Nachrichten
ZurückEuropäischer Gewerkschaftsbund: Die Qualität privat erbrachter Daseinsvorsorgeleistungen hat sich verschlechtert
Der Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes, Josef Niemiec, stellte gleich zu Beginn fest, dass die meisten öffentlichen Dienstleistungen bereits dereguliert worden seien und dieser Prozess nach wie vor weitergehe. Die Produktivität der nun von Privatunternehmen erbrachten Leistungen sei zwar gestiegen, gestiegen seien aber auch die Preise für die KundInnen, während alte Beschäftigungsverhältnisse abgebaut und neue von wesentlich schlechterer Qualität geschaffen worden seien. Niemiec fordert die Kommission daher auf, öffentliche Dienste nicht nur aus der Wirtschaftsperspektive zu betrachten. Auf legislativer Ebene seien horizontale Sozialstandards notwendig.
Daseinsvorsorge unter Kuratel des neoliberalen Wirtschaftsmodells
Harlem Désir von den SozialdemokratInnen stieß in das gleiche Horn: Mit der Liberalisierung öffentlicher Leistungen wurden Effizienzsteigerungen und Preissenkungen versprochen. In der Praxis konnte das aber nicht gehalten werden. Wo es um Grundbedürfnisse von BürgerInnen gehe, müssten eigene Regeln geschaffen werden. Unter anderem müsse die Qualität der Dienstleistung gewährleistet werden.
Marie-Christine Vergiat von der Vereinigten Europäischen Linken kritisierte, dass als Daseinsvorsorge nur mehr der karitative Bereich gesehen werde, weil das den Markt nicht interessiere. Beispielsweise im öffentlichen Verkehr erhöhen sich die Preise ständig, während das Service schlechter werde, so Vergiat. Öffentliche Dienste stünden derzeit unter der Kuratel des neoliberalen Wirtschaftmodells.
Kommission: Auch für öffentliche Dienstleistungen sollen Binnenmarktregeln gelten
Kommissionsvertreter François Arbault meinte, für die Kommission gebe es bezüglich öffentlicher Dienstleistungen keine Ideologie. Die EU hätte nicht die Absicht diese Dienste infrage zu stellen. Der Binnenmarkt solle jedoch zum Teil auch für die Daseinsvorsorge gelten, das sei auch eine Frage der Effizienz. Die Kommission wolle sich bemühen, Regeln zu vereinheitlichen, das Subsidiaritätsprinzip soll weitgehend zur Anwendung kommen. Die Qualität der Dienstleistungen sei auf der Strecke geblieben, daher sollte ein Rahmen für die Qualität der Dienstleistungen geschaffen werden. Eine allgemeine Rahmenrichtlinie lehnt er jedoch ab.
Nutzenberger: Kommunen überlegen, privat erbrachte Daseinsvorsorgeleistungen wieder selbst zu erbringen
Klaus Nutzenberger vom Deutschen Städte- und Gemeindebund bezog sich gleich zu Beginn auf jene öffentlichen Dienstleistungen, für die bereits Binnenmarktregeln eingeführt wurden. Viele Kommunen seien bei Dienstleistungen, die nun von Wirtschaftsunternehmen betrieben werden, auf eine Reihe von Problemen gestoßen. Das Angebot habe sich für die KundInnen in den meisten Fällen leider verschlechtert. Die sozialen Rechte der dort Beschäftigten werden geschwächt. Viele Kommunen überlegen nun, diese Dienstleistungen wieder selbst anzubieten. Die Kommission sei auch noch eine Reihe von Antworten auf drängende Fragen schuldig, wie beispielsweise wer für Schäden aufkommt, wenn sich ein privater Deponiebetreiber zurückzieht oder warum die Kommission nichts gegen die Oligopolsituation unternimmt, die in vielen Bereichen wie bei der Energie, Telekom oder Verkehr entstanden ist.
Europäische Volkspartei denkt über ihre Position noch nach
Regina Bastos von der Europäischen Volkspartei bezog sich über weite Strecken ihrer Ausführungen auf die bisher von der Kommission dazu veröffentlichten Mitteilungen. Die Daseinsvorsorge sei sehr wichtig, die Kommission habe bereits aufgeschlüsselt, welche Dienstleistungen als wirtschaftlich und welche als nicht-wirtschaftlich zu betrachten seien. Auch die Strategie „Europa 2020“ würde den Bereich der öffentlichen Dienstleistungen letztlich stärker machen. Auf die Frage, welche Position die EVP nun einnehme, antwortete Bastos, dass sie die Veröffentlichung der Kommissionsmitteilung Ende Oktober abwarten und dann erst einmal nachdenken würden.
Berichterstatter De Rossa: Öffentliche Dienste in Multi-Taskforce besprechen
Proinsias de Rossa von den SozialdemokratInnen und Berichterstatter zu den sozialen Dienstleistungen kritisierte die Äußerungen des Kommissionsvertreters als widersprüchlich. Zuerst spreche er davon, Ideologie in der Diskussion außen vor zu lassen, um im nächsten Atemzug vom Binnenmarkt als gute Grundlage für Daseinsvorsorgeleistungen zu sprechen. Die KommissarInnen hätten sich klar zu öffentlichen Dienstleistungen bekannt, so de Rossa. Er spricht sich für eine Multi-Taskforce aus, die dieses Thema eingehend besprechen soll. Als Mitglieder dieser Taskforce schlägt er die mehrere Generaldirektionen der Kommission wie die GD Wirtschaft, Unternehmen und Umwelt, die Zivilgesellschaft und die SozialpartnerInnen vor. De Rossa befürchtet, dass die zur Krisenbewältigung notwendigen Sparprogramme öffentliche Dienste schwächen könnten. Der Berichterstatter des Europäischen Parlaments spricht sich deutlich für eine neue Gesetzgebung aus und sieht eine Rahmenrichtlinie als notwendig an.
Belgische Präsidentschaft: In der Diskussion Vertrag von Lissabon beachten
Sozialministerin Onkelinx von der derzeitigen belgischen EU-Präsidentschaft hob in ihrer Rede hervor, dass es um Güter und Werte der Gesellschaft gehe. Daher müssten alle betroffenen Kreise gehört werden. Die derzeitige rechtliche Grundlage sei wackelig. Artikel 9 des Lissaboner Vertrags, der sich auf eine horizontale soziale Klausel bezieht, soll berücksichtigt werden. Ob es am Ende der Diskussion eine Rahmenrichtlinie gebe, wisse sie nicht, notwendig sei aber jedenfalls eine neue rechtliche Grundlage, so Onkelinx abschließend.