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Der selbständige LKW-Fahrer als Übermensch, der niemals müde wird. Das ist offensichtlich die Vorstellung der Kommission, wenn es um die Arbeitszeitrichtlinie im Straßenverkehr geht. Obwohl das Europäische Parlament den Richtlinienvorschlag bereits im Mai abgelehnt hat, hält die Kommission weiterhin an ihrem Vorhaben fest, Selbständige von der Arbeitszeitrichtlinie auszunehmen. Diese Woche wurde die Arbeitszeitrichtlinie erneut im Europäischen Parlament besprochen.
Die Arbeitszeitrichtlinie im Straßenverkehr aus dem Jahr 2002 sieht in der derzeit gültigen Fassung vor, dass Selbständige ab März 2009 der Richtlinie unterliegen. Damit würde auch für Selbständige eine Begrenzung der Arbeitszeit gelten. Das ist der Kommission nun ein Dorn im Auge. Sie möchte die Selbständigen ausnehmen und wird dabei von der Europäischen Volkspartei und den Europäischen Konservativen kräftig unterstützt. Die Kontrolle der Arbeitszeiten für Selbständige würde den Bürokratieaufwand maßgeblich erhöhen, wäre kostspielig und überdies dürfe man Selbständigen nichts vorschreiben, da sie ja selbständig seien, meinen Abgeordnete wie Helmer oder Koch.

Die Kommission führte überdies aus, dass nur bei 6 % der Verkehrsunfälle LKWs mitinvolviert wären. Die Müdigkeit der Fahrer hätte nichts mit den Anstrengungen beim Fahren zu tun, sondern mit Schlafproblemen oder den persönlichen Lebensumständen. Außerdem gebe es für die Lenk- und Ruhezeiten ohnehin schon eine Verordnung, die für alle gelte. Man stehe außerdem mit der Europäischen Transportarbeiterföderation (ETF) in Kontakt, die derzeit über den Entwurf berate.

Von der Vorsitzenden des Beschäftigungsausschusses, Pervenche Bères (Sozialisten und Demokraten) mussten sich die Kommissionsvertreter Pasquarelli und Schmidt massive Kritik gefallen lassen. Sie hätten gegenüber Mai keinerlei neuen Vorschläge zur Anpassung der Richtlinie mitgebracht. Ihr Parteikollege Cercas beschwerte sich außerdem, dass es offensichtlich keine Diskussion mehr mit den Sozialpartnern gebe, wie er aus einem Gespräch mit den Gewerkschaften erfahren habe.

Stimmen gegen den Richtlinienentwurf kamen von Abgeordneten der Sozialisten, Liberalen, Grünen und der Linkspartei. Die Abgeordnete Evelyn Regner von den Sozialisten und Demokraten bringt es auf den Punkt: Vom Sicherheitsaspekt her sei es dringend notwendig die Selbständigen in die Arbeitszeitrichtlinie einzubeziehen. Bereits heute gebe es in Österreich im Verkehr rund 100 Tote, die durch Sekundenschlaf verursacht werden. Eine Einbeziehung der Selbständigen würde den Bürokratieaufwand darüber hinaus erheblich senken. Denn derzeit sei es mit unglaublichem Aufwand verbunden, herauszufinden ob der Selbständige auch wirklich ein Selbständiger oder nur ein Scheinselbständiger ist.

Thomas Händel, ein Vertreter der Linken, machte darauf aufmerksam, dass er als Arbeitsrichter und Gewerkschafter früher öfter mit derartigen Fällen zu tun hatte. Daher weiß er aus der Praxis, dass eine Richtlinie, wie ihn die Kommission vorgeschlagen hat, nicht justiziabel wäre. Darüber hinaus kritisierte er massiv, dass diese Richtlinie wettbewerbsverzerrend sei und die Beschäftigten in die (Schein-)Selbständigkeit drängen würde. Die liberale Abgeordnete Lynn unterstrich, dass sie immer gegen die Richtlinie gewesen sei, denn vom Sicherheitsstandpunkt sei es wichtig diesen Bereich zu regulieren. Von den Folgen einer falschen Rechtssetzung seien auch andere Verkehrsteilnehmer betroffen. Eine finnische liberale Mandatarin informierte die Kommission, dass in ihrem Land in ¼ aller Fälle LKWs an Unfällen beteiligt seien und nicht nur 6 %. Der Abgeordnete Toussas von den Linken hob hervor, dass es mit der Lenk- und Ruhezeitverordnung (VO 561/2006EG) möglich sei bis zu 84 Stunden in der Woche unterwegs zu sein, der Richtlinienvorschlag mache es nun nur noch schlimmer, da Arbeitszeiten wie Be- und Entladen und allgemeine Büroarbeiten dann bei Selbständigen nicht miteinberechnet würden.

Besonders interessant war schließlich eine Wortmeldung einer französischen konservativen Abgeordneten, die sich ebenfalls gegen die Richtlinie stellen wird. In Frankreich habe man die Erfahrung gemacht, dass es seit der Regulierung der Arbeitszeiten für angestellte Fahrer zu weniger Unfällen mit LKW käme. Sie will nicht, dass die Regelung nun durch Scheinselbständige unterlaufen wird.

AK, vida, die für den Straßenverkehr zuständige Fachgewerkschaft und die ETF haben wie bereits im Mai 2009 über schriftliche Positionen und persönliche Gespräche mit Abgeordneten des Europäischen Parlaments auf die Konsequenzen einer solchen Richtlinie nachdrücklich aufmerksam gemacht.

Der weitere Zeitplan sieht nun eine Abstimmung des Berichtes für den 29. September 2009 vor. Sollte er abgelehnt (und damit die Richtlinie nicht zurückgewiesen) werden, dann wurde vereinbart einen neuen Bericht dazu zu verfassen.


Weiterführende Informationen:

Berichtsentwurf von Berichterstatterin Edith Bauer