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ZurückVom 23. bis 26. Mai 2019 wählen die Bürgerinnen und Bürger Europas ihr neues EU-Parlament. Das bedeutet, dass sich an diesen vier Tagen entscheidet, welche Politik in den nächsten fünf Jahren von Brüssel zu erwarten ist. Denn als eine der drei zentralen EU-Institutionen hat das EU-Parlament maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungen der Europäischen Union. Umfragen zufolge könnte es zu deutlichen Verschiebungen bei den Mehrheitsverhältnissen kommen.
Bei vielen Wahlen wird von einer „Richtungswahl“ gesprochen, und auch für die EU-Wahl 2019 lassen sich Argumente finden, warum diese Bezeichnung zutrifft: Denn in mehreren Mitgliedstaaten deuten sich klare Zuwächse für jene Parteien an, die der Europäischen Union äußerst kritisch gegenüberstehen. Das Bilden von Mehrheiten im Parlament könnte erheblich schwieriger werden, wie erste Prognosen zeigen:
Brennpunkt 1: Frankreich
Frankreich stellt mit 74 Abgeordneten nach Deutschland (96 Sitze) die größte Zahl an Mitgliedern des Europäischen Parlaments. Bereits 2014 war bei der EU-Wahl der Front National mit 25 % bzw. 24 Sitzen stärkste Kraft. Aktuellen Prognosen zufolge dürfte die mittlerweile in Rassemblement National umbenannte Partei etwas verlieren. Mit ca. 22 % liegt sie aber weiterhin gemeinsam mit der erstmals antretenden Bewegung La Republique En Marche von Präsident Emmanuel Macron, die nach den Wahlen eine Fraktion mit den Liberalen bilden will, gleichauf. Deutliche Verluste werden Les Republicains, die zur Fraktion der Europäischen Volkspartei gehört (von 20 % auf ca. 14 %), sowie der Parti Socialiste (von 14 % auf 5 %) prognostiziert.
Brennpunkt 2: Italien
Von den 73 Abgeordneten, die Italien 2014 gewählt hat, waren 31 Mitglieder (41 % der Stimmen) vom Partito Democratico (Fraktion der SozialdemokratInnen). Die Protestbewegung des Movimento 5 Stelle lag mit 17 Sitzen bzw. 21 % an zweiter Stelle. Die rechten EuropaskeptikerInnen von Lega hatten bisher 5 Sitze. Laut derzeitigen Umfragen ist mit einer völligen Umkehr der Kräfteverhältnisse zu rechnen: Unter Matteo Salvini kann – laut Prognose – Lega mit dem Wahlsieg und 31 % bzw. 25 Sitzen rechnen. Auch Movimento 5 Stelle darf auf leichte Zugewinne hoffen. Partito Democratico wird ein Rückgang auf 22 % bzw. 18 Sitze prognostiziert. Forza Italia von Silvio Berlusconi und EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani, die der Europäischen Volkspartei angehört, könnte sich von bisher 13 auf 7 Sitze fast halbieren.
Brennpunkt 3: Großbritannien
Brexit zum Trotz nimmt Großbritannien an den EU-Wahlen 2019 teil und vergibt wie auch Italien 73 Sitze, bis der EU-Austritt tatsächlich vollzogen wird. Umfragen zufolge dürfte die neu gegründete Brexit Party mit 30 % bzw. 22 Sitzen stärkste Kraft werden. Während sich der Rückgang für Labour mit 22 % bzw. 16 Sitzen (von bisher 25 % bzw. 20 Sitze) in Grenzen halten könnte, zeichnet sich ein Einbruch der Conservative Party auf 12 % bzw. 8 Sitze ab (bisher 23 % bzw. 19 Sitze). Den EU-freundlichen Liberalen und Grünen werden deutliche Zuwächse vorhergesagt.
Und in Österreich?
Da Großbritannien nun doch an den EU-Wahlen teilnimmt, wird Österreich vorerst weiterhin 18 Abgeordnete nach Straßburg bzw. Brüssel entsenden. Wenn der Austritt vollzogen wird, steht Österreich ein zusätzliches Mitglied im Europäischen Parlament zu. Gemäß derzeitiger Umfrage kann die ÖVP mit 30 % mit einem zusätzlichen Mandat rechnen (von fünf auch sechs). Die SPÖ kann zwar auf 27 % zulegen, bliebe aber bei 5 Mandaten. Mit 23 % könnte die FPÖ gleich viele Abgeordnete wie die SPÖ stellen. Den Grünen wird ein Rückgang von drei auf eine/n Abgeordnete/n prognostiziert, die NEOS dürften ihr Mandat halten.
Kleine Mitgliedstaaten im Europäischen Parlament stärker repräsentiert
Auch wenn Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien in absoluten Zahlen die meisten Abgeordneten für das Europäische Parlament stellen, so sind die kleineren Mitgliedstaaten im Verhältnis dennoch stärker vertreten. So hat Deutschland fast zehn Mal so viele EinwohnerInnen wie Österreich, aber „nur“ ungefähr fünf Mal so viele Abgeordnete.
Aus der Grafik wird ersichtlich, dass die fünf größten Mitgliedstaaten eine/n Abgeordnete/n für mehr als 800.000 EinwohnerInnen entsenden. In den kleinsten Mitgliedstaaten sind es weniger als 100.000. Österreich liegt mit knapp 500.000 EinwohnerInnen pro Abgeordneter/m im mittleren Feld.
Wer wird neue/r KommissionspräsidentIn?
Der Ausgang der EU-Wahlen wurde 2014 mit der Entscheidung verknüpft, wer Kommissionspräsident wird. Und auch wenn für die aktuelle Wahl Manfred Weber und Frans Timmermans als Spitzenkandidaten für die Europäische Volkspartei bzw. die SozialdemokratInnen nominiert sind, so ist es keineswegs sicher, ob der Kandidat der stärksten Fraktion für das höchste Amt der Kommission auch vorgeschlagen wird. Die Staats- und RegierungschefInnen haben jedenfalls für den 28. Mai 2019 einen informellen Rat einberufen, um zwei Tage nach der Wahl über die wichtigsten Personalia auf EU-Ebene zu diskutieren.
Alles ist möglich
Eine Woche vor den Wahlen handelt es sich natürlich nur um Umfragen und Prognosen. Gerade deshalb zählt jede Stimme, zumal die Wahlbeteiligung bei den EU-Wahlen in vielen Ländern deutlich niedriger ist als bei den nationalen Wahlen. Fest steht nur: Beim Kampf um ein gerechtes und soziales Europa, das die Menschen in den Mittelpunkt stellt, benötigt es so viele Abgeordnete wie möglich, die dasselbe Ziel verfolgen. Dazu braucht Europa jede Stimme!
Weiterführende Informationen
A&W Blog: EU-Parlamentswahlen mit unerwarteten Überraschungen