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Nicht nur im Straßenverkehr gibt es akuten Handlungsbedarf, um endlich wirksam Sozialdumping zu vermeiden, sondern auch im Luftverkehr gibt es viel zu tun. Am Freitag, den 10. August 2018, kam es an verschiedenen Standorten der Billigfluglinie RyanAir zu Streiks, mit denen PilotInnen und Kabinenpersonal auf ihre schlechten Arbeitsbedingungen und die fehlende Verhandlungsbereitschaft von Seiten des Managements hinwiesen.

 

Arbeitsverträge nach den jeweiligen Standorten der PilotInnen und nicht mehr nach irischem Recht, ein Ende der Scheinselbständigkeit, ein faires und transparentes System des Standortwechsels, faire Kranken- und Pensionsbestimmungen und ein echter Dialog zwischen ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen sind schon länger wichtige Forderungen der streikenden RyanAir PilotInnen und des Kabinenpersonals. Gewerkschaften wiesen seit vielen Jahren immer wieder auf die schlechten Arbeitsbedingungen bei Billigfliegern hin.

 

Jedoch haben diese Forderungen nicht zu einem Einlenken des Managements geführt. Deswegen wendeten sich die europäischen Dachverbände der Transportgewerkschaften nun an die EU-Institutionen. In einem offenen Brief an VertreterInnen von Kommission, Rat und Parlament weisen die Europäische TransportarbeiterInnen Gewerkschaft (ETF) und die Internationale TransportarbeiterInnen Föderation (ITF) auf ihre Kritik und Forderungen hin. Nach den operationellen Schwierigkeiten im Betrieb, durch den hunderte Flüge gestrichen wurden, war den Gewerkschaften von Violeta Bulc, EU-Kommissarin für Mobilität & Transport, im Vorjahr ein „Sozialpaket für den Flugverkehr“ versprochen worden. Jedoch wurden seitdem keine signifikanten Handlungen seitens der EU gesetzt, was zu den derzeitigen Streiks geführt habe, so die Gewerkschaften. Ausgangsproblem ist hierbei, dass PilotInnen und FlugbegleiterInnen nach irischem Recht angestellt werden und nicht nach den jeweiligen Tarifverträgen in Staaten ihres Hauptstandortes. Dies steht allerdings nicht im Gegensatz zum geltenden EU-Recht. Die Gewerkschaften vermissen zusätzlich die Grundlagen für sozialen Dialog bei RyanAir, um substantielle Änderungen zum Nutzen der Belegschaft verhandeln zu können. Außerdem verwenden Billigfluglinien häufig Zeitarbeitsagenturen, um Personal zu rekrutieren. Auch hier müsse die Kommission Verordnungen erlassen, die eine angemessene Definition für Zeitanstellung im Flugverkehr vorsieht, um eine Gleichbehandlung von ZeitarbeiterInnen zu gewährleisten, so der offene Brief.

 

Schon in einer Studie von 2015 des Instituts für Sozialrecht der Universität Gent, die von der Europäischen Kommission mitfinanziert wurde, gaben 16,1 % der befragten PilotInnen an, atypisch beschäftigt zu sein. 5,4 % waren durch Zeitarbeitsfirmen angestellt, und auch Scheinselbstständigkeit ist gerade unter jungen PilotInnen weit verbreitet. Aufgrund dieser Konstrukte verliert das Personal bei Krankheit, Urlaub, Schwangerschaft, Flugausfällen oder Flugplanänderungen seinen Anspruch auf Zahlungen. Auch das „Pay-to-Fly“ Konzept ist bei Billigfliegern weit verbreitet: Junge PilotInnen müssen die Fluggesellschaften bezahlen, um Flugstunden sammeln zu können und so ihre Chancen auf eine Anstellung zu erhöhen. 84 % aller atypisch beschäftigten PilotInnen, die befragt wurden, arbeiteten bei Billigfluglinien. Das Kabinenpersonal ist davon gleichermaßen betroffen. Gerade bei RyanAir werden große Teile der FlugbegleiterInnen über Zeitarbeitsfirmen engagiert.

 

Das Arbeiten des Unternehmens mit Subunternehmen erschwert auch die Identifizierung der haftenden Partei, weswegen das „Home-Base-Prinzip“ eine wesentliche Forderung der Vereinigung Cockpit (VC) darstellt. Es handelt sich dabei um die Zuweisung des Personals zu den jeweiligen Standorten, nach deren geltender Sozialgesetzgebung sie auch angestellt sein sollten. 2015 gaben 9 % der Befragten an, dass der ihnen zugewiesene Standort nicht mit ihrem tatsächlichen übereinstimmen würde.

 

Rückendeckung für die Streiks der Belegschaft kam auch vom europäischen Gewerkschaftsbund (EGB), der hinsichtlich der gesetzten Aktionen der PilotInnen von einem „guten Signal“ sprach. Gerade die länderübergreifenden Streiks seien ein Zeichen an andere internationale Unternehmen, die ihre ArbeitnehmerInnen gegeneinander ausspielen. Mittlerweile ließ die deutsche Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) verlautbaren, dass sie in Dublin Tarifverhandlungen mit RyanAir aufgenommen habe, nachdem es im Juni zu einer Anerkennungsvereinbarung kam. Parallel dazu verhandelt die VC für die PilotInnen mit dem RyanAir Management. Diese Verhandlungen finden im Rahmen der von der ITF initiierten Kampagne „CabinCrewUnited“ mit PartnerInnenorganisationen aus mehr als 13 Ländern statt. Mittlerweile gibt es aus einigen Ländern Fortschritte zu berichten. Am 28. August 2018 verkündete die italienische PilotInnenvertretung ANPAC, dass eine Einigung erzielt werden konnte. Auch in Irland stehen die Verhandlungen vor dem Abschluss. Dies stellt eine Signalwirkung für die anderen VerhandlerInnen in ganz Europa dar.

 

Weiterführende Informationen:

AK Europa: Luftfahrt – Ein offenes und gut angebundenes Europa

Internationale TransportarbeiterInnen Föderation (ITF)

Europäische TransportarbeiterInnen Föderation (ETF)