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ZurückWeitreichende Kritik übte der Europäische Rechnungshof am 29.1.2019 in seinem Prüfbericht am Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI), umgangssprachlich auch als „Juncker-Fonds“ bezeichnet. Zentrale Kritikpunkte sind die übertriebene Darstellung der Hebelwirkung des Fonds und seine unausgewogene geografische Verteilung der Investitionen. Vor allem aber wird bemängelt, dass etwa ein Drittel der geförderten Vorhaben auch ohne die Mittel des EFSI realisiert worden wäre und somit das eigentliche Ziel des Fonds hier nicht erreicht wurde.
Der EFSI hatte das übergeordnete Ziel, die Investitionslücke nach der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 zu schließen, indem zusätzliche Investitionen für Projekte in den Sektoren Infrastruktur, Forschung und Innovation, Bildung, erneuerbare Energien und Energieeffizienz mobilisiert werden sollten. Als Hauptproblem kritisierte die AK bereits 2015, dass die Kommission vorrangig auf private Investitionen und zu wenig auf staatliche Investitionen setzt. Des Weiteren wurde im Vorfeld angezweifelt, dass die optimistischen Zielsetzungen durch die geplante Hebelwirkung tatsächlich realisiert werden können. Der Europäische Rechnungshof bestätigt nun die übertriebene Darstellung dieses Multiplikatoreffekts und bemängelt zugleich weitere Bereiche der Umsetzung.
Europäischer Rechnungshof: Multiplikatoreffekt übertrieben dargestellt
Bei der Einrichtung des EFSI ging die Europäische Kommission von einem Multiplikatoreffekt von 1:15 aus, d.h. die Mobilisierung von Investitionen sollte das 15-fache der Fondsmittel betragen. Da der Fonds selbst mit 21 Mrd. Euro dotiert war, sollte er Investitionen von insgesamt 315 Mrd. Euro anregen. Noch im Jahr 2018 vermeldete die Europäische Investitionsbank (EIB), dass auf Grundlage der angemeldeten Investitionen der angestrebte Multiplikatoreffekt sogar leicht übertroffen wurde. Der Europäische Rechnungshof stellte nun jedoch Mängel bei der Ermittlung dieses Multiplikatoreffekts fest und geht von einer übertriebenen Darstellung aus. Ein Beispiel im Prüfbericht zu einem konkreten Projekt zeigt etwa, dass die EIB von einem 30-fachen Multiplikator ausgeht, wohingegen der Europäische Rechnungshof nur einen 8-fachen Effekt feststellen konnte. Dies ist auf unbereinigte Doppelzählungen durch die EIB bei der Berechnung zurückzuführen.
Geographische Verteilung nicht ausgewogen
Ein weiterer Kritikpunkt des Europäischen Rechnungshofs ist die geographische Konzentration eines bedeutenden Teils der Projekte auf wenige größere westliche Mitgliedstaaten mit gut etablierten Förderbanken. Östliche EU-Staaten kamen hingegen kaum zum Zug. So entfielen beispielsweise zum 30. Juni 2018 im Bereich „Infrastruktur und Investitionen“ insgesamt 47 % der Finanzierung durch EFSI auf die drei Mitgliedstaaten Frankreich (18 %), Italien (17 %), und Spanien (12 %). Laut einem Bericht von Ende 2017 gingen in absoluten Zahlen die wenigsten Gelder an Malta, Zypern, Slowenien und Ungarn. Österreich reiht sich hier auf Platz 13 ein und liegt somit im Mittelfeld.
Knapp ein Drittel der Vorhaben wäre auch ohne EFSI-Investitionen umgesetzt worden
Im Rahmen einer Stichprobenprüfung der geförderten Projekte durch den Europäischen Rechnungshof zeigte sich zudem, dass etwa ein Drittel der Vorhaben auch ohne die Förderung durch den EFSI umgesetzt worden wäre. Da das eigentliche Ziel des Fonds war, zusätzliche Investitionen zu mobilisieren, widerspricht die Finanzierung dieser Projekte der eigentlichen Zielsetzung des EFSI. Bei der Vergabe der Förderungen wurde nicht geprüft, ob das Projekt auch durch andere öffentliche oder private Mittel hätte realisiert werden können.
Kritik der Arbeiterkammer bestätigt
Bereits 2015 war es aus Sicht der AK äußerst fraglich, ob die optimistischen Annahmen bezüglich der Hebelwirkung auch realisiert werden können. Der Rechnungshofbericht bestätigt nun diese skeptische Haltung.
Des Weiteren wird von Seiten der AK kritisch bewertet, dass nach Angaben der Kommission letztendlich zwei Drittel der mobilisierten Mittel von privaten InvestorInnen stammen. Solche privaten bzw. gemischten Finanzierungsmodelle, beispielsweise Public-Private-Partnerships (PPP), sind aufgrund der höheren Gewinnansprüche privater InvestorInnen nicht nur teurer, sondern aufgrund der lediglich indirekten Steuerungsmöglichkeiten organisatorisch ineffizient. Aus diesem Grund sollte der Fokus auf eine „goldene Investitionsregel“ gelegt werden, um die Finanzierung von öffentlichen Investitionen durch die öffentliche Hand zu erleichtern und damit einen Beitrag zu einem nachhaltigen Wirtschaftswachstum zu leisten, sowie Generationengerechtigkeit zu fördern.
Weiterführende Informationen:
Arbeiterkammer Österreich: Positionspapier zum EFSI
A&W-Blog: EWSA fordert goldene Investitionsregel
Europäischer Rechnungshof: Sonderbericht EFSI
Europäische Investitionsbank: Juncker-Plan übertrifft ursprüngliches Investitionsziel
Arbeiterkammer Wien: Die Implementierung der Goldenen Regel für öffentliche Investitionen in Europa