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Zu einem deutlichen Rückschlag kam es diese Woche in Brüssel bei einem der umstrittensten Gesetzesvorhaben der Europäischen Union. Kurz vor der Ziellinie verließ die anderen Mitgliedstaaten der Mut, Großbritannien bei der Regulierung von Hedgefonds und Private Equity Fonds zu überstimmen. Obwohl die deutsche Kanzlerin Merkel laut wurde, überwog am Ende dennoch die Rücksicht auf die bevorstehenden Wahlen in England. Die Abstimmung wurde auf Mai verschoben.
Es hätte ein leuchtendes Beispiel für die neue EU werden können. Eine EU, die sich von ihrer Deregulierungsideologie der letzten Jahre verabschiedet und ein klares Bekenntnis ablegt, alles zu tun, damit sich eine Krise wie die jetzige nicht mehr wiederholt. Stattdessen wurde es wieder ein Sieg für die Finanzlobbies. Am Höhepunkt der Krise hatten sich die G20 – die 20 führenden Wirtschaftsmächte der Welt – dazu bekannt, dass in Zukunft alle Finanzmarktakteure reguliert und beaufsichtigt werden sollen. Auch Hedgefonds und Private Equity Fonds, die zwar von sich behaupten, nicht die Auslöser der Krise gewesen zu sein, die aber vom EU-Abgeordneten Udo Bullmann (S&D) zutreffend als „Brandbeschleuniger“ bezeichnet werden. Schließlich sind sie, wie auch EU-Binnenmarktkommissar Barnier vor Kurzem veranschaulichte, für 50% der Tagesumsätze an den weltweiten Wertpapiermärkten verantwortlich und bergen somit ein erhebliches Risiko für die Stabilität des globalen Finanzsystems.

Mit großem Pomp verabschiedete die Kommission unter erheblichem politischem Druck vor den Wahlen zum Europäischen Parlament im vergangenen Jahr einen Richtlinienvorschlag zur erstmaligen Regulierung und Beaufsichtigung der Branche. „Löchriger als ein Schweizer Käse“, so das Urteil des Präsidenten der Europäischen Sozialdemokraten Rasmussen, der als EU-Abgeordneter zusammen mit den anderen Fraktionen jahrelang vergeblich die Kommission aufgefordert hatte, gesetzlich tätig zu werden. Doch selbst das war der Branche noch immer zu viel. Sie setzte und setzt bis zum heutigen Tag ein ganzes Heer von Lobbyisten und PR-Spezialisten ein, um Regierungen und EP-Abgeordnete zu überzeugen, dass möglichst wenig bis gar nichts reguliert werden soll. Als hätte es die Finanzkrise nie gegeben.

Diese Woche kam es in Brüssel zum Showdown. Seit Monaten hatten die Mitgliedstaaten im Rat und parallel dazu die Europaabgeordneten den Vorschlag der Kommission debattiert. Die Finanzminister sollten diese Woche eigentlich das Paket zuschnüren. Einige Tage vorher hatte die Finanzlobby ihre Geschütze wieder in Stellung gebracht. Der US-Finanzminister warnte die Europäer in einem offenen Brief an EU-Binnenmarktkommissar Barnier davor, den Vorschlag anzunehmen. Und einen Tag vor der Abstimmung veröffentlichte die Branche eine Umfrage unter ihren Mitgliedern, die zufällig ergab, dass ein Großteil der institutionellen Investoren ihre Investitionsaktivitäten um mehr als 30% drosseln oder ganz einstellen würden, falls die Richtlinie der EU in der jetzigen Form umgesetzt würde. Unverhohlene Drohungen der Finanzlobby, die sich längst nicht mehr der Demokratie verpflichtet fühlt.

So passierte, was passieren musste. Die Briten, nur unterstützt von Zypern und Malta, standen isoliert gegen den Rest der Mitgliedstaaten. Da im Rat mit qualifizierter Mehrheit entschieden wird, hätten sie eigentlich leicht überstimmt werden können. Doch die übrigen Mitgliedsländer schreckten zurück – dem Vernehmen nach aus Rücksicht auf die bevorstehenden Unterhauswahlen in Großbritannien im Mai. So wurde das Thema auf den nächste ECOFIN-Treffen im Mai verschoben. Was mit der Richtlinie passiert, wenn bis dahin die europaskeptischen Tories an der Macht sein sollten, ist fraglich.

Ernüchterndes aus ArbeitnehmerInnensicht auch im Europäischen Parlament, das jetzt aufgrund der Verschiebung im Rat in Vorlage gehen muss. Der konservative Berichterstatter Jean-Paul Gauzès (EVP) präsentierte diese Woche seine sogenannten Kompromissanträge. Vorher waren auf seinen Bericht die unfassbare Zahl von 1.700 Änderungsanträgen – die meisten direkt aus den Schreibmaschinen der Finanzlobby – eingeprasselt. Die Kernprobleme fasste Gauzès jetzt in einigen wenigen Punkten zusammen, wo er Übereinstimmung zwischen der Mehrheit der Abgeordneten und auch mit den Mitgliedstaaten erhofft. Das Ergebnis mag vom Verhandlungsgeschick des Franzosen zeugen, bleibt in der Substanz jedoch weit hinter seinem ursprünglichen Bericht zurück. Eine ganze Fülle von Ausnahmen für alle möglichen Arten von Fonds und die Wiedereinführung von Schwellenwerten (EUR 100 bzw. 500 Mio.), unterhalb derer die Mitgliedstaaten nationale Sonderregelungen beibehalten können, durch die Hintertür spricht nicht gerade von europäischem Gestaltungswillen. Im Ergebnis bleibt ein unübersichtlicher Flickenteppich, der geradezu zu Umgehungen einlädt.

Weiteres Beispiel: Der heftig umkämpfte Europäische Pass. Nach dem Vorschlag der Kommission sollte den Hedgefonds die Richtlinie damit schmackhaft gemacht werden, dass sie in Zukunft ein Gütesiegel der EU erhalten und ihre Produkte in ganz Europa vertreiben können. Das Problem dabei: Was ist mit Fonds, die nicht in der EU angesiedelt sind? Bekanntlich ist die Mehrzahl der Hedgefonds in sogenannten Offshore-Zentren wie Cayman Islands oder British Virgin Islands domiziliert – und das sicher nicht nur wegen des schönen Wetters. Hier zeigten sich die Mitgliedstaaten – mit Ausnahme der Briten, die 80% des Hedgefonds-Geschäfts in Europa dominieren – ausnahmsweise mutig. Fonds aus Drittstaaten, die ihren Sitz nicht in der EU haben, sollten vorläufig keinen „europäischen Pass“ erhalten. Der Aufschrei aus den USA und dem Vereinigeten Königreich folgte sofort. Und auch Gauzès im Parlament ist scheinbar dem Charme der zahlreichen Delegationen aus den Cayman Islands erlegen. In seiner neuesten Version sieht er eine komplizierte Kaskade von Ermächtigungen vor, die es der Kommission erlauben soll, festzustellen, dass Nicht-EU-Staaten der EU vergleichbare rechtliche Regelungen haben. Die Caymans sind bereits vorbereitet. Gegenüber den Parlamentariern legten sie dar, dass das Regulierungssystem der Caymans „eines der besten der Welt sei.“


Weiterführende Informationen:

AK-Stellungnahme zum Richtlinienvorschlag über die Verwalter alternativer Investmentfonds