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ZurückAm 18.September 2023 jährt sich der Dieselskandal, einer der größten Umweltskandale der letzten Jahrzehnte, bereits zum achten Mal. Trotz der weitreichenden Folgen ist „Diesel-Gate“ auch nach acht Jahren weder in den EU-Mitgliedstaaten noch in den Institutionen der Europäischen Union vollständig aufgearbeitet. Wie eine aktuelle Studie der Arbeiterkammer zeigt, ist Österreich sogar stärker betroffen als ursprünglich angenommen. Wo steht die Aufarbeitung des Skandals nach acht Jahren in der EU und den Mitgliedstaaten?
Angefangen hat der Dieselