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ZurückAm 3. November war europäischer Equal Pay Day, ab diesem Tag arbeiten Frauen in der EU statistisch gesehen ohne Bezahlung. Denn der durchschnittliche Stundenlohn von Frauen liegt um 16,3 % unter dem ihrer männlichen Kollegen. Überhaupt zeigt der jüngst veröffentlichte Gender Equality Index für das Jahr 2017, dass die Fortschritte hin zu mehr Geschlechtergerechtigkeit und Gleichstellung von Frauen in der EU leider nicht merklich vorankommen.
Schon in den Römischen Verträgen zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vor über sechzig Jahren wurde „gleiches Geld für gleiche Arbeit“ als Kernprinzip des gemeinsamen Europas festgeschrieben. Doch die Realität bleibt leider weit hinter diesem fundamentalen Prinzip zurück. Denn der Gender Pay Gap, das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen für die gleiche Arbeit, bleibt in der EU mit einem Durchschnitt von 16,3 % konstant hoch.
Die Gründe dafür sind strukturell: Von Frauen dominierte Branchen werden trotz hoher Arbeitsbelastung schlechter bezahlt, Frauen sind weniger oft in Führungspositionen vertreten und werden aufgrund der noch immer stark ungleich verteilten Haushalts- und Betreuungsarbeit und der daraus resultierenden hohen Teilzeitbeschäftigung auch pro Stunde geringer entlohnt. Die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten sind beachtlich: Italien hat mit 5,5 % das geringste Lohngefälle zwischen Männern und Frauen, Estland mit 26,9 % das höchste. Österreich ist seit Jahren im unrühmlichen Spitzenfeld vertreten, der österreichische Gender Pay Gap liegt mit 21,7 % signifikant über dem EU-Durchschnitt. Das heißt, in Österreich arbeiten Frauen bereits seit dem 11. Oktober statistisch gesehen gratis. Die AK spricht sich in diesem Zusammenhang für konkrete Maßnahmen wie mehr Einkommenstransparenz aus, um diese Schlechterstellung von Frauen am Arbeitsmarkt endlich zu beenden.
Mitte Oktober hat EIGE, das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen, auch den Gender Equality Index für das Jahr 2017 vorgestellt. Der Titel lautet bezeichnenderweise „Fortschritte im Schneckentempo“. Der Index zeigt, dass die Fortschritte hinzu mehr Geschlechtergerechtigkeit in allen Lebensbereichen nur schleppend vorankommen, in manchen Bereichen waren sogar Rückschritte zu verzeichnen.
Die größten Fortschritte der letzten zehn Jahre gab es in der Beteiligung von Frauen an politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsprozessen. Dies zeigt, dass öffentlicher Druck und dementsprechende gesetzliche Regelungen wirken. Trotzdem sind Frauen in politischen und wirtschaftlichen Entscheidungspositionen noch immer unterrepräsentiert. Trotz der Fortschritte der letzten Jahre ist die Ungleichheit in keinem Lebensbereich größer. Nur 22 % der Vorstandsmitglieder großer europäischer Unternehmen sind Frauen und nur in sieben Mitgliedstaaten sind Frauen mit mindestens 40 % annähernd ausgewogen in den Parlamenten vertreten. Eine EU-Richtlinie zu Quotenregelungen in Führungspositionen wird zurzeit leider durch den Widerstand einiger Mitgliedstaaten im Rat der EU blockiert.
Der Index zeigt auch, dass in 12 Ländern Rückschritte bei der gleichberechtigten Verteilung der Hausarbeit zwischen Männern und Frauen zu beobachten waren. Nur jeder dritte Mann in der EU beteiligt sich täglich an der Hausarbeit, mit 79 % trifft dies hingegen auf den überwiegenden Teil der Frauen zu. Männer haben mehr Zeit für Sport-, Kultur und Freizeitaktivitäten. Frauen mit Migrationshintergrund sind besonders stark belastet. Diese ungleiche Verteilung von Haus- und Betreuungsarbeit hat einen massiven, negativen Einfluss auf die Erwerbsmöglichkeiten und die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen. Außerdem wirken diese Probleme langfristig nach: Frauen bekommen deshalb im Durchschnitt 40 % weniger Pension als Männer. In Österreich betrug die durchschnittliche Pension im Jahr 2016 für Männer € 1.468, für Frauen hingegen nur € 904. Ein Bericht für das Europäischen Parlament zeigt, dass der Gender Pay Gap auch für zukünftige Generationen bestehen bleiben wird und sich in Folge vieler Pensionsreformen sogar noch verschärfen könnte, wenn nicht endlich dementsprechend gegengesteuert wird.
Ein großer Teil dieser Differenz ist auf die ungleiche Verteilung von Betreuungspflichten und Hausarbeit zurückzuführen. Die Europäische Kommission hat im Frühjahr 2017 einen Vorschlag zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben vorgelegt, der einige neue oder höhere EU-Mindeststandards für Eltern-, Vaterschafts- und Pflegeurlaub festlegen soll. Geplant sind ein EU-weiter Anspruch auf Vaterschaftsurlaub von mindestens zehn Arbeitstagen und vier Monate Elternurlaub pro Elternteil, der nicht auf den anderen Elternteil übertragbar ist. So sollen nach skandinavischem Vorbild auch Väter stärker in die Kinderbetreuung eingebunden werden. Außerdem sieht der Richtlinienvorschlag einen Anspruch auf fünf Tage Pflegeurlaub im Jahr und das Recht auf flexiblere Arbeitszeiten für Eltern von Kindern bis zu zwölf Jahren vor.
Aus Sicht der AK sind solche Initiativen begrüßenswert und gehen in die richtige Richtung. Zur längst überfälligen Gleichstellung von Männern und Frauen sind aber noch viele weitere Anstrengungen erforderlich, sowohl auf europäischer Ebene als auch in den Mitgliedstaaten. Denn die Arbeit von Frauen ist nicht weniger wert, sie wird nur schlechter bezahlt. Damit muss im 21. Jahrhundert endlich Schluss sein!
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: Frauentag am 8. März – und die 364 Tage danach?
AK Positionspapier: Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige
AK Wien: Frauen.Management.Report.2017
EU Factsheet: Gender Pay Gap in der EU