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Die Fakten, mit denen die Europäische Kommission die zentralen Herausforderungen für die am 16. Jänner 2018 vorgelegte Plastikstrategie begründet, sind beeindruckend: Allein in Europa werden pro Jahr zirka 49 Mio. Tonnen Kunststoff nachgefragt. Der Handlungsbedarf liegt somit auf der Hand. Ob die vorgelegte Strategie ihre Ziele auch erreichen kann, wird sich aber erst in den nächsten Monaten und Jahren zeigen, wenn konkrete Maßnahmen folgen müssen.

 

Die weltweite Kunststoffproduktion hat sich seit den 1960er Jahren verzwanzigfacht. 25,8 Mio. an Kunststoffabfällen Tonnen entstehen jährlich in Europa, von denen aber nur weniger als 30 % für das Recycling gesammelt werden. Der überwiegende Teil wird deponiert, verbrannt oder in Drittstaaten verbracht. Die Nachfrage nach recycelten Kunststoffen ist mit 6 % der gesamten Kunststoffnachfrage aber nahezu verschwindend.

 

Die Ziele, welche die Kommission aufgrund dieser imposanten Zahlen in der Plastikstrategie im Jänner 2018 definiert, lesen sich gut: Alle auf den EU-Markt gebrachten Kunststoffverpackungen sollen bis 2030 wiederverwendbar sein oder sollen kosteneffizient recycelt werden können. Dazu sollen die Recyclingkapazitäten modernisiert und ausgebaut werden. Nicht weniger als 200.000 neue Arbeitsplätze erwartet sich die Kommission in der EU dazu. Europa will damit die Führungsposition bei Trenn- und Recyclingvorrichtungen und deren Technologien ausbauen.

 

Bemerkenswert ist, dass die Kommission eine Entkopplung von Kunststoffabfällen und dem Wirtschaftswachstum erreichen will. Dazu sieht sie beispielsweise Handlungsbedarf bei recyclingfreundlichem Design. Sehr spezifische Verpackungen mit besonderen Zusätzen, die für die Verpackung an sich gar nicht notwendig wären, behindern bisher die Wiederverwertung. Deshalb wird die Überarbeitung der Richtlinie über Verpackungen und Verpackungsabfälle angekündigt.

 

Den Grund, warum derzeit recycelte Kunststoffe kaum verwendet werden, sieht die Kommission in Bedenken von HerstellerInnen und ProduzentInnen, die qualitativ notwendigen und ausreichenden Mengen an recyceltem Plastik nicht in ausreichendem Umfang zu erhalten. Daher will sie mit dem Europäischen Komitee für Normung und der Industrie Qualitätsstandards für wiederverwendete Kunststoffe erarbeiten. Zulassungsverfahren von sicheren Recyclingprozessen sollen zügig abgeschlossen und die sichere Verwendung anderer recycelter Kunststoffmaterialien in Zusammenarbeit mit der Agentur für Lebensmittelsicherheit „in Betracht gezogen werden“. Außerdem startet die Kommission eine Selbstverpflichtungskampagne für private und öffentliche AkteurInnen, um bis 2025 zehn Millionen Tonnen an recycelten Kunststoffen in neuen Produkten zu erreichen.

 

Den VerbraucherInnen wird im Rahmen der Strategie auch eine zentrale Rolle zugeschrieben. BürgerInnen sollen besser informiert werden, wie Abfälle vermieden werden können, und die Abfallsammel- bzw. Trennsysteme sollen nachvollziehbarer gestaltet werden. Gerade bei der Kennzeichnung sieht die Kommission noch Nachbesserungsbedarf, da als „biologisch abbaubar“ gekennzeichnete Kunststoffe nur unter spezifischen Bedingungen auch abgebaut werden und deshalb die Vorteile für die Umwelt nicht eindeutig sind. Außerdem will die Kommission darauf achten, dass „biologisch abbaubare Kunststoffe nicht als Lösung für das Vermüllungsproblem angepriesen werden“.

 

Bereits im Vorfeld zu dieser Strategie ließ Kommissar Günther Öttinger mit einem Vorschlag einer europäischen Plastiksteuer aufhorchen. Während Frans Timmermans, Vizepräsident der Kommission, wenig stichhaltig dagegen argumentierte, indem er auf schnell sinkende Einnahmen verwies, sobald die Plastikstrategie umgesetzt wäre, ist im nun dargelegten Papier tatsächlich die Prüfung einer Einführung steuerlicher Maßnahmen auf EU-Ebene festgehalten.

 

Die Diskussionen in Brüssel und den übrigen europäischen Hauptstädten in den nächsten Wochen und Monaten werden jedenfalls einen ersten Aufschluss geben, ob eine EU-Plastiksteuer und die Erreichung der definierten Ziele in den nächsten Jahren auch realisiert werden können.

 

Weiterführende Informationen

Europäische Kommission: Kunststoffabfälle: eine europäische Strategie zum Schutz unseres Planeten und unserer Bürger und zur Stärkung unserer Industrie

AK Europa: Europäisches Parlament stimmt für strengere Zielvorgaben in der Abfallwirtschaft

AK Europa: Auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft