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ZurückIm März 2023 hat die EU-Kommission ein Maßnahmenpaket zu kritischen Rohstoffen vorgeschlagen. Ziel ist es, die Versorgung auch zukünftig sicherzustellen. Weil die EU gerade in diesem Bereich stark von Importen abhängig ist, sollen strategische Risiken entlang der Wertschöpfungskette gemindert werden. Die EU-Kommission geht von starken Verbrauchssteigerungen aus. Ein aktuelles Positionspapier der AK fordert, dass die Folgen massiver Natureingriffe und negative Auswirkungen für die lokale Bevölkerung dabei stärker berücksichtigt werden müssen.
Im Vorschlag unterscheidet die EU-Kommission erstmals zwischen kritischen und strategischen Rohstoffen, die in einer Liste konkretisiert werden. Kritische Rohstoffe zeichnen sich durch ein hohes Versorgungsrisiko aus. Strategische Rohstoffe sind für strategische Bereiche wie Verteidigung oder Digitalisierung notwendig. Die Covid-19 Pandemie und der Angriffskrieg auf die Ukraine haben die Gefahren durch Engpässe und den Handlungsbedarf noch einmal verdeutlicht. Auch für das Erreichen der Klimaziele sind strategische Rohstoffe entscheidend.
EU-Kommission setzt starke Verbrauchssteigerung kritischer Rohstoffe voraus
Die Kommission definiert Richtwerte für die EU-Kapazitäten entlang der Lieferkette. Bis 2030 sollen 10 Prozent des europäischen Verbrauchs strategischer Rohstoffe durch eigenen Abbau, 40 Prozent durch eigene Verarbeitung und 15 Prozent aus Recycling gedeckt werden. Diese geplante Stärkung europäischer Kapazitäten in Bergbau und Verarbeitung ist zu begrüßen. Aufgrund des Fokus auf Versorgungssicherheit in der EU und die Minimierung strategischer Risiken wird der Vorschlag allerdings dem Problem globaler Rohstoffknappheiten nicht gerecht. Die gerechte Verteilung dieser Rohstoffe und ihr effizienter Einsatz werden im Vorschlag der Kommission nicht thematisiert.
Auch die Vorhaben zum Recycling sind zu wenig ambitioniert. Wichtiger als das übergreifende Ziel, 15 Prozent der kritischen Rohstoffe aus Recycling zu gewinnen, wären konkrete und verbindliche Recyclingziele. Rohstoffe, die bereits einen hohen Recyclinganteil aufweisen, sollten noch deutlich höhere Anteile erreichen. Insgesamt sollte ein Fokus auf Forschung und Entwicklung in den Bereichen Ressourceneffizienz, Recycling und Substitution kritischer Rohstoffe gelegt werden. Für den Aufbau einer europäischen Kreislaufwirtschaft wären außerdem begleitende arbeitsmarkt- und bildungspolitische Ziele erforderlich.
Strategische Projekte für mehr Abbau von Rohstoffen innerhalb der Union
Um den Abbau und die Verarbeitung in der Union zügig auszubauen, sollen künftig strategische Projekte definiert werden können, für die vereinfachte Genehmigungsverfahren gelten. Diese Projekte sollen auch finanzielle Unterstützung erhalten. Aus Sicht der AK muss sichergestellt werden, dass jegliche Form von Beihilfe an die Erfüllung sozialer Konditionalitäten gekoppelt ist. Unternehmen, die gegen arbeits- oder sozialrechtliche Bestimmungen verstoßen, sollen von Subventionen ausgeschlossen werden.
Demgegenüber droht die geplante zeitliche Begrenzung von Genehmigungsverfahren eher die Beteiligung lokaler Gemeinschaften und die Beteiligung der Öffentlichkeit auszuhebeln. Die Begünstigung strategischer Projekte wird nach Einschätzung der AK dazu führen, dass sich eine Vielzahl von Projektwerber:innen um diesen Status bemühen werden, während eine neue Kategorie von Genehmigungsverfahren in der praktischen Umsetzung dann für viele schnell zu Komplikationen führt.
