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ZurückMit 12 Botschaften an die zukünftige neue Kommission lässt der Brüsseler Think-Tank Bruegel aufhorchen. Die Kommission habe nur eine politische Zukunft, wenn sie in der nächsten Periode alles besser macht.
Bruegel ist eine 2005 gegründete Denkfabrik, die mit ökonomischen Analysen einen Beitrag zur europapolitischen Diskussion in Brüssel leisten will. Die Arbeit des Instituts wird von den Mitgliedstaaten und anderen Sponsoren finanziert, dementsprechend groß ist auch der (informelle) Einfluss des Think Tanks auf die Entscheidungsträger in Brüssel. Kritische Töne von Bruegel zur Wirtschafts- und Sozialpolitik der EU waren in der Vergangenheit eher selten zu hören, vielmehr betonte die Organisation stets die Vorteile von Binnenmarkt, Freihandel und Globalisierung.
Wirtschaftsweise rechnen mit der Kommission Barroso 1 ab
Umso überraschender kommt jetzt eine neue Initiative der WirtschaftsexpertInnen. Während die PolitikerInnen darüber diskutieren, ob die neue Kommission wie bisher vorgesehen mit Anfang November ihr Amt antreten kann oder ob eine „Übergangskommission“ notwendig sein wird, präsentieren die Fachleute von Bruegel unter der Federführung von André Sapir in einem 100-seitigen Papier bereits ihre Forderungen an die neue Kommission. Und die haben es in sich. Wenn auch direkt weder der Kommissionspräsident Barroso noch die anderen Kommissare namentlich kritisiert werden, ist das Papier dennoch eine wirtschaftspolitische Abrechnung mit einer gescheiterten Kommission und einer Europäischen Union, die Gefahr läuft, bedeutungslos zu werden.
BürgerInnen werden Kommission für gescheiterte Liberalisierung verantwortlich machen
Nach dem Bericht wird die künftige Kommission vor riesigen Herausforderungen stehen, sowohl ökonomisch als auch politisch. Das politische Risiko bestehe darin, dass die Kommission für die Liberalisierungsagenda der letzten Jahre verantwortlich gemacht wird, und das zu einer Zeit, wo europaweit bereits ein Rückzug in die Nationalstaaten und ein deutliches Unbehagen mit der EU bemerkbar sei.
Kommissionspräsident soll Europa besser kommunizieren und die Kommission umbauen
Dem zukünftigen Kommissionspräsidenten schreibt Bruegel auch einiges ins Tagebuch. Er möge in Zukunft besser kommunizieren, wofür die EU eigentlich stehe. Auch an der Organisation der Kommission wird Kritik geübt. Wenngleich Bruegel sich dafür ausspricht, dass jeder Mitgliedstaat weiterhin einen Kommissar behalten soll, empfehlen die ExpertInnen einen Umbau bei den Ressorts. So sollte beispielsweise das Wirtschaftsressort und das Finanzressort zusammengeführt werden, um die Kommission gegenüber den Mitgliedstaaten zu stärken.
Krise erschüttert den Glauben der BürgerInnen in offene Märkte und Wettbewerb
Lesenswert auch der Abschnitt zur EU-Wirtschaftspolitik. Die Ökonomen von Bruegel erwarten die Wiederkehr von Massenarbeitslosigkeit in Europa, ebenso wie eine deutliche Verschlechterung der öffentlichen Finanzen. Die Krise würde das Vertrauen der BürgerInnen in offene Märkte erschüttern und die öffentliche Unterstützung für den Binnenmarkt gefährden. Wahrer Gewinner der Krise sei die Europäische Zentralbank, während die Effizienz der europäischen Wirtschaftspolitik merklich in Frage gestellt werde. Die Empfehlungen von Bruegel erinnern an Forderungen, die die AK seit Jahren an die europäische Politik richtet: Ein Überdenken der sogenannten Maastricht-Kriterien und der derzeitigen Handhabung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes.
Selbstregulierungsglauben vergangener Kommissionen ist gescheitert
Geradezu „monumentale Herausforderungen“ erkennt Bruegel im Bereich der Finanzmärkte und Finanzdienstleistungen. Hier seien zwar im vergangenen Jahrzehnt große und schwer wieder rückgängig zu machende Fortschritte auf dem Weg zu einem einheitlichen europäischen Finanzsystem gesetzt worden. Allerdings gebe es keine öffentlichen Institutionen, um dieses Finanzsystem zu kontrollieren. Die Ursache: Vergangene Kommissionen hätten – aus ideologischen Gründen und/oder unter dem Druck der Finanzlobbies – blind auf die Selbstregulierungskräfte des Marktes vertraut.
Flexicurity-Strategie der Kommission bald am Ende?
Interessant sind auch die Überlegungen von Bruegel zur europäischen Beschäftigungspolitik. Hier gebe es nur einen minimalen Konsens zwischen den Mitgliedstaaten und zwischen den Sozialpartnern. Die Krise könnte die vielgepriesene „Flexicurity-Strategie“ der Kommission politisch ad absurdum führen. Bekanntlich investierte die Kommission viel politische Energie, um diese Strategie den Mitgliedstaaten und den Sozialpartnern zu verkaufen, mit dem Ziel, mehr Flexibilität vor allem für die Arbeitgeber mit mehr Sicherheit für die Beschäftigten zu verbinden. Bruegel sieht nun nicht ohne Grund die Gefahr, dass nicht nur der Flexibilitäts-Aspekt an Relevanz verlieren wird, da die Krise alle Branchen betrifft. Auch der Sicherheits-Aspekt des Konzeptes wird an Glaubwürdigkeit verlieren, da höhere Verschuldung und steigende Defizite es den Mitgliedstaaten kaum mehr erlauben werden, die Sicherheiten für ArbeitnehmerInnen bei Jobverlust (Arbeitslosenunterstützung, aktive Arbeitsmarktpolitik) aufrecht zu halten oder auszubauen.
Weiterführende Informationen:
Studie: Memos für die neue Kommission (nur in Englisch verfügbar)
Wirtschaftsweise rechnen mit der Kommission Barroso 1 ab
Umso überraschender kommt jetzt eine neue Initiative der WirtschaftsexpertInnen. Während die PolitikerInnen darüber diskutieren, ob die neue Kommission wie bisher vorgesehen mit Anfang November ihr Amt antreten kann oder ob eine „Übergangskommission“ notwendig sein wird, präsentieren die Fachleute von Bruegel unter der Federführung von André Sapir in einem 100-seitigen Papier bereits ihre Forderungen an die neue Kommission. Und die haben es in sich. Wenn auch direkt weder der Kommissionspräsident Barroso noch die anderen Kommissare namentlich kritisiert werden, ist das Papier dennoch eine wirtschaftspolitische Abrechnung mit einer gescheiterten Kommission und einer Europäischen Union, die Gefahr läuft, bedeutungslos zu werden.
BürgerInnen werden Kommission für gescheiterte Liberalisierung verantwortlich machen
Nach dem Bericht wird die künftige Kommission vor riesigen Herausforderungen stehen, sowohl ökonomisch als auch politisch. Das politische Risiko bestehe darin, dass die Kommission für die Liberalisierungsagenda der letzten Jahre verantwortlich gemacht wird, und das zu einer Zeit, wo europaweit bereits ein Rückzug in die Nationalstaaten und ein deutliches Unbehagen mit der EU bemerkbar sei.
Kommissionspräsident soll Europa besser kommunizieren und die Kommission umbauen
Dem zukünftigen Kommissionspräsidenten schreibt Bruegel auch einiges ins Tagebuch. Er möge in Zukunft besser kommunizieren, wofür die EU eigentlich stehe. Auch an der Organisation der Kommission wird Kritik geübt. Wenngleich Bruegel sich dafür ausspricht, dass jeder Mitgliedstaat weiterhin einen Kommissar behalten soll, empfehlen die ExpertInnen einen Umbau bei den Ressorts. So sollte beispielsweise das Wirtschaftsressort und das Finanzressort zusammengeführt werden, um die Kommission gegenüber den Mitgliedstaaten zu stärken.
Krise erschüttert den Glauben der BürgerInnen in offene Märkte und Wettbewerb
Lesenswert auch der Abschnitt zur EU-Wirtschaftspolitik. Die Ökonomen von Bruegel erwarten die Wiederkehr von Massenarbeitslosigkeit in Europa, ebenso wie eine deutliche Verschlechterung der öffentlichen Finanzen. Die Krise würde das Vertrauen der BürgerInnen in offene Märkte erschüttern und die öffentliche Unterstützung für den Binnenmarkt gefährden. Wahrer Gewinner der Krise sei die Europäische Zentralbank, während die Effizienz der europäischen Wirtschaftspolitik merklich in Frage gestellt werde. Die Empfehlungen von Bruegel erinnern an Forderungen, die die AK seit Jahren an die europäische Politik richtet: Ein Überdenken der sogenannten Maastricht-Kriterien und der derzeitigen Handhabung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes.
Selbstregulierungsglauben vergangener Kommissionen ist gescheitert
Geradezu „monumentale Herausforderungen“ erkennt Bruegel im Bereich der Finanzmärkte und Finanzdienstleistungen. Hier seien zwar im vergangenen Jahrzehnt große und schwer wieder rückgängig zu machende Fortschritte auf dem Weg zu einem einheitlichen europäischen Finanzsystem gesetzt worden. Allerdings gebe es keine öffentlichen Institutionen, um dieses Finanzsystem zu kontrollieren. Die Ursache: Vergangene Kommissionen hätten – aus ideologischen Gründen und/oder unter dem Druck der Finanzlobbies – blind auf die Selbstregulierungskräfte des Marktes vertraut.
Flexicurity-Strategie der Kommission bald am Ende?
Interessant sind auch die Überlegungen von Bruegel zur europäischen Beschäftigungspolitik. Hier gebe es nur einen minimalen Konsens zwischen den Mitgliedstaaten und zwischen den Sozialpartnern. Die Krise könnte die vielgepriesene „Flexicurity-Strategie“ der Kommission politisch ad absurdum führen. Bekanntlich investierte die Kommission viel politische Energie, um diese Strategie den Mitgliedstaaten und den Sozialpartnern zu verkaufen, mit dem Ziel, mehr Flexibilität vor allem für die Arbeitgeber mit mehr Sicherheit für die Beschäftigten zu verbinden. Bruegel sieht nun nicht ohne Grund die Gefahr, dass nicht nur der Flexibilitäts-Aspekt an Relevanz verlieren wird, da die Krise alle Branchen betrifft. Auch der Sicherheits-Aspekt des Konzeptes wird an Glaubwürdigkeit verlieren, da höhere Verschuldung und steigende Defizite es den Mitgliedstaaten kaum mehr erlauben werden, die Sicherheiten für ArbeitnehmerInnen bei Jobverlust (Arbeitslosenunterstützung, aktive Arbeitsmarktpolitik) aufrecht zu halten oder auszubauen.
Weiterführende Informationen:
Studie: Memos für die neue Kommission (nur in Englisch verfügbar)