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ZurückTrotz des Diskriminierungsverbots verdienen Frauen europaweit noch immer etwa 14 % weniger als Männer. Längst überfällig ist daher die bereits für 2020 angekündigte Lohntransparenzrichtlinie. Am 4. März 2021 präsentierte die EU-Kommission ihren Vorschlag.
Viele Maßnahmen zur Verbesserung der Lohntransparenz
Der Richtlinienvorschlag enthält einige verbindliche Maßnahmen zur Lohntransparenz. Dazu gehört die verpflichtende Information über die Höhe des Entgelts vor Beschäftigungsbeginn sowie das Verbot, BewerberInnen nach ihrer früheren Vergütung zu fragen. Während des Beschäftigungsverhältnisses ist ein eigener Auskunftsanspruch der ArbeitnehmerInnen über das durchschnittliche Entgelt von KollegInnen vorgesehen, die eine gleich(wertig)e Arbeit verrichten, aufgeschlüsselt nach Geschlecht und unabhängig von der Betriebsgröße. Größere Betriebe mit mindestens 250 Beschäftigten sind zur jährlichen öffentlichen Berichterstattung (z.B. auf der Website) über das geschlechtsspezifische Lohngefälle verpflichtet. Zudem ist eine tiefergehende Analyse („gemeinsame Entgeltbewertung“) dieser Berichte bei mindestens 5 % Lohngefälle in einer Gruppe von ArbeitnehmerInnen in Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat (ArbeitnehmerInnenvertreterInnen) vorgesehen, falls dieses nicht objektiv erklärt werden kann. Weiters sind Vertraulichkeitsklauseln verboten, wenn sie die Rechtsdurchsetzung auf gleiches Entgelt bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit behindern.
Lohntransparenz stärkt die Rechte der ArbeitnehmerInnen
Der Vorschlag stärkt auch die Instrumente, mit denen ArbeitnehmerInnen ihre Rechte geltend machen können. Im Richtlinienvorschlag ist unter anderem ein umfassender Entschädigungsanspruch für lohndiskriminierte ArbeitnehmerInnen, inklusive Entschädigung für entgangene Chancen, immateriellen Schaden und Verzugszinsen vorgesehen. Die Beweislast wird noch stärker auf den/die ArbeitgeberIn verlagert. Bei Vorschriftsverstößen sollen Sanktionen einschließlich (Mindest-)Geldstrafen festgelegt werden, die wirksam und abschreckend sind. Darüber hinaus sollen Gerichte die Möglichkeit bekommen, ArbeitgeberInnen zu verpflichten, strukturelle oder organisatorische Maßnahmen zu ergreifen, um gleiches Entgelt sicherzustellen. Gleichbehandlungsstellen und ArbeitnehmervertreterInnen sollen im Namen von Arbeitnehmerinnen in Gerichts- oder Verwaltungsverfahren und auch bei Sammelklagen tätig werden können.
Zudem müssen die Mitgliedstaaten Methoden einführen, um gleich(wertig)e Arbeit feststellen und vergleichen zu können. Dabei sind insbesondere Kriterien wie Bildungs-, Ausbildungs- und Berufsanforderungen, Qualifikationen, Belastung und Verantwortung, ausgeführte Arbeit und Art der dabei wahrgenommenen Aufgaben anzuwenden.
Weitere Schritte und Handlungsbedarf für Österreich?
Österreich hat bereits vor einigen Jahren strukturelle Maßnahmen gegen Entgeltdiskriminierung gesetzt, wie die Angabe des Mindestentgelts bei Stelleninseraten und verpflichtende Einkommensberichte. Viele Bestimmungen des Entwurfs der Kommission bedeuten jedenfalls eine Erweiterung der bestehenden Regelungen, auf die Österreich nach einer Einigung mit EP und Mitgliedsstaaten bei der Umsetzung aufbauen könnte.
Seit 2014 besteht bereits für Unternehmen ab 151 Beschäftigten die gesetzliche Pflicht zur Erstellung von Einkommensberichten, sodass die Einkommensstruktur in großen Betrieben laufend dokumentiert wird. Die im Richtlinienvorschlag vorgesehene jährliche Veröffentlichung ist somit kein allzu großer Aufwand, kann aber Vorteile bringen: Die derzeitige strenge Verschwiegenheitsverpflichtung wird gelockert, die Veröffentlichung kann den Informationszugang erleichtern und darüber hinaus einen Vergleich zwischen ArbeitgeberInnen schaffen, welcher auch präventiv gegen allfällige Entgeltdiskriminierung wirken kann. Zu kritisieren ist jedoch die zu hoch angesetzte Untergrenze von 250 ArbeitnehmerInnen, weil damit viele Betriebe von der Berichtspflicht befreit sind, was dem Ziel der Lohntransparenz wiederum entgegensteht. Bei Verstößen gegen die Berichtspflichten sind Sanktionen und (Mindest)-Geldstrafen geplant – etwas, das derzeit in Österreich fehlt.
Ein Novum für Österreich wäre auch die verpflichtende gemeinsame Entgeltbewertung, sowie die Bestimmung, dass Maßnahmen getroffen werden müssen, um etwaige Ungleichheiten zu beseitigen. Bis dato fehlt ein eigenständiger, für die Praxis aber sehr wichtiger Auskunftsanspruch der ArbeitnehmerInnen, lediglich die Gleichbehandlungsanwaltschaft hat das Recht auf Auskunft über die Entlohnung von Vergleichspersonen. Zu kritisieren ist aus Sicht der AK, dass die ArbeitnehmerInnen nur Auskunft über das durchschnittliche Einkommen von Vergleichsgruppen erhalten und nicht über die konkrete Höhe und Zusammensetzung des Entgelts, was insbesondere eine Vergleichbarkeit innerhalb kleinerer Unternehmen erleichtern würde.
Obwohl vertragliche Verschwiegenheitsklauseln in Österreich als sittenwidrig qualifiziert werden können, ist ein ausdrückliches Verbot dieser Klauseln eine hilfreiche Klarstellung.
Weiterführende Informationen:
A&W Blog: Einkommensberichte: Ein nützliches Instrument für mehr Entgeltgleichheit?
Europäischer Gewerkschaftsbund: Lohntransparenzrichtlinie: Gute Ziele, unzureichende Maßnahmen (nur englisch)