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ZurückAm 25. Mai 2023 präsentierte die EU-Kommission ihr Frühjahrspaket zum Europäischen Semester 2023 zur Sicherung von „langfristigem Wohlstand, Wettbewerbsfähigkeit, Gerechtigkeit und Resilienz der EU“. Insgesamt, wie auch in den Länderspezifischen Empfehlungen für Österreich, finden sich durchaus begrüßenswerte Ansätze, beispielsweise die Förderung von Frauen und benachteiligten Gruppen am Arbeitsmarkt. Ein fairer Übergang, bei dem niemand zurückbleibt, ist jedoch noch lange nicht in Sicht.
Gemäß der Frühjahrsprognose der EU-Kommission trotze die europäische Wirtschaft der schwierigen globalen Lage, wenn auch mit bescheidenem Erfolg. Der Wachstumsausblick wurde für die Jahre 2023 und 2024 auf 1,0% bzw. 1,7% nach oben korrigiert. Negativ dürften sich schwierige Finanzierungsbedingungen und die hohe Kerninflation auswirken. Im Zuge des Frühjahrspakets des Europäischen Semesters 2023 präsentiert die Kommission Leitlinien, welche die Mitgliedstaaten bei der Schaffung einer robusten und zukunftsfähigen Wirtschaft unterstützen sollen. Dabei rät die EU-Kommission zu einem alle Politikbereiche umfassenden Ansatz, der ökologische Nachhaltigkeit, Produktivität, Gerechtigkeit und makroökonomische Stabilität fördere.
Generelle an die Mitgliedstaaten gerichtete Empfehlungen der EU-Kommission
Der Umsetzung der nationalen Aufbau- und Resilienzpläne solle laut EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni Vorrang eingeräumt werden, „denn sie sind unser wirksamstes Instrument, um dauerhaften und gemeinsamen Wohlstand zu erreichen.“ In diesem Zusammenhang sind bereits mehr als 152 Mrd. Euro durch die EU-Kommission für die Umsetzung „wichtiger Reformen und Investitionen“ ausgezahlt worden. Angesichts der stabilisierten Energiepreise sollen die Mitgliedstaaten bis Ende dieses Jahres ihre Maßnahmen im Zusammenhang mit Energiepreisschocks auslaufen lassen, die Einsparungen sollen dem Abbau von Verschuldungen zugutekommen, so die Kommission.
Erstmals seit der Aktivierung der allgemeinen Ausweichklausel gebe es nach Exekutiv-Vizepräsident Valdis Dombrovskis wieder quantifizierte Empfehlungen für die Fiskalpolitik: National finanzierte öffentliche Investitionen sollen beibehalten werden und jene Mitgliedstaaten, die ihr mittelfristiges Haushaltsziel nicht erreicht haben, sollten eine umsichtige Haushaltspolitik verfolgen. Um einen reibungslosen grünen und digitalen Übergang voranzutreiben und die Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze zu unterstützen, brauche es nach Nicolas Schmit, dem EU-Sozialkommissar, „eine starke und gezielte Beschäftigungs- und Sozialpolitik, die mit der Industrie-, Wirtschafts- und Fiskalpolitik Hand in Hand geht.“ EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni wies auch auf die besondere Notwendigkeit der weiteren Umsetzung der Europäischen Säule Sozialer Rechte hin.
So sehr die sozialen Ziele im Rahmen des Frühjahrspakets aus Perspektive der Arbeitnehmer:innen zu begrüßen sind, so ist dennoch auch eine Neuauflage eines austeritätspolitischen Kurses nicht vom Tisch. Insgesamt bleibt die Verteilungslage besorgniserregend, und ob im Zuge des grünen und digitalen Übergangs tatsächlich niemand zurückgelassen wird, ist alles andere als sichergestellt. Fraglich ist auch, ob es genügend Spielraum gibt, die dringend notwendigen Zukunftsinvestitionen tatsächlich zu tätigen.
Empfehlungen für Österreich aus Sicht der Arbeiterkammer
Die Empfehlungen für Österreich enthalten mehr Licht als Schatten, dennoch gibt es einiges an Änderungsbedarf, welcher im Zuge der nun laufenden Verhandlungen thematisiert und umgesetzt werden sollte.
So zielt die erste Empfehlung der Kommission darauf ab, die geltenden energiepolitischen Entlastungsmaßnahmen bis Ende 2023 zurückzufahren, was aus AK-Sicht angesichts der weiterhin hohen Risiken im Energiesektor verfrüht ist. Allerdings sollte von der geplanten Ausweitung von weiteren Entlastungsmaßnahmen für Unternehmen (siehe „Stromkosten-Ausgleichsgesetz“) Abstand genommen werden. Und bei zukünftigen neuerlichen Entlastungsmaßnahmen ist auch sicherzustellen, dass diese effektiv die Inflation reduzieren und die Energieversorgungsunternehmen wesentlich zu deren Finanzierung beitragen.
Positiv ist die Empfehlung, öffentliche Investitionen in den grünen und digitalen Wandel zu fördern und den „Steuermix zugunsten eines inklusiven und nachhaltigen Wachstums“ zu verbessern, wobei aus AK-Sicht auch ein Schwerpunkt auf vermögensbezogene Steuern zu setzen ist. Ein Thema bleibt die „finanzielle Tragfähigkeit“ des Gesundheits- und Pflegewesens – was jedoch aus AK Sicht fehlt, ist ein klarer Fokus auf die Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Besonders erfreulich ist die Empfehlung, die Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt zu fördern, unter anderem durch die Verbesserung von Kinderbetreuungsangeboten. Auch die Empfehlung, die Partizipation von benachteiligten Gruppen, wie zum Beispiel geringqualifizierten Arbeitssuchenden und Menschen mit Migrationshintergrund, mithilfe von Ausbildungsmaßnahmen zu erhöhen, ist sehr begrüßenswert. Hier sollten allerdings auch die Unternehmen stärker in Pflicht genommen werden, in die Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter:innen zu investieren. Ebenso sollte generell ein Rechtsanspruch auf Weiterbildungsmaßnahmen verankert werden. Weiters fehlt eine Empfehlung zur Verbesserung des Bildungssystems generell. Und es mangelt grundsätzlich am Verständnis, dass von der Bundesregierung mehr getan werden muss, um das Sozialsystem armutsfest zu machen. Demgegenüber sind die Empfehlungen, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen weiterhin zu senken, den Ausbau erneuerbarer Energien zu beschleunigen, die Energieeffizienz zu steigern und die Emissionen, insbesondere im Verkehrssektor, zu verringern, zu unterstützen.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: Förderung von Zukunftsinvestitionen und soziale Ausgewogenheit? Neuer Vorschlag für EU Fiskalregeln nicht überzeugend
EU-Kommission: Presseaussendung zu politischen Leitlinien im Rahmen des Europäischen Semesters
EU-Kommission: Frühjahrsprognose 2023
EU-Kommission: Länderspezifische Empfehlungen für Österreich (Nur Englisch)
EU-Kommission: Fragen und Antworten zum Frühjahrspaket 2023 (Nur Englisch)