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Die Anreise zum informellen Gipfel der Wirtschafts- und Finanzminister der EU in Madrid war nicht die einzige Herausforderung, die die Minister zu bewältigen hatten. Vor dem Hintergrund der Griechenlandkrise sollte darüber beraten werden, wie die wirtschaftspolitische Zusammenarbeit in der Eurozone verbessert werden kann. Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt und unter tatkräftiger Mithilfe der Zentralbanken wurde auch den Banken signalisiert: Ihr habt zwar die Krise verursacht, für ihre Kosten müsst ihr aber dennoch nichts bezahlen.

Bankenlobby steht vor erstem großen Etappensieg

Wenn es nach dem europäischen Fahrplan gegangen wäre, hätten die Wirtschafts- und Finanzminister der Europäischen Union am vergangenen Wochenende eigentlich darüber entscheiden sollen, wie groß der Beitrag der Banken an den Kosten der gegenwärtigen Krise sein soll, die sie weitgehend im Alleingang ausgelöst haben. Schließlich haben die Mitgliedstaaten und die Europäische Zentralbank (EZB) auf Kosten der Steuerzahler bis heute großzügig ihr Füllhorn über den Banken ausgeschüttet. Mit Ende des Jahres 2009 hat die Europäische Kommission unfassbare EUR 3,4 Billionen an Beihilfen für den Finanzsektor genehmigt, und auch die EZB zeigte sich mit mehr als EUR 600 Milliarden mehr als spendabel. Doch trotz Rekordgewinnen und neuerlichem Bonussegen wollen die Banken von einer Wiedergutmachung für den Schaden, den sie angerichtet haben, nichts wissen. Stattdessen haben sie eine Heerschar von gutbezahlten LobbyistInnen auf die Politik angesetzt, um jeden Ansatz von Regulierung im Keim zu ersticken. Mit Erfolg.

Lopatka: Niemand redet mehr von Finanztransaktionssteuer

Zuerst wurde die auch von der österreichischen Bundesregierung geforderte Einführung einer Finanztransaktionssteuer (FTS) zu Grabe getragen. Die FTS, die in erster Linie Hedge Fonds und Investmentbanken getroffen hätte, die mit ihren Spekulationen die Gefahr einer neuerlichen Kernschmelze im Finanzsystem anheizen, wurde am Höhepunkt der Krise von einer Reihe von Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland, Frankreich und Großbritannien, verbal befürwortet. Auch Organisationen der Zivilgesellschaft und Arbeitnehmervertreter wie die AK und der ÖGB setzen sich vehement für ihre Einführung ein, da sie nicht nur erhebliche Einnahmen, sondern auch eine milde Dämpfung des Spekulationswahnsinns bewirken würde. Sie ist aus diesem Grund auch der Hauptfeind der Spekulationsindustrie, die ihre Kohorten mobilisiert hat, um von den USA ausgehend durch Propaganda und unverhohlene Drohungen ein Land nach dem anderen gegen die Steuer aufzubringen. Kennzeichnend für den Erfolg der Lobbymaschine war das Resümee des österreichischen Finanzstaatssekretärs Lopatka nach dem informellen ECOFIN in Madrid. Außer Frankreich, so Lopatka, habe in der Sitzung kein einziger anderer Mitgliedstaat die FTS erwähnt. Sie sei damit klinisch tot.

Deutschland: Nationales Interesse vor Europa

Besonders bemerkenswert dabei ist die Rolle Deutschlands. Herrschte unter der großen Koalition noch politischer Konsens, dass die FTS notwendig sei, so hat die jetzige Koalition aus Union und FDP unter dem Druck der Lobbyarbeit von Ackermann und Co. einen dramatischen Kurswechsel eingeleitet. Geht es nämlich nach der deutschen Regierung, sollen die Banken überhaupt nicht mehr für die Kosten der jetzigen Krise aufkommen. Die EUR 500 Milliarden, mit denen die Banken in der Krise aus Steuermitteln vor dem Untergang gerettet wurden, sind quasi vergessen. Stattdessen propagiert die deutsche Regierung eine andere Idee: die sogenannte Bankenabgabe. Auf den ersten Blick wird damit suggeriert, dass die Banken doch für die Krise zahlen sollen. Tatsächlich handelt es sich bei dieser Art der Bankenabgabe aber um eine Versicherungsprämie für Krisen, die in der Zukunft kommen werden. So sollen alle Institute jährlich in einen Versicherungsfonds einzahlen. Kommt die nächste Krise, sollen die Kosten der Krise mit dem Geld aus diesem Fonds bezahlt werden. Allerdings wird der Betrag, den die Banken in diesen Topf einzahlen, bei weitem nicht ausreichen, um eine Krise wie die jetzige zu finanzieren. Am Schluss wird wieder der Steuerzahler einspringen müssen. Ein sehr bankenfreundliches Modell, für das die deutsche Regierung sich auch bei seinen europäischen Partnern massiv eingesetzt hat.

Selbst Pseudo-Bankenabgabe findet keine Mehrheit

Wer jedoch der Ansicht war, dass die Mitgliedstaaten gar nicht anders könnten, als zumindest diese Schmalspurvariante einer Pseudo-Bankenabgabe zu beschließen, wurde vom ECOFIN eines Besseren belehrt. Dazu genügte eine Wortmeldung  von EZB-Präsident Trichet. Er warne davor, so Trichet, die Banken jetzt über Gebühr zu belasten. Man solle doch erst mal abwarten, was bei den laufenden Diskussionen über neue Eigenkapitalregeln für Banken herauskomme. Erst dann könne man abschätzen, ob die Banken eine Abgabe verkraften könnten. Die Wortmeldung Trichets genügte, um auch das Thema einer EU-Bankenabgabe auf den St. Nimmerleinstag  zu verschieben. Die unausgesprochene – und nicht unbegründete – Hoffnung der Finanzlobbyisten und ihrer Helfer ist, dass bis dahin die Bevölkerung das Thema wieder vergessen haben wird. Mit dieser Haltung will die EU jetzt auch in die entscheidenden Verhandlungen mit den anderen G20-Partnern treten.

Wirtschaftspolitik: Weiterhin jeder im eigenen Schrebergarten

Wenig Neues auch beim Thema der wirtschaftspolitischen Zusammenarbeit in der EU. Nachdem sich in der Griechenlandkrise die langjährige Kritik von AK und ÖGB bewahrheitet hat, wonach eine einheitliche Währung in Europa ohne wirtschaftspolitische Koordinierung zu gefährlichen Schieflagen führt, hat jetzt der finnische EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn vorgeschlagen, dass die Mitgliedstaaten ihre jeweiligen nationalen Budgets schon vor ihrer Abstimmung in den nationalen Parlamenten gegenseitig diskutieren und abnicken sollten – inklusive Vetomöglichkeit. Auch hier musste der Finne sehr bald die machtpolitischen Grenzen der Europäischen Kommission und der europäischen Zusammenarbeit erkennen. Die Mitgliedstaaten ließen ihn in Madrid wissen, dass sein Vorschlag „zu extrem“ sei. „Mitgliedstaaten sind komplex, und nationale Budgets sind auch komplex“, so die spanische Ratsvorsitzende Elena Salgado.  Immerhin konnten sich die 16 Mitglieder der Eurogruppe dazu durchringen, sich in Zukunft über die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Länder stärker auszutauschen. Innerhalb der Eurogruppe soll ab der nächsten Sitzung die Wettbewerbsfähigkeit von jeweils 2 Ländern unter der Moderation eines dritten Lands von allen diskutiert werden. Den Anfang sollen Spanien und Finnland machen, dann kommen Portugal und Luxemburg dran.