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ZurückMit einem Klick bringt uns ein:e Deliveroo-Radfahrer:in frisch gekochtes Essen vor die Haustür, kutschiert uns ein:e Uber-Fahrer:in von A nach B und räumt eine Helpling-Reinigungskraft unser Zuhause auf. Plattformen und die Inanspruchnahme dieser Dienstleistungen sind inzwischen fester Bestandteil unseres Alltags. Auf die Frage nach den Arbeitsbedingungen der Beschäftigten wird bei all der Bequemlichkeit gern vergessen.
Der gestrige Welttag für menschenwürdige Arbeit, welcher jährlich am 7. Oktober stattfindet, soll unter anderem auf genau diese Arbeitsbedingungen aufmerksam machen. Der Europäische Gewerkschaftsbund nimmt diesen Tag zum Anlass, um auf die prekären Arbeitsbedingungen von Plattformbeschäftigten hinzuweisen. So wurde gestern lautstark für menschenwürdige Arbeitsbedingungen für Plattformbeschäftigte vor den EU-Institutionen in Brüssel demonstriert.
Arbeit, die über Plattformen vermittelt wird, ist in den letzten Jahren und vor allem auch durch die Covid-19 Krise stark angestiegen. Die Negativseiten der Plattformökonomie, wie das Fehlen von Sozialschutz und Einkommensstabilität, werden immer offensichtlicher: Plattformbetreiber:innen stellen Plattformarbeit meist als atypische Beschäftigungsform dar. Dies führt dazu, dass Arbeitsbedingungen und soziale Rechte von Plattformarbeiter:innen nicht den Schutzvorschriften regulärer Arbeitsverhältnisse unterliegen. In dieser Grauzone zwischen wirtschaftlicher Abhängigkeit und Selbstständigkeit sind die Plattformbeschäftigten besonders ausgeliefert, daher ist eine klare Regulierung und konzertiertes Handeln auf EU-Ebene unerlässlich. So hat am 15. September 2021 das Europäische Parlament mit einer klaren Mehrheit für den Bericht über eine Regulierung der Arbeitsbedingungen von Plattformbeschäftigten gestimmt.
Die Schwerpunkte des Berichts des EU-Parlaments spiegeln auch die wichtigsten Forderungen von Gewerkschaften, Arbeitnehmer:innenorganisationen und NGOs wider:
- Ende der Scheinselbständigkeit und Beweislastumkehr: Plattformen ordnen Arbeitnehmer:innen oft als selbständig ein, in dem Fall gelten keine Mindestentgeltbestimmungen und Kollektivverträge. Hier braucht es eine Umkehr der Beweislast, sodass das Plattformunternehmen in Zukunft die Selbständigkeit der Arbeitnehmer:innen nachweisen müssen und nicht umgekehrt.
- Sozialer Schutz und Arbeitsausrüstung: Unabhängig vom Arbeitsstatus muss sozialer Schutz gewährleistet sein. Plattformarbeiter:innen müssen Anspruch auf Krankenversicherung und Entschädigungszahlungen im Fall eines Unfalls oder einer Krankheit haben. Auch muss die notwendige Arbeitsausrüstung von der Plattform zur Verfügung gestellt werden. Die Covid-19 Krise hat klar gezeigt, dass Plattformbeschäftigte in vielen Fällen ohne jeglichen sozialen Schutz arbeiten müssen.
- Erhöhte Transparenz bei Algorithmen: Plattformarbeiter:innen werden oft auf Grundlage eines Algorithmus bezahlt, befördert und auch entlassen, wenn gewisse Quoten nicht erfüllt werden. Der EP-Bericht fordert, dass die Entscheidungen dieser Algorithmen transparent, ethisch vertretbar und zuverlässig sein müssen und letztlich von Menschen zu kontrollieren sind. Dies soll dem massiven Diskriminierungspotenzial algorithmischer Rating-Systeme entgegenwirken.
- Kollektivverhandlungen: Unabhängig davon, ob Plattformbeschäftigte angestellt oder selbständig sind, müssen sie die Möglichkeit haben, sich für Kollektivverhandlungen zu organisieren und Gewerkschaften beizutreten. Die Schaffung eines sogenannten „dritten Beschäftigungsstatus" muss unbedingt ausgeschlossen werden. Weiters braucht es eine Beschwerdestelle für alle Plattformbeschäftigte, wo auch Vorfälle von Belästigung oder Diskriminierung gemeldet werden können.
Die Kommission hat einen EU-Legislativvorschlag zur Regulierung von Plattformbeschäftigung schon lange angekündigt. Er soll nun am 8. Dezember 2021 vorgelegt werden. Neben vielen anderen Gewerkschaften und Arbeitnehmer:innenorganisationen weist AK EUROPA schon seit Jahren auf die Umgehung des Sozialschutzes und vor allem des Arbeits- und Sozialrechts bei Plattformen hin. Es bleibt zu hoffen, dass auch die EU-Kommission auf die dringenden Forderungen der Arbeitnehmer:innenseite eingehen wird.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: Plattformarbeit: Dringender Regulierungsbedarf
A&W Blog: Plattformarbeit: warum es eine EU-Plattformarbeits-Richtlinie braucht
ETUC: Make Platform Companies Respect The Rules #WDDW21
Internationaler Gewerkschaftsbund: Building Workers’ Power