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Auf den ersten Blick erscheint das Vorhaben, den Patienten die Möglichkeit zu geben, sich auch in anderen Mitgliedstaaten behandeln zu lassen, durchaus positiv. Eine genauere Analyse des Richtlinienvorschlags offenbart aber, dass der Text eine Reihe von Tücken und Gefahren für den Gesundheitssektor enthält. Diese Woche wurde über den Vorschlag im federführenden Umwelt- und Gesundheitsausschuss des Europäischen Parlaments abgestimmt.
Der Richtlinienvorschlag sieht vor, dass sich jeder Patient auch in einem anderen Mitgliedstaat stationär behandeln lassen kann. Die Kosten dafür sollen von der jeweiligen Sozialversicherung ersetzt werden. Der Gesundheitsausschuss im Europäischen Parlament unterstützt diese Forderung, hat aber auch noch einen zusätzlichen Text verfasst, dass die Patienten die Kosten nicht vorstrecken müssen.

Ein sehr problematisches Ergebnis für die Sozialversicherungen: Denn Krankenhausleistungen wie zum Beispiel eine Hüftoperation werden von Bundesland zu Bundesland und von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich kalkuliert. Je nachdem, welche (modernen oder älteren) Geräte jeweils zum Einsatz kommen, welche Kapazitäten im Spital zur Verfügung stehen, wie das Personal bezahlt wird, etc. In Österreich ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass nicht nur die Sozialversicherungen für die Spitalsfinanzierung zuständig sind, sondern auch die Bundesländer mitzahlen. Die Gefahr, dass für die Sozialversicherungsträger eine finanzielle Zusatzbelastung durch die Behandlung im Ausland entsteht, konnte aber gemildert werden: Als Ausnahmefall ist nun vorgesehen, dass eine Vorabgenehmigung eingeführt werden kann, wenn das finanzielle Gleichgewicht der Sozialversicherungssysteme oder die Planung der Kapazitäten in Krankenhäusern ernsthaft gefährdet wäre bzw. sein könnte. Patienten würden damit nur dann die Kosten ersetzt bekommen, wenn ihnen die Sozialversicherung vorher die Erlaubnis dafür gegeben hat. Die Sozialdemokraten votierten im Gegensatz zu allen anderen Fraktionen für eine striktere Regelung im Sinne der Sozialversicherungen, konnten sich aber nicht durchsetzen.

Ein weiteres Problem stellt auch die praktische Frage der Unterstützung der Patienten durch ihre Verwandten dar. Wer zahlt deren Aufenthalt im Behandlungsland? Auch die sprachliche Barriere bei einer Behandlung in einem anderen Mitgliedstaat gilt es zu berücksichtigen. Daher ist unter anderem zu befürchten, dass sich – wie bisher auch – nur vermögende Patienten im Ausland behandeln lassen werden. Für Bewohner in Grenzgebieten würde die Richtlinie grundsätzlich einen Vorteil darstellen, zum Beispiel wenn das Krankenhaus näher liegt, als das nächste innerstaatliche Spital. Allerdings gab es in vielen Fällen auch bisher schon Abkommen zwischen den betroffenen Ländern, die die grenzüberschreitende Behandlung regeln.

Die von der Kommission vorgeschlagene Mobilität von Gesundheitsberufen in allen Mitgliedstaaten wurde von den Ausschüssen im Europäischen Parlament deutlich abgelehnt.

Der Richtlinienvorschlag wurde von den EU-Abgeordneten der Vereinten Europäischen Linken abgelehnt. Sozialdemokraten und Grüne enthielten sich der Stimme – zum einen wegen der weiter oben angeführten Abstimmung über die Vorabgenehmigung, zum anderen weil der Artikel 152 des EG-Vertrags als Grundlage für die Richtlinie nicht miteinbezogen wurde. Dieser Artikel regelt das Gesundheitswesen und streicht hervor, dass Regelungen der Europäischen Union, die Politik der Mitgliedstaaten fördert und verbessert.

Die Plenarabstimmung im Europäischen Parlament ist für den 22./23. April angesetzt. Dieses Datum ist aber wegen der kurzen Zeit, die für die Vorarbeiten für das Plenum zur Verfügung stehen, noch ungewiss. Eine Verschiebung der Abstimmung auf das Plenum im Mai (4. – 7. Mai) erscheint möglich.