und ominösen Begründungen, in die in vielen Fällen auch politische Urteile einfließen, die den im demokratiepolitischen Vakuum agierenden Ratingagenturen überhaupt nicht zustehen. Auch schlägt die Kommission vor, dass Ratingagenturen in Zukunft zivilrechtlich haftbar sein sollen. Bisher berufen sich die Agenturen ja bekanntlich auf die Meinungsfreiheit und geben mit einem einfachen Absatz auf ihrer Homepage, dass es sich bei ihren Noten nur um unverbindliche Meinungsäußerungen handelt, jegliche Verantwortung an der Garderobe ab. Alle Pleiten und Pannen, so wie zuletzt bei der irrtümlichen Herabstufung Frankreichs, bleiben so für die Hohepriester der Finanzkapitals folgenlos, während die ArbeitnehmerInnen die Folgen des Spardiktats der Finanzmärkte tragen müssen.
Link zu den Vorschlägen der Kommission zur Regulierung von Ratingagenturen (derzeit nur auf Englisch): http://ec.europa.eu/internal_market/securities/agencies/index_de.htm
Und obwohl sie zu den Apologeten des freien Marktes zählen, halten sie selbst nicht allzu viel von Wettbewerb. Rund 95% des weltweiten Geschäfts mit der Benotung von Unternehmen und Staaten wird von drei Mega-Ratingagenturen (Standard & Poor’s; Moody’s und Fitch) dominiert, deren EigentümerInnen (oft große FinanzinvestorInnen und Medienkonzerne) noch dazu in vielen Fällen miteinander verschachtelt sind.
Dazu kommt, dass sich Ratingagenturen nicht gerne in die Karten schauen lassen. Wie sie zu ihren Benotungen kommen, bleibt größtenteils ihr streng gehütetes Geheimnis und kann daher auch von der Öffentlichkeit nicht nachvollzogen werden. Ein weiteres Problem: Die „Schüler“ (Unternehmen und Staaten) bezahlen die „Lehrer“ (Ratingagenturen) für die Noten, die sie bekommen. Interessenskonflikte sind also vorprogrammiert.
All diese strukturellen Probleme haben in der Vergangenheit immer wieder zu schwerem Versagen der Ratingagenturen geführt. So geben viele ExpertInnen ihnen eine massive Mitschuld am Ausbruch der Finanzkrise, hatten doch nahezu alle Ramsch-Hypothekenpapiere, die sich nach Ausbruch der Krise als wertlos herausstellten, von ihnen Bestnoten bekommen. Eine besonders fragwürdige Rolle spielen die Agenturen auch bei der Benotung von Staaten. Nachdem sie über lange Jahre beispielsweise bei den Ländern der Eurozone nur Positives erkennen konnten, sind sie heute ins Lager der Ultra-Pessimisten gewechselt und drohen einem Euro-Land nach dem anderen mit einer Herabstufung seiner Kreditwürdigkeit. Mit katastrophalen Folgen für die Politik und die Bevölkerung. Herabstufungen durch die Ratingagenturen treiben sofort die Zinsen für die Staatspapiere der betroffenen Länder in die Höhe und verteuern massiv die Schuldenaufnahme an den Kapitalmärkten. Bis zu dem Punkt, wo die Zinsen so hoch sind, dass Länder wie Griechenland oder Portugal es sich nicht mehr leisten können, die Zinsen zu zahlen, und so effektiv von den Kapitalmärkten abgeschnitten sind. Dann gibt es zwei Möglichkeiten: Das Land macht bankrott, oder die anderen Euro-Partner müssen aushelfen.
In ihrer Finanzmarkteuphorie haben die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten über lange Jahre dem Treiben der Ratingagenturen tatenlos zugesehen. Erst nach Ausbruch der Finanzkrise kamen die ersten zaghaften Regulierungsversuche der Kommission, zuerst eine Registrierungspflicht für Ratingagenturen, und dann ihre Unterstellung unter europäische Aufsicht. Die weiterhin bestehenden strukturellen Probleme, die den Politikern und der Bevölkerung im Zuge der Euro-Turbulenzen der vergangenen Monate deutlich vor Augen geführt wurden, sind bis heute ungelöst.
Unter politischem Druck hat deshalb diese Woche in Brüssel die Europäische Kommission einen Vorschlag zur Regulierung der Ratingagenturen angekündigt, der ihre überproportionale Macht brechen soll. Bedauerlicherweise hat sich die Kommission jedoch wieder in internen Streitereien verheddert. Der zuständige französische Kommissar Michel Barnier konnte sich in zwei medial viel beachteten Punkten bei seinen Kommissars-KollegInnen nicht durchsetzen und musste klein beigeben.
Der erste Punkt betrifft das von Barnier ursprünglich geplante Verbot für Ratingagenturen, die mehr als 20% Marktanteil haben (also effektiv die drei Großen), während einer Zeit von 10 Jahren kleinere Mitbewerber aufzukaufen und zu schlucken. Das Verbot hätte verhindern sollen, dass die Giganten noch größer und mächtiger werden. Barnier konnte sich nicht durchsetzen.
Beim zweiten Punkt geht es um das von Barnier beabsichtigte zeitweise Verbot für Ratingagenturen, Länder in finanziellen Schwierigkeiten zu bewerten und damit die Abwärtsspirale noch stärker anzuheizen. Auch dieses Vorhaben hat im Kolleg der KommissarInnen keine Mehrheit gefunden.
Dennoch enthält der Kommissionsvorschlag, der jetzt noch vom Europäischen Parlament und den Mitgliedstaaten beraten werden muss, eine Reihe von sinnvollen Vorschriften. So soll der offizielle Bezug auf Ratings von Agenturen, der in einer ganzen Fülle von Gesetzen und technischen Standards enthalten ist, systematisch durchforstet und abgeschwächt werden. Banken und andere InvestorInnen sollen sich in Zukunft nicht mehr sklavisch an Ratings der Agenturen halten und sich auf sie ausreden können, sondern sollen selbst das Risiko einer Geldanlage beurteilen, was ja auch ihr ureigenes Kerngeschäft ist.
Auch müssen Unternehmen in Zukunft öfter die Ratingagentur wechseln (Rotation), damit keine zu große Vertrautheit zwischen Lehrer und Schüler entsteht. Und: Die Agenturen müssen die Art und Weise, wie sie zu einer Note kommen, offenlegen. Bisher begnügen sie sich oft mit wenig nachvollziehbaren und ominösen Begründungen, in die in vielen Fällen auch politische Urteile einfließen, die den im demokratiepolitischen Vakuum agierenden Ratingagenturen überhaupt nicht zustehen. Auch schlägt die Kommission vor, dass Ratingagenturen in Zukunft zivilrechtlich haftbar sein sollen. Bisher berufen sich die Agenturen ja bekanntlich auf die Meinungsfreiheit und geben mit einem einfachen Absatz auf ihrer Homepage, dass es sich bei ihren Noten nur um unverbindliche Meinungsäußerungen handelt, jegliche Verantwortung an der Garderobe ab. Alle Pleiten und Pannen, so wie zuletzt bei der irrtümlichen Herabstufung Frankreichs, bleiben so für die Hohepriester der Finanzkapitals folgenlos, während die ArbeitnehmerInnen die Folgen des Spardiktats der Finanzmärkte tragen müssen.
Link zu den Vorschlägen der Kommission zur Regulierung von Ratingagenturen (derzeit nur auf Englisch): http://ec.europa.eu/internal_market/securities/agencies/index_de.htm