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Diese Woche kam es bei der Plenartagung des Europäischen Parlaments in Straßburg zu einem vielbeachteten Showdown. Die EU-Abgeordneten stimmten darüber ab, ob die EU eine Vorreiterrolle bei der Einführung der Finanztransaktionssteuer (FTS) spielen soll. Hintergrund ist der anhaltende Widerstand wichtiger internationaler WirtschaftspartnerInnen der EU und der Europäischen Kommission, eine solche Steuer auf Spekulationen einzuführen. Dieser diente den GegnerInnen der FTS wiederum als willkommene Ausrede, um das Projekt auf die lange Bank zu schieben. Die massive Mobilisierung von AK und ÖGB zusammen mit nationalen und internationalen PartnerInnen hat mitgeholfen, eine knappe Abstimmung zum Guten zu wenden.
360 Ja-Stimmen zu 299 Nein-Stimmen. So lautete das knappe Ergebnis der Abstimmung über die entscheidende Passage im Bericht der griechischen EU-Abgeordneten Anni Podimata (S&D) über „Innovative Finanzierung auf globaler und europäischer Ebene“. Der heiß umstrittene Halbsatz, der von den ParlamentarierInnen parteiübergreifend erfolgreich durchgesetzt wurde, besagt, dass die EU bei der Einführung der Finanztransaktionssteuer voranschreiten soll, auch wenn keine internationale Einigung in Sicht ist.

Zuvor wurde von den GegnerInnen der Finanztransaktionssteuer seit Jahren das Scheinargument benutzt, dass die FTS nur global eingeführt werden könne, da die Finanzwirtschaft der EU ansonsten an internationaler „Wettbewerbsfähigkeit“ einbüßen würde. Im Falle der Einführung der FTS durch die EU alleine würden die Geschäfte einfach in andere Weltregionen abwandern, so die Behauptung. Belege für diese Behauptung gibt es bis heute keine; Jedoch Beispiele dafür, dass selbst die Einführung einer solchen Steuer durch ein einziges Land funktionieren kann, so wie in Großbritannien.

Auf der Ebene der G20 Staaten konnte bis heute keine Einigung auf eine internationale FTS gefunden werden. Zu groß ist der Widerstand vieler der internationalen PartnerInnen der EU. Auf eine internationale Einigung zu warten, hieße also, das Projekt zu begraben. Die Steuer auf Spekulationen ist jedoch gerade für die EU heute wichtiger denn je. Die Kosten der Finanz- und Wirtschaftskrise, die von der Finanzindustrie ausgelöst wurde, belasten die Haushalte der Mitgliedstaaten. Anstatt die Spekulation und den überproportionalen Einfluss der Finanzwelt einzudämmen und die VerursacherInnen der Krise zur Kasse zu bitten, will die Kommission mit Unterstützung einflussreicher Mitgliedsländer jetzt wieder ihre neoliberalen Uraltrezepte auspacken und den Sparstift zu Lasten der arbeitenden Bevölkerung ansetzen. Budgetkürzungen, Eingriffe in die nationale Lohnpolitik, Erhöhung des Pensionsalters, „Flexibilisierung“ der Arbeitsmärkte und Verlagerung der Lohnverhandlungen auf die betriebliche Ebene sollen dafür sorgen, dass „die Finanzmärkte“ wieder Vertrauen in die Politik haben.

Vor diesem Hintergrund muss das Abstimmungsverhalten der Europaabgeordneten für eine europäische Finanztransaktionssteuer als klare und wegweisende politische Botschaft verstanden werden: Gegen die Ohnmacht der Politik gegenüber der Finanzindustrie und für eine mutige europäische Politik, die die Bedeutung Europas als soziale Wirtschaftsmacht nutzt, um auch international als Vorbild zu wirken. Nicht immer warten, bis die anderen etwas beschließen, sondern selbst Entscheidungsfähigkeit beweisen und dann die anderen überzeugen.

Ebenso bedeutend die Botschaft des Parlaments an die Europäische Kommission. Hier zögert und zaudert der litauische Steuerkommissar Semeta seit über einem Jahr, endlich einen Vorschlag der Kommission für die Einführung der FTS vorzulegen. Negativer Höhepunkt war die Reaktion Semetas auf die Abstimmung im Europaparlament. In einer Presseaussendung verlautbarte er, dass er weiterhin gegen eine europäische Finanztransaktionssteuer sei – eine Verhöhnung des Europäischen Parlaments und der europäischen BürgerInnen.

Diese hatten sich zuvor in einer von AK und ÖGB initiierten und von nationalen und europäischen Bündnispartnern unterstützten Online-Aktion europaweit massiv für eine europäische FTS ausgesprochen. Über 500.000 E-Mail Petitionen wurden in einer Woche an die 736 EU-Abgeordneten verschickt und halfen mit, zusammen mit den EU-ParlamentarierInnen einen großen Etappensieg zu erzielen. Auf Ebene der Regierungen setzen sich der österreichische Bundeskanzler Faymann und die deutsche Kanzlerin Merkel für das Projekt ein. Ab jetzt wird sich die gesamte Aufmerksamkeit der europäischen BürgerInnen auf die Kommission richten.

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