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Mit Spannung wurde seit längerem in Brüssel der Bericht einer hochrangigen Expertengruppe – der so genannten la Rosìere-Gruppe - erwartet, die von Kommissionspräsident Barroso eingesetzt wurde. Ihr Auftrag: Wie soll die Finanzaufsicht in Europa in Zukunft aussehen?
Die achtköpfige Expertengruppe unter Vorsitz des ehemaligen Währungsfonds-Direktors Jaques de Larosìere hat ganze Arbeit geleistet. Diese Woche präsentierte sie in Brüssel ihren Abschlussbericht: 85 Seiten, prall gefüllt mit Analysen, wie es zu einer der schwerwiegendsten Finanzkrisen der Nachkriegsgeschichte kommen konnte und was in Europa und weltweit zu tun ist, um eine Wiederholung dieser Katastrophe zu verhindern.

Auch wenn in eingeweihten Kreisen Kritik an der wirtschaftslastigen Zusammensetzung der Gruppe geäußert wurde, müssen die Ergebnisse dennoch als vernichtendes Urteil über die Liberalisierungs- und Deregulierungsideologie der vergangenen Jahrzehnte an den Finanzmärkten gewertet werden. So gut wie keine der führenden Institutionen und Akteure bleibt ungeschoren. Die Notenbanken werden ebenso kritisiert wie die Banken und die Aufsichtsbehörden, die Ratingagenturen, die Vergütungssysteme in den Finanzinstituten (Stichwort Boni und Managergehälter), aber auch die internationalen Institutionen wie der IWF und die G20. Ein Versagen von Regulierung und Koordination, das man auch als totalen Kontrollverlust bezeichnen kann. Ein Kontrollverlust, an dem einige Eingeweihte über viele Jahre viel Geld verdient haben. Und den jetzt die Allgemeinheit und die ArbeitnehmerInnen bezahlen müssen.

Umso wichtiger die Frage, was getan werden muss, um ein ähnliches Debakel in Zukunft zu vermeiden. Auch hier enthält der Bericht eine Fülle von Antworten und Empfehlungen, insgesamt 31. Die Eigenkapitalanforderungen für Banken sollen erhöht, Ratingagenturen reguliert, Rechnungslegungsvorschriften überarbeitet, Befugnisse der Aufsichtsbehörden gestärkt, Spekulationsgeschäfte überwacht und Vergütungssysteme für Manager reformiert werden, um nur einige Beispiele zu nennen.

Auch die Aufsichtsgremien in Europa sind laut dem Bericht mangelhaft. Seit langem hatten Experten kritisiert, dass – gefördert durch die Liberalisierungsschritte der EU - in Europa Großbanken herangewachsen sind, die von einem Mitgliedstaat alleine nicht mehr kontrolliert werden können. Dennoch wurde die Aufsicht über solche Banken, die in ganz Europa tätig waren, überwiegend durch die einzelnen Mitgliedstaaten durchgeführt, ohne ausreichende Kooperation zwischen den Behörden der Länder – ein untragbarer Zustand in einem verzahnten Finanzbinnenmarkt. Hier setzt auch der Bericht mit seinen Empfehlungen an. Stärkere Aufsichtsbehörden in den Mitgliedsländern in einer ersten Etappe, eine zentralisierte und integrierte Aufsichtsbehörde für Europa (Europäisches System der Finanzaufsicht) in einer zweiten Etappe bis 2012. Dazu empfiehlt die la Rosìere-Gruppe umfassende Reformen auf internationaler Ebene.

Die Vielzahl der vorgeschlagenen Verbesserungen ist regelrecht erschlagend. Sie zeigt, wie viel in den vergangenen Jahrzehnten schief gelaufen ist. Die Veränderungen werden viel Zeit brauchen und gegen mächtige Lobbies durchgesetzt werden müssen. Sie sollten schnell und entschlossen angegangen werden, bevor die gesellschaftlichen Kosten der Gier der vergangenen Jahrzehnte außer Kontrolle geraten.


Weiterführende Informationen:

Zusammenfassung de Larosìere-Bericht (nur in Englisch verfügbar)

Der gesamte de Larosìere-Bericht (nur in Englisch verfügbar)