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ZurückIn seinem neuen Buch „Rewriting the Rules of the European Economy” entwickelt Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz neue Ideen für die Wirtschafts- und Sozialpolitik der Europäischen Union. Dabei schlägt er neue Regeln für Institutionen und Politik in den Bereichen Beschäftigung, Stabilität und Wachstum vor.
In seiner neuesten Publikation, die in Zusammenarbeit mit der Foundation of European Progressive Studies (FEPS) und zahlreichen europäischen WissenschaftlerInnen entstand, unterstreicht Joseph Stiglitz die Notwendigkeit einer Neugestaltung der europäischen Wirtschaftspolitik. Bei einer Veranstaltung am 21. März 2019 stellte der Preisträger das Buch erstmals vor und forderte: „Wirtschaftliches Handeln muss in erster Linie der Gesellschaft dienen“. Daher benötigt es eine Neuformulierung der Regeln, unter denen dies geschieht. Bei einem anschließenden Gespräch mit EU-Kommissar Pierre Moscovici und MEP Jeppe Kofod (S&D) wurden mögliche Maßnahmen für die EU diskutiert.
Beschäftigung statt Austerität
Während der Wirtschaftskrise 2008 hat die EU auf massive Sparprogramme und die Senkung der Staatsausgaben gesetzt. Der weitestgehende Verzicht auf antizyklische Maßnahmen hatte allerdings zur Folge, dass tausende Menschen ihre Arbeit verloren, dass sozialstaatliche Unterstützungen minimiert oder, wie in Griechenland der Fall, zur Gänze gestrichen wurden. Stiglitz betont, dass statt einem strengen Sparprogramm, soziale Investitionen in den Bereichen Beschäftigung, Bildung etc. sinnvoller gewesen wären. Diese hätten die Volkswirtschaften gestärkt, anstatt sie zu schwächen.
Ausbau des Wohlfahrtstaates
Stiglitz hebt außerdem die Wichtigkeit des europäischen Wohlfahrtsstaats hervor. Länder mit einem gut ausgebauten Wohlfahrtsstaat haben die Krise viel besser überstanden als Länder mit einem schlechten sozialen Sicherheitsnetz. Der Abbau sozialstaatlicher Einrichtungen während der Krise hat den Wohlfahrtsstaat allerdings geschwächt, was zu Unsicherheiten in der Gesellschaft führte und extreme politische Bewegungen gestärkt hat. „Wohlfahrtstaaten sind die Lösung und nicht das Problem der modernen Gesellschaft“, betonte Kofod und forderte daher einen Ausbau.
ArbeitnehmerInnenrechte stärken
Des Weiteren braucht es Investitionen in gute Beschäftigungsverhältnisse mit angemessenem Lohn, da sonst die Gefahr von „working poor“ groß ist. Dazu bedarf es auch der Stärkung von Gewerkschaften und ihrer Position in Tarifverhandlungen, da eine Schwächung der Sozialpartnerschaft nachgewiesenermaßen zu mehr Ungleichheit führt. Zudem muss die EU Lösungen für die Veränderungen im Arbeitsmarkt durch die zunehmende Digitalisierung entwickeln, um langfristig gute Lebens- und Arbeitsbedingungen für alle garantieren zu können.
Neue Investitionen
Eine weitere Herausforderung ist der Klimawandel. „Die zukünftige Gesellschaft muss grün sein“, forderte Moscovici und sieht bei der EU Handlungsbedarf. Es braucht Investitionen in umweltfreundliche und grüne Wirtschaftsbereiche sowie die Einführung bzw. Erhöhung von Steuern in nicht-nachhaltigen Sektoren. Zudem müssen auch die sozialen Folgen des Klimawandels in den Entscheidungsprozessen mitbedacht werden. Anstatt Liberalisierungen braucht es öffentliche Investitionen in den Bereichen Technologie, Industrie, Bildung, Gesundheit und Infrastruktur, da diese Ausgaben für das Wirtschaftswachstum entscheidend sind.
Holistische Sichtweise
Um den Herausforderungen unserer Zeit gewachsen zu sein, reicht eine eindimensionale Sicht auf Wohlstand nicht mehr aus. Das Wirtschaftswachstum darf nicht mehr das Maß aller Dinge sein, sondern es müssen auch soziale und ökologische Faktoren berücksichtigt werden. Es braucht daher eine holistische Sichtweise für zukünftige politische Entscheidungen. Um dies zu schaffen, bedarf es Alternativen zu den bestehenden Regeln und politischen Willen zu Veränderung.
Weiterführende Informationen:
Publikation von Jopseh Stiglitz: Rewriting the Rules of the European Economy