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ZurückBei sehr hohen Sparquoten wurden 2021 rund 17% des Vermögens privater EU-Haushalte in Form von Finanzpapieren (Aktien, Anleihen, etc.) gehalten. In den USA liegt dieser Anteil bei 43%. Mit einem Paket zum Schutz und zur Stärkung von Kleinanleger:innen möchte die EU-Kommission dazu beitragen, dass das Interesse der Konsument:innen für die EU-Kapitalmärkte steigt. Am 24. Mai wurde der lange angekündigte Vorschlag präsentiert. Im Zentrum der öffentlichen Debatte steht ein Provisionsverbot für Finanzberater:innen, oder vielmehr dessen zögerliche Umsetzung.
Das Ziel, die langfristige Anlagetätigkeit für EU-Bürger:innen attraktiver und sicherer zu gestalten, setzte sich die EU-Kommission schon mit dem Aktionsplan 2020 für die Kapitalmarktunion. Nichtsdestotrotz bevorzugen diese jedoch klassische Bankeinlagen. Zurückzuführen sei dies unter anderem auf mangelndes Vertrauen, meint EU-Kommissar Valdis Dombrovskis. Die Dominanz provisionsbasierter Vertriebsmodelle soll einer der Gründe dafür sein. Dabei geht es um Provisionszahlungen, die Anlageberater:innen – nach erfolgreicher Vermittlung an die Konsument:innen – vom Hersteller des Finanzprodukts erhalten. Daraus kann sich ein Anreizsystem ergeben, das eine faire und transparente Beratung im Interesse von Kleinanleger:innen gefährdet. Tatsächlich konnte festgestellt werden, dass eben jene Finanzprodukte im Durchschnitt rund 25% teurer sind als vergleichbare Produkte ohne Vermittlungsgebühren. In einer Rede im Jänner 2023 betonte Mairead McGuinness, die zuständige EU-Kommissarin für Finanzdienstleistungen, Finanzstabilität und Kapitalmarktunion, dass alle EU-Konsument:innen das Recht auf angemessene Beratung zu angemessenen Preisen hätten. Maßnahmen, die ausschließlich auf die Steigerung von Transparenz abzielen, würden daher nicht ausreichen. Der zugehörige Vorschlag der EU-Kommission zu einer neuen Strategie für Kleinanleger:innen folgte am 24. Mai 2023.
Neue Vorschriften fokussieren auf Offenlegung, Finanzberatung, Marketing und Finanzwisse
Ein sinnvolles Engagement auf Kapitalmärkten kann sich für Kleinanleger:innen schwierig gestalten. Informationen über Anlageprodukte sind meist schwer zugänglich, kompliziert aufgebaut und zudem nicht harmonisiert. Der Kommissionsvorschlag setzt deshalb unter anderem bei den Offenlegungspflichten für Finanzprodukte an. Basisinformationsblätter – dem Produkt beigelegte Dokumente zu Kosten, Risiken und Renditen – sollen die wesentlichsten Punkte künftig vereinfacht und prominent am Seitenanfang darstellen. Neben einer Ergänzung um nachhaltigkeitsbezogene Aspekte des Finanzprodukts ist zudem eine Anpassung an das digitale Zeitalter angedacht. Diese beinhaltet auch strengere Regeln gegen irreführendes Marketing, speziell auf neuen Vermarktungskanälen, wie beispielsweise in sozialen Medien oder durch Influencer:innen. Ein weiterer Punkt betrifft das Kosten-Nutzen-Verhältnis der Finanzprodukte, welches zukünftig anhand harmonisierter Referenzwerte beurteilt werden soll.
Provisionsverbot, aber nur für reine Ausführungsgeschäfte
Im Kern des Kommissionsvorschlags steht ein partielles Provisionsverbot. Dieses betrifft reine Ausführungsgeschäfte – also Verkäufe von Anlageprodukten ohne Finanzberatung. Dass es nicht zu einem vollständigen Provisionsverbot kam, wie es beispielsweise im Vereinigten Königreich oder den Niederlanden bereits besteht, bestimmt derzeit die öffentliche Debatte über den Vorschlag. Dahinter vermutet man starke Lobbyarbeit großer Vermögensberater (u.a. auch BlackRock und Schroders). Hinzu kam politischer Druck aus einzelnen Mitgliedstaaten, auch die Finanzminister von Österreich und Deutschland sprachen sich gegen ein komplettes Provisionsverbot aus. Gegner:innen des Provisionsverbots berufen sich auf die große Bedeutung der Vermittlungsgebühren für den Bankensektor und den Wert eines allgemeinen Zugangs zu hochwertiger Beratung. Demgegenüber können Provisionen aber auch dazu führen, dass Finanzberatungen in vielen Fällen nichts anderes als Verkaufsgespräche sind, so BEUC Direktorin Monique Goyens. Nicht nur angesichts der weitreichenden Folgen, die schlechte Anlageentscheidungen für Konsument:innen nach sich ziehen können, ist jedenfalls klar, dass faire Beratung und eine transparente Kostenübersicht für Kleinanleger:innen dringend sichergestellt werden müssen.
Weiterführende Informationen:
BEUC: European Commission proposes insufficient reform to fix broken retail investment market (Nur Englisch)
Financial Times: Critics lament Brussels’ decision to rule out full ban on kickbacks (Nur Englisch)
EU-Kommission: Kapitalmarktunion: Kommission schlägt neue Vorschriften vor, mit denen Kleinanleger in der EU geschützt und gestärkt werden
EURACTIV: EU-Kleinanleger-Strategie: Verbot von Verkaufsprovisionen vom Tisch
EURACTIV: Berlin und Wien gegen EU-weites Verbot anzreizbasierter Finanzberatung
A&W Blog: Kapitalmarktunion – die eierlegende Wollmilchsau?