Nachrichten

Zurück

„Zwar nicht frei von Träumen, aber kein Träumer“ sei er, so Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in seiner Rede auf der dieswöchigen Pressekonferenz (14.2.2018), in welcher er die neue Kommissionsmitteilung „A Europe that delivers“ zur institutionellen Arbeit der EU präsentierte. Diese Aussage steckt auch den Rahmen für die vorgeschlagenen Reformen: Diese beschränken sich im Wesentlichen auf den Ausbau des SpitzenkandidatInnen-Systems, welches bei den Europa-Wahlen 2014 erstmals zum Einsatz gekommen ist. Weitergehende Reformschritte wie transnationale Wahllisten oder eine Doppelpräsidentschaft von Kommission und Europäischem Rat werden zwar als Visionen skizziert, aber als vor den Europawahlen 2019 nicht mehr realisierbar tituliert.

 

Als Langzeitperspektive nennt Juncker einmal mehr den Ausbau der EU zu einem echten Zwei-Kammer-System mit Rat und EU-Parlament. Er tritt – wie bereits in seiner Rede zur Lage der Union im September 2017 – für die Fusionierung des Amtes des Kommissionspräsidenten mit jenem des Europäischen Rates ein. Solche Schritte scheinen jedoch nicht mehr zu seinen „Lebzeiten als EU-Kommissionspräsident“ realisierbar, stellt Juncker gleich einschränkend fest.

 

Ausbau des SpitzenkandidatInnen-Systems

Gegenwärtig liegt der Fokus der Kommission auf der Beibehaltung und Verbesserung des SpitzenkandidatInnen-Systems der Europa-Wahlen 2014. Entgegen der Forderung zahlreicher Mitgliedstaaten im Rat, allen voran Frankreich unter Emanuel Macron, von diesem System abzukehren, habe sich das Modell aus Kommissionssicht grundsätzlich bewährt. Auch das EU-Parlament hatte sich in der Vorwoche für die Beibehaltung des SpitzenkandidatInnen-Prozess ausgesprochen.

 

Zur Verbesserung des gegenwärtigen Systems tritt die Kommission für eine frühere Nominierung der SpitzenkandidatInnen (bis Ende 2018) und einen früheren Beginn des Wahlkampfes ein. Die Erfahrungen mit den Wahlen 2014 hätten gezeigt, dass den KandidatInnen nur wenige Wochen Zeit blieb, um sich in allen Mitgliedstaaten entsprechend zu präsentieren. Duelle der SpitzenkandidatInnen sollen auf den öffentlich-rechtlichen Kanälen ausgestrahlt werden. So haben im EU-Wahlkampf 2014 TV-Debatten der KandidatInnen nur in wenigen Ländern, u.a. in Österreich, stattgefunden. Zudem sollen die Verbindungen zwischen den nationalen und europäischen Parteien besser verdeutlicht werden, etwa durch Aufdruck auf den Wahlkampfmaterialen. Mit Blick auf die Mitgliedstaaten im Rat, hält die Kommission jedoch fest, dass es nach wie vor keinen Automatismus gäbe, wonach der/die WahlsiegerIn automatisch KommissionspräsidentIn würde.

 

Transnationale Listen

Vor dem Hintergrund des Brexits hat der Europäische Rat zu entscheiden, wie mit den bisher auf das Vereinigte Königreich fallenden Sitzen verfahren werden soll. Eine Möglichkeit wäre, die frei werdenden Mandate für transnationale Wahllisten zu reservieren. Das EU-Parlament hatte zuletzt dafür gestimmt, 46 der bislang 73 britischen Sitze ab Mai 2019 unbesetzt zu belassen und sich damit gegen die Besetzung von Parlamentssitzen durch transnationale Listen ausgesprochen. Jedoch finden sich sowohl fraktionsübergreifend im EU-Parlament, als auch unter den Mitgliedstaaten weiterhin BefürworterInnen für das Projekt transnationaler Wahllisten, die in dem Vorschlag einen wichtigen Ansatz zur Demokratisierung und Europäisierung der EU-Wahlen sehen.

 

Auch Kommissionspräsident Juncker äußert Sympathie dafür, die frei werdenden Sitze für transnationale Wahllisten zu reservieren, jedoch sei – mit Verweis auf die Abstimmung im EU-Parlament – aus Kommissionssicht eine solche Vorgangsweise für die Wahlen 2019 nicht mehr realistisch.

 

Zusammensetzung der Kommission

Vor Einsetzung der nächsten Kommission hat der Europäische Rat darüber zu entscheiden, ob die Kommission weiterhin ein Mitglied pro Mitgliedstaat haben oder verkleinert werden soll. Die Kommissionsmitteilung unterstreicht hier die bereits getanen Reformschritte der Juncker-Kommission in Form der Strukturierung von Projekt-Teams und der den Vize-PräsidentInnen zugeordneten in Politikfeldern.

 

Eine Verkleinerung der Kommission würde effizienteres Arbeiten und eine ausgewogenere Verteilung der Dossiers ermöglichen, so die Einschätzung, welche Kommissionspräsident in seiner Rede festhält. Jedoch dürfe auch die Bedeutung „eigener“ KommissarInnen für jeden Mitgliedsstaat nicht unterschätzt werden. Die Kommission spielt somit die Entscheidung, ob eine Verringerung der Zahl der KommissarInnen vorgenommen werden soll, zurück an den Europäischen Rat, ohne eine klare Präferenz zu äußern.

 

BürgerInnendialoge

Schließlich wird die Kommission BürgerInnendialoge in den Mitgliedstaaten forcieren: Hier wurden seit 2012 beinahe 500 solcher Dialoge durchgeführt, bis zu den Europa-Wahlen sind 500 weitere Dialoge geplant.

 

Weiterführende Informationen:

Pressemitteilung „Europa hält, was es verspricht“

Mitteilung: Europa hält, was es verspricht: wie wir die institutionelle Arbeit der Europäischen Union effizienter machen können

Empfehlung zur Stärkung des europäischen Charakters und der effizienten Durchführung der Wahlen 2019 zum Europäischen Parlament

Factsheet „SpitzenkandidatInnen“

Factsheet „Ein Präsident mit Doppelfunktion“