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ZurückDer nachhaltige Wirtschaftsbericht, den die Arbeiterkammer gemeinsam mit mehreren europäischen Forschungsinstituten erstellt hat, zeigt klar: Die wirtschaftliche und die soziale Entwicklung in der Eurozone verbesserten sich in den letzten Jahren, nicht jedoch die ökologische. Der Handlungsbedarf für die nächste Kommission ist somit offenkundig.
Im Auftrag der Fraktion der Sozialisten und Demokraten (S&D) des Europäischen Parlaments erstellte die Arbeiterkammer Wien gemeinsam mit dem französischen Wirtschaftsforschungsinstitut OFSE und anderen Forschungseinrichtungen den nachhaltigen Wirtschaftsbericht 2019 (iASES, früher iAGS). Er bietet eine alternative Einschätzung zum Jahreswachstumsbericht (AGS), den die Kommission im Rahmen des Europäischen Semesters Ende 2018 veröffentlicht hat. Der iASES zeigt dabei eindrücklich auf, dass soziale Absicherung, Inklusion, niedrige Arbeitslosigkeit und gute Arbeitsbedingungen für alle unter Berücksichtigung der ökologischen Grenzen gleichzeitig adressiert werden müssen.
Arbeitslosigkeit bleibt trotz Beschäftigungsanstieg viel zu hoch
Der Anstieg der Beschäftigung in der EU um über 12 Mio. Menschen ließ die Arbeitslosigkeit wieder auf das Vorkrisenniveau fallen. Gemessen am Ziel der Vollbeschäftigung ist die derzeitige Arbeitslosenquote in der Eurozone mit 8,1 % allerdings immer noch viel zu hoch. Dies gilt auch für das nach wie vor starke Ausmaß atypischer Beschäftigung in der EU, das mit einem hohen Anteil der von Erwerbsarmut Bedrohten einhergeht.
Soziale Schwerpunkte setzen…
Gemessen am Ziel eines ausgewogenen sozialen, ökonomischen und ökologischen Fortschritts greifen die Vorschläge der EU Kommission für 2019 trotz Weiterentwicklungen nach wie vor zu kurz. So spielen die sozialen Herausforderungen zwar eine stärkere Rolle, geraten gegenüber den ökonomischen Zielen aber einmal mehr in den Hintergrund, wenn es ans Eingemachte geht.
Anhand der Ausgrenzungsgefährdungsquote zeigt sich etwa, dass trotz der nach wie vor hohen Ungleichheit, die Wirksamkeit sozialer Transfers zurückgeht, weil Sozialleistungen zumindest real tendenziell gekürzt werden. Dies wird unter anderem durch den ständigen Verweis im Europäischen Semester auf die hohen Kosten für Pensionen und Gesundheit befeuert.
Die für eine gerechtere Einkommens- und Vermögensverteilung besonders wichtigen vermögens- und unternehmensbezogenen Steuern werden in der EU insgesamt – von einem ohnehin schon niedrigen Niveau – eher noch weiter gekürzt. Hinzu kommen die aggressiven Steuervermeidungsstrategien von multinationalen Konzernen, die die Finanzierungsgrundlagen von Sozialstaaten aushöhlen.
…und ökologische Grenzen berücksichtigen
Ähnlich verhält es sich mit der ökologischen Dimension, wo erst jetzt im Aufschwung die Unterinvestition in eine klimaverträglichere Konsum- und Produktionsweise richtig sichtbar wird. Der iASES richtet heuer den Fokus auf die Klimaziele der Mitgliedstaaten, indem geschätzt wird, wie viel investiert werden müsste, um das mit dem Ziel der Erderwärmung um maximale zwei Grad kompatible Limit für den CO2-Ausstoß nicht zu überschreiten.
Dafür wären mehrere Billionen an Investitionen notwendig. Der Vorschlag der EU-Kommission für den mittelfristigen Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis 2027 sieht in Summe „nur“ 1,3 Billionen Euro vor. Angesichts dessen, dass die Hälfte des CO2-Ausstoßes der EU auf die Energieerzeugung und den Verkehr entfällt und die nationalen Lösungsmöglichkeiten beschränkt sind, zeigt sich auch hier die Unzulänglichkeit des EU-Budgets. Die Aufforderung der EU-Kommission in ihrem Jahreswachstumsbericht „frühzeitig in die Modernisierung und Dekarbonisierung der Industrie sowie der Verkehrs- und Energiesysteme zu investieren“ allein wird nicht reichen.
Wohlstandsorientierung im Europäischen Semester notwendig
Der Wohlstand und das nachhaltige Wohlergehen jetziger und künftiger Generationen sollte in den Mittelpunkt der politischen Steuerung innerhalb der Europäischen Union gestellt werden. Die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (SDGs) der UN liefern hierfür eine gute Steuerungsgrundlage. Sie sollten deshalb nicht nur für eine langfristige Strategie der EU bis 2030 maßgebend sein, sondern auch für den jährlichen politischen Steuerungszyklus. Neben einer besseren Lohnentwicklung in der Eurozone insgesamt erfordert es mehr Augenmerk auf soziale und ökologische Probleme.
Aufgrund der nach wie vor großen Unterschiede zwischen den einzelnen Volkswirtschaften sollte stärker koordiniert vorgegangen werden. Dies könnte durch einen echten makroökonomischen Dialog, bestehende unverbindliche Instrumente, wie die integrierten Leitlinien, und neuen verbindlichen sozialen Mindeststandards erreicht werden. Darüber hinaus gilt es, die Quantität und Qualität der Beschäftigung zu fördern, in die ökologische Nachhaltigkeit zu investieren und Verteilungsfragen innerhalb der bzw. zwischen den Mitgliedstaaten nicht nur zu diskutieren, sondern auch zu entschärfen.
Weiterführende Informationen
Nachhaltiger Wirtschaftsbericht 2019
A&W Blog: EU-Wirtschaft ökonomisch, sozial und ökologisch nachhaltig gestalten!