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Am 23. April 2018 hat die Europäische Kommission eine Richtlinie zum Schutz von WhistleblowerInnen in staatlichen Behörden und Unternehmen vorgelegt. Die Kommission reagiert damit auf die langjährige Forderung zivilgesellschaftlicher Organisationen und des Europäischen Parlaments und stützt sich dabei auch auf eine Empfehlung des Europarats. Der Kommissionsvorschlag umfasst ein mehrgliedriges Meldesystem, Rückmeldepflichten für Behörden und Unternehmen sowie die Umkehr der Beweislast im Falle von Vergeltungsmaßnahmen.

 

Die hochbrisanten Enthüllungen der letzten Jahre demonstrieren die wichtige Rolle, die AufdeckerInnen bei der Beseitigung gesellschaftlicher Missstände heute einnehmen: Etwa beim Panamaskandal (2016), in dem global mehr als 214.000 (Schein-)Unternehmen in Steuerhinterziehung verwickelt waren, oder bei aktuellen Enthüllungen im „Cambridge-Analytica-Skandal“ rund um den schwerwiegenden Missbrauch von Facebookdaten. Beide Male waren die Informationen individueller HinweisgeberInnen maßgebend für die Aufdeckung. Fälle wie die Verurteilung der Whistleblower im „Lux-Leaks-Skandal“ (2014) oder die Anschläge auf investigative JournalistInnen auf Malta und in der Slowakei zeigen aber, dass WhistleblowerInnen ihre Existenz und sogar ihr Leben aufs Spiel setzen, um im öffentlichen Interesse zu handeln.

 

Bislang haben nur 10 von 28 Mitgliedstaaten umfassende Schutzregime verabschiedet. In anderen Mitgliedstaaten sind nur manche Aspekte reguliert, etwa bestimmte Personengruppen (z.B. BeamtInnen) oder Sektoren (z.B. Finanzindustrie) erfasst. Durch den Kommissionsvorschlag soll ein Level Playing Field hergestellt werden und europaweit die Rechtsicherheit für WhistleblowerInnen erhöht werden. Jedoch empfiehlt die Kommission den Mitgliedstaaten, über die vorgeschlagenen Mindeststandards hinauszugehen. Vom Anzeigerecht erfasst sollen nicht nur im Unternehmen bzw. in der Behörde angestellte Personen sein, sondern dieses soll insbesondere auch für PraktikantInnen, Selbständige oder VertragspartnerInnen im Umfeld gelten.

 

Zur Abwicklung sieht der Richtlinienentwurf ein dreigliedriges Beschwerdeverfahren vor: Unternehmen ab 50 MitarbeiterInnen bzw. 10 Mio. Euro Umsatz oder Kommunen mit mehr als 10.000 EinwohnerInnen müssen eine interne Meldestelle einrichten, an die man sich in erster Instanz wenden kann. Finanzunternehmen – unabhängig von ihrer Größe – sind zur Einrichtung der Stelle in jedem Fall verpflichtet. Diese interne Meldestelle muss innerhalb von drei Monaten Antwort an die AufdeckerInnen geben und sich bei Notwendigkeit an die nationale Meldestelle wenden. Wenn interne Kanäle nicht funktionieren, ist eine Meldung unmittelbar an die zuständigen Behörden vorgesehen. Als dritter Meldekanal, wenn über die anderen beiden Kanäle keine geeigngeten Maßnahmen ergriffen werden können, ist eine Meldung in der Öffentlichkeit bzw. den Medien vorgesehen. Jegliche Vergeltungsmaßnahmen gegen Whistleblower sind untersagt und sollen geahndet werden, in diesem Fall soll auch eine Beweislastumkehr gelten.

 

Der Richtlinienvorschlag umfasst jedoch nur ein Anzeigerecht bei Rechtsbrüchen in bestimmten Bereichen des Europarechts: Erfasst sind insbesondere die öffentliche Beschaffung, Steuerhinterziehungen und unlauterer Wettbewerb, Finanzdienstleistungen, öffentliche Gesundheit, Umwelt- und KonsumentInnenschutz oder Anliegen der Produkt-, Nahrungsmittel- und Transportsicherheit. Bislang nicht inbegriffen sind Verstöße gegen ArbeitnehmerInnenrechte, Fehlverhalten im Rahmen von Handelsabkommen, im Migrations- und Asylwesen und bei außenpolitischen Angelegenheiten. Das deutsche Whistleblower-Netzwerk begrüßt zwar grundsätzlich den Vorschlag. sieht aber die Gefahr, dass durch die steigende Rechtssicherheit in den rechtlich gedeckten Bereichen die Rechtsicherheit in den nichtgedeckten Bereichen abnehmen könnte. Auch Transparency International begrüßt die Initiative als starken Schritt in die richtige Richtung.

 

Über Zustandekommen und die genaue Ausgestaltung der Richtlinie entscheidet das nun beginnende Gesetzgebungsverfahren zwischen EU-Parlament und Rat. Bis 21. Juni 2018 ist es möglich, Feedback zur neuen Initiative einzubringen.

 

Weiterführende Links:

Kommissionsvorschlag und Unterlagen zur Whistleblower-Richtlinie

Einschätzung Whistleblower-Netzwerk

EU-Observer: Whistleblowers could be enforcers of rule of law in Europe

Evelyn Regner: Stärkerer Schutz für Whistleblower kommt!

Interaktive Karte zu nationalen Gesetzeslagen in Mietgliedsstaaten

AW-Blog: Markttransparenz und Herrschaftswissen