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Der neue EU-Handelskommissar Karel De Gucht plant für dieses Jahr eine Reihe von bilateralen Handelsabkommen der EU mit Drittstaaten abzuschließen beziehungsweise deutlich voranzubringen. Nach Kritik von EU-Abgeordneten, dass es noch keinen neuen Vorschlag zum auslaufenden Zollpräferenzabkommen ASP+ gibt, meinte De Gucht lapidar, dass die Europäische Kommission das alleinige Initiativrecht dazu hätte. Die Rolle des Europäischen Parlaments wäre es, über veröffentlichte Initiativen zu entscheiden.

Noch dieses Jahr sollen bilaterale Abkommen mit Kolumbien und Peru beschlossen werden, meinte der neue Handelskommissar zu Beginn der Aussprache mit den EU-Abgeordneten im Handelsausschuss des Europäischen Parlaments. Gerade ein Abkommen mit Kolumbien sehen viele ArbeitnehmerInnenorganisationen wie AK EUROPA aber sehr kritisch. Wiederholt ist es zu Menschenrechtsverletzungen gekommen. Für GewerkschafterInnen ist Kolumbien das gefährlichste Land der Welt: Fast jede Woche wird ein Arbeitnehmervertreter in Kolumbien ermordet. AK EUROPA fordert daher die Suspendierung der Verhandlungen und eine umfassende Untersuchung der Lage der Menschenrechte.

Im Juni oder Juli solle eine Mitteilung zur Strategie Global Europe erscheinen, so der liberale belgische EU-Handelskommissar. Für ihn sei es eine zentrale Aufgabe, die Doha-Runde abzuschließen, da dieses multilaterale Abkommen eine Vielzahl von Vorteilen mit sich bringe. Aber auch die bilaterale Agenda werde weiter forciert.

Die vor kurzem von der Kommission veröffentlichte EU 2020-Strategie sage schon, dass man sich insbesondere mit Schwellenländern befassen muss. Dieses Jahr gibt es deswegen eine starke Konzentration auf Asien und Lateinamerika. Singapur ist zum Beispiel ein wichtiger Handelspartner, die Verhandlungen seien hier schon weit gediehen. Mit Vietnam wird ebenfalls verhandelt. Dieses Jahr möchte De Gucht das Freihandelsabkommen mit Indien abschließen. Die Abkommen mit Peru und Kolumbien hofft er noch dieses Jahr abschließen zu können. Die Verhandlungen mit der Staatengemeinschaft Mercosur, die Teile Lateinamerikas und Südamerikas umfassen, könnten wieder aufgenommen werden. Sie hätten einen interessanten Markt, die Wachstumsraten dort seien hoch. Allerdings müsste Mercosur bei Industrieprodukten, geistigem Eigentum, Herkunftsbezeichnungen und anderen Bereichen Zugeständnisse machen. Bei dieser Gelegenheit stellte der Kommissar gleich fest, dass die Einholung eines neuen Mandats von Rat und Parlament aus seiner Sicht nicht nötig sei.

Für Länder, mit denen es kein bilaterales Abkommen gibt, besteht noch die Möglichkeit am so genannten System der Zollpräferenzen, im ExpertInnenjargon ASP+ genannt, teilzunehmen, um so Zollerleichterungen zu erhalten. Hier merkte der Kommissar an, dass in den nächsten Wochen eine Initiative veröffentlicht werden soll, die das derzeit laufende ASP+-System verlängere. Dies brachte ihm prompt Kritik der EU-Abgeordneten ein, die sich für eine Überarbeitung dieses Systems einsetzen. Allerdings unterstrich Kommissar De Gucht, dass Länder, die von den Zollerleichterungen in dem System profitieren wollen, sich auch an die Einhaltung von sozialen und umweltpolitischen Zielen halten müssten.

Die Aussprache des Handelskommissar Karel De Gucht kann nur mit gemischten Gefühlen gesehen werden. Beim Abkommen mit Kolumbien zeigt sich seine liberale Ader, bei der offensichtlich der Handel vor Menschenrechten geht. Auch die Aussage, dass nur die Kommission das Initiativrecht habe, zeigt, dass er offensichtlich keine Einmischung duldet. Man kann gespannt sein, welche Handelspolitik in den nächsten fünf Jahren auf die Europäische Union zukommt.

Weiterführende Informationen:

AK EUROPA-Stellungnahme zum Assoziationsabkommen EU-Kolumbien

AK EUROPA-Stellungnahme zu einem verbindlichen Nachhaltigkeitskapitel