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ZurückAm 15. November wurde in diesem Jahr der EU-weite Equal Pay Day begangen. Ab diesem Tag arbeiten Frauen im Vergleich zu Männern rechnerisch umsonst. Im EU-Durchschnitt verdienen Frauen immer noch um etwa 13 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen, in Österreich sogar um etwa 19 Prozent. Abhilfe könnte die Lohntransparenzrichtlinie bringen. Sie muss nun konsequent umgesetzt werden.
Der Equal Pay Day wiederholt sich jedes Jahr. Er bezieht sich auf die Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern. In Österreich betrug der Gender Pay Gap 2021 18,8 Prozent, EU-weit 12,7 Prozent. Das heißt, dass der durchschnittliche Stundenlohn der Frauen um 18,8 bzw. 12,7 Prozent niedriger war als jener der Männer. Insgesamt nimmt Österreich bei diesem Wert einen unerfreulichen Spitzenplatz in der EU ein. Der Tag, ab dem die Frauen unentgeltlich arbeiten würden, wenn sie den gleichen Stundenlohn wie Männer bekämen, fiel in Österreich 2023 bereits auf den 31. Oktober. Auf EU-Ebene war es dann am 15. November so weit. Damit ist auch die EU-weite Lohnlücke noch viel zu groß. Obwohl der Grundsatz, dass Männer und Frauen für die gleiche Arbeit den gleichen Lohn erhalten sollen, bereits seit 1957 in den Europäischen Verträgen verankert ist, sind wir von diesem Ziel noch immer weit entfernt.
Im Schneckentempo zu mehr Gleichstellung
Seit 2020 wird auf Initiative von Vizepräsidentin Evelyn Regner im EU Parlament jährlich die Gender Equality Week veranstaltet, um auf die nach wie vor immense Ungleichheit zwischen den Geschlechtern aufmerksam zu machen. Eine der Sprecher:innen war heuer die Gleichstellungskommissarin Helena Dalli. Sie wies darauf hin, dass es beim derzeitigen Tempo im Bereich der Gleichstellung noch 38 Jahre dauern würde, bis Frauen in der EU den gleichen Lohn wie ihre männlichen Kollegen haben. Außerdem gebe es EU-weit derzeit 8 Millionen gut qualifizierte Frauen, die berufstätig sein wollen, dies aber aufgrund von Betreuungspflichten nicht können. Sie bleiben dem Arbeitsmarkt fern, weil die notwendigen Betreuungsstrukturen fehlen. Eine weitere Folge des Gender Pay Gap ist der Pension Gap. Aufgrund der niedrigeren Erwerbseinkommen haben Frauen oft auch niedrigere Pensionen und sind somit im Alter von Armut bedroht.
Strukturelle Probleme brauchen strukturelle Antworten
Eurofound hat anlässlich des EU-weiten Equal Pay Day eine Veranstaltung organisiert, um die Hintergründe des geschlechtsspezifischen Lohngefälles zu beleuchten. Barbara Gerstenberger, Wissenschaftlerin bei Eurofound, stellte die Ergebnisse einer Studie vor, in welcher die wichtigsten Faktoren für den Gender Pay Gap herausgearbeitet wurden. Eine große Rolle spielt branchenspezifische Geschlechterverteilung und die Position der Frauen innerhalb dieser Branchen. In der Regel sind Frauen vor allem in den Niedriglohnsektoren stärker vertreten. Und selbst wenn dies nicht der Fall ist, sind Frauen seltener in Führungspositionen zu finden als ihre Kollegen. Die gläserne Decke ist somit noch immer nicht durchbrochen. Außerdem ist der Gender Pay Gap in größeren Unternehmen größer als in kleineren. Ein Teil des Lohnunterschieds kann jedoch nicht sachlich erklärt werden. Daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass dieser auf einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts beruhen muss. Maria Walsh, EU-Parlamentarierin, weist darauf hin, dass Frauen auch deutlich mehr unbezahlte und gemeinnützige Arbeit verrichten als Männer. Damit bliebe ihnen auch weniger Zeit für bezahlte Arbeit.
Mehr Fairness für berufstätige Frauen – es gibt noch viel zu tun
Auf EU-Ebene besteht breite Einigkeit darüber, dass die Lohnlücke geschlossen werden muss. Um dem Ziel „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ näher zu kommen, wurde im April 2023 die Lohntransparenzrichtlinie angenommen. Nach dieser Richtlinie müssen Gehälter transparent veröffentlicht werden. Es besteht somit ein eigenständiger Auskunftsanspruch für alle Arbeitnehmer:innen über das durchschnittliche Entgelt von Vergleichsgruppen, der von den jeweiligen Unternehmen aufgeschlüsselt nach Geschlecht zur Verfügung gestellt werden muss. Ebenso sind Unternehmen verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, wenn das geschlechtsspezifische Lohngefälle im Unternehmen fünf Prozent übersteigt. Damit können Einkommensunterschiede direkt im Unternehmen bekämpft werden. Außerdem wurde eine Richtlinie zu Frauen in Aufsichtsräten verabschiedet. Demzufolge müssen börsennotierte Unternehmen ab 2026 einen Frauenanteil von mindestens 40 Prozent in Aufsichtsräten erreichen.
Aus Sicht der AK muss unverzüglich mit der Umsetzung der Lohntransparenzrichtlinie begonnen werden, um den Gender Pay Gap zu schließen. Bei der Umsetzung müssen die Sozialpartner:innen miteinbezogen werden. Einkommensberichte sollten für Unternehmen bereits ab 25 Beschäftigten verpflichtend sein und nicht erst ab 100 Beschäftigten, wie in der Lohntransparenzrichtlinie vorgesehen. Entscheidend ist auch die Bereitstellung der notwendigen Infrastruktur, wozu unbedingt ein flächendeckendes Angebot an Kinderbetreuung gehört. Insgesamt werden noch große Kraftanstrengungen notwendig sein, um eine Arbeitswelt zu schaffen, die Frauen und Männern die gleichen Möglichkeiten eröffnet.
Weiterführende Informationen:
Eurofound: Europäischer Jobmonitor 2021: Geschlechtsspezifische Diskrepanzen und Beschäftigungsstruktur
Eurostat: Geschlechtsspezifischer Lohnunterschied ohne Anpassungen
AK EUROPA: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit – Verhandlungen zur Lohntransparenz können beginnen
AK EUROPA: Frauen arbeiten in der EU im Schnitt 51 Tage gratis
AK EUROPA: Richtlinie zur Lohntransparenz
EU-Kommission: Equal Pay Day (Nur Englisch)
Equal Pay Day Europe Website (Nur Englisch)
Equal Pay Day Österreich Website
AK Wien: Jetzt Einkommenslücke schließen!
A&W Blog: Gender Pay Gap: Erklärt ist nicht gerecht