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Anfang dieser Woche fand im Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europäischen Parlaments eine öffentliche Anhörung zum Thema innovative Finanzierung zur Konsolidierung der Haushalte statt. Neben einer Rede von Kommissars Šemeta, zuständig für Steuern und Zölle, gab es drei Fachvorträge über eine Besteuerung des Finanzsektors, die so genannte CO²-Steuer und Euroanleihen. Insbesondere die Debatte um die Besteuerung des Finanzsektors wurde wie gewohnt intensiv geführt.
Algirdas Šemeta nahm zu Beginn seiner Rede Bezug auf den Bericht der griechischen S&D-Abgeordneten Podimata. In seinem Vortrag, so kündigte der Kommissar eingangs an, wolle er vor allem die drei darin angesprochenen Themen aufgreifen: neben der Besteuerung des Finanzsektors handelt es sich dabei um die Besteuerung auf CO²-Emmissionen sowie um Euroanleihen.

In Bezug auf die Finanzmarktbesteuerung wiederholte Šemeta die folgenden Ziele der Kommission: Der Finanzsektor soll einen fairen und substanziellen Beitrag leisten; durch die Besteuerung des Sektors sollen die bestehenden Regulierungsmaßnahmen ergänzt werden ohne den Wettbewerb zu gefährden; es soll ein Patchworksystem national unterschiedlicher Finanzmarktsteuern vermieden werden, das neue Hindernisse für den Binnenmarkt schafft.

Danach wiederholte er, was die Kommission schon im Herbst in einer Mitteilung vorgelegt hatte: ihren Analysen zufolge scheint eine Besteuerung der Finanzaktivitäten vielversprechender als die Einführung einer Finanztransaktionssteuer,, da eine solche Steuer die oben genannten Kriterien erfülle und Stabilität gewährleiste. Der IWF und zahlreiche wissenschaftliche Studien würden das bestätigen. Bei einem Höchststeuersatz von 5 % könnte man Berechnungen zufolge € 25 Mrd. in den 27 Mitgliedsländern einnehmen.

Es stehe nun noch eine Folgenabschätzung aus, dabei sollen die kumulativen Auswirkungen von neuen Regulierungen, Bankenabgabe und Steuern auf Finanzinstitutionen bewertet werden.

Auf globaler Ebene unterstütze die Kommission weitere Untersuchungen zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Die Umsetzung einer Finanztransaktionssteuer nur auf EU-Ebene werde ebenfalls Gegenstand der Folgenabschätzung sein. Auf all diese Analysen aufbauend werde die Kommission dann einen formellen Gesetzesvorschlag vorlegen.

In der anschließenden Diskussion erklärte sich die Abgeordnete Podimata mit den genannten Zielen voll und ganz einverstanden. Sie erkenne jedoch nicht, wie eine Besteuerung der Finanzaktivitäten, also der Profite, zum zweiten Ziel – Ergänzung der Aufsicht der Finanzmärkte – beitragen soll. Kommissar Šemeta erwiderte, dass je nach Ausrichtung dieser Steuer auch dieses Ziel erreicht werden kann, etwa wenn die Risikoträchtigkeit einer Aktivität in deren Besteuerung einfließt. Er betonte außerdem, dass die Arbeiten noch nicht abgeschlossen seien und es nach Vorliegen der Gesetzesvorschläge der Kommission weitere Diskussionen geben werde.

Der grüne Abgeordnete Sven Giegold merkte an, dass ein Beitrag von € 25 Mrd. durch eine Finanzaktivitätssteuer zu wenig sei im Vergleich zu den externen Kosten, die der Finanzsektor dem Rest der Wirtschaft verursache.

Der liberale Abgeordnete Olle Schmidt wollte von Šemeta wissen, welches der vorgestellten innovativen Finanzierungsinstrumente er bevorzugen würde. Seiner Meinung nach ließe sich das Problem jedenfalls nicht durch mehr Steuern lösen.

Šemeta erwiderte, dass es sich bei den vorgestellten Instrumenten um ganz unterschiedliche Steuern mit verschiedenen Zielen handle. Bei der Besteuerung des Finanzsektors gehe es für ihn darum, eine Steuerlücke zu schließen, aus den bisherigen Analysen ergebe sich eben, dass eine Besteuerung der Finanzaktivitäten einer Finanztransaktionssteuer vorzuziehen ist. Es sei dabei etwa einfacher zu vermeiden, dass die Steuer auf die EndverbraucherInnen abgewälzt wird.

Die sozialdemokratische Abgeordnete Beres wies darauf hin, dass die Kommission offenbar mit zweierlei Maß messe was den Einsatz von Folgeabschätzungen betreffe: „Jedesmal, wenn wir eine Maßnahme fordern, müsste es eine Folgeabschätzung geben, und dort wo sich das besonders auf den Bürger auswirkt, also bei der Überarbeitung des Stabilitätspakts, wurde keine Folgeabschätzung angefertigt.“ Außerdem merkte sie wie schon Podimata an, dass sie den Nutzen einer solchen Abschätzung nicht sehe, wenn die Kommission bereits zu dem Schluss gekommen sei, dass eine der beiden Optionen unrealistisch sei.

Weitere Beiträge drehten sich um die Frage, welche Ausnahmen es bei der Finanzaktivitätensteuer geben soll und um genaue Pläne und Termine zur gemeinsamen konsolidierten Körperschaftssteuergrundlage. Ersteres lasse sich jetzt, so Šemeta, noch nicht beantworten, zu letzterem werde im ersten Viertel des Jahres ein Vorschlag vorgelegt.

Der österreichische Ökonom Stephan Schulmeister wies in seinem Fachvortrag darauf hin, dass der Hochfrequenzhandel, der die modernen Finanzmärkte bestimme, langfristig zu riesigen Preisanstiegen geführt habe. Das habe zur Folge, dass Investoren nur kurzfristige Gewinne suchen, etwa über die berühmten Credit Default Swaps, und somit Finanzkrisen fördern. Diese Möglichkeit sei schlicht und einfach zu profitabel, als dass etwa Goldman Sachs diese Gelegenheit ungenützt verstreichen lassen könne, solange die Spielregeln das erlauben.

Eine Finanztransaktionssteuer würde, da sie all diese schnellen und spekulativen Transaktionen erfasst, genau die treffen, deren Aktivtäten wirklich zur Entwicklung der Finanz- und Eurokrise beigetragen haben. Die Banken, die sich immer noch in der wirklichen Wirtschaft aufhalten und etwa Kredite vergeben, würden nicht erfasst werden. Bei einer Finanzaktivitätssteuer hingegen würden auch diese so genannten langweiligen Banken erfasst werden, denn da kann man nicht diskriminieren zwischen den Banken, die „herumspekulieren“, und denen, die dir reale Wirtschaft bedienen.

Weiterführende Informationen:

Entwurf eines Berichts über innovative Finanzierung auf globaler und euorpäischer Ebene

Rede von Steuerkommissar Šemeta vor dem Wirtschafts- und Währungsausschuss (nur in Englisch)