Da der Rechtsakt in Form einer Verordnung vorliegt, ist er nach Inkrafttreten für alle Mitgliedsstaaten unmittelbar und in vollem Umfang verbindlich. Damit entfällt die Möglichkeit, die Vorgaben mit der nationalen Gesetzgebung abzustimmen. Dies kann zu Rechtsunsicherheiten und damit zur Überlastung der Behörden führen. Eine Erlassung in Richtlinienform wäre daher nach Einschätzung der AK sinnvoller.
Zwar soll ein Raw Materials Board die strategischen Projekte und deren Finanzierung begleiten. Dieses wird laut Vorschlag aber vor allem von der EU-Kommission und den Mitgliedsstaaten beschickt, Stakeholder können zusätzlich eingebunden werden. Gewerkschaften werden im Verordnungsentwurf nicht explizit genannt. Damit die Einhaltung von Arbeits- und Menschenrechten sowie Umweltrisiken gut eingeschätzt und berücksichtig werden können, fordert die AK demgegenüber eine strukturelle Einbeziehung von Gewerkschaften und der Zivilgesellschaft.
Internationales Engagement und Nord-Süd-Gefälle
Der Vorschlag der EU-Kommission sieht außerdem vor, durch internationales Engagement die Importe kritischer Rohstoffe zu diversifizieren und damit die Versorgung zu sichern. Dazu gehört auch der Ausbau von Handelsbeziehungen mit rohstoffreichen Ländern. Der weitere Anstieg des hohen Rohstoffverbrauchs der Union wird die globale Konkurrenz um Rohstoffe weiterverschärfen. Besonders problematisch ist der Plan, hart gegen Exportbeschränkungen von rohstoffreichen Ländern vorzugehen. Wenn Ländern der Aufbau eigener Industrien erschwert wird, trägt das zur weiteren Verfestigung ungleicher Handels- und Produktionsstrukturen bei.
Während die massiven Eingriffe in die Natur im Zuge des Rohstoffabbaus negative Umwelteinflüsse tendenziell verstärken, wird sich durch den zunehmenden Druck auch die Situation der in der Rohstoffgewinnung tätigen Arbeiter:innen kaum verbessern. Gerade im Bergbau sind ausbeuterische und gesundheitsgefährdende Arbeitsbedingungen weit verbreitet. Wünschenswert wäre daher eine stärkere Berücksichtigung der Reduktion des Rohstoffverbrauchs sowie der Steigerung der Energie- und Materialeffizienz, um die negativen Folgen einzudämmen.
Wie geht es nun weiter?
Anfang September hat der zuständige EP-Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie (ITRE) seinen Bericht beschlossen und wichtige Ergänzungen eingebracht. So sollen der Rohstoffverbrauch im Vergleich zum Referenzszenario reduziert und vom Rohstoffabbau betroffene Gemeinden stärker miteinbezogen werden. Insgesamt wurden die Vorgaben zu Nachhaltigkeit und Zirkularität gestärkt. Auch der Rat hat seine Position bereits festgelegt. Darin wurden u.a. die Ziele für die Verarbeitungs- und Recyclingkapazitäten in der EU erhöht. Nach Abstimmung im Parlament soll – voraussichtlich im Oktober 2023 – die Verhandlungen zwischen den Institutionen beginnen. Ziel der spanischen Ratspräsidentschaft ist es, diese bis Ende des Jahres abzuschließen.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA Positionspapier: Der Critical Raw Materials Act
Vorschlag der Kommission: European Critical Raw Materials Act
EU-Parlament: Kurzvideo zum Critical Raw Materials Act (Nur Englisch)
EU-Rat: Gesetz zu kritischen Rohstoffen: Rat legt Verhandlungsposition fest
EU-Parlament: Critical raw materials MEPs back plans to secure EU own supply and sovereignty (Nur Englisch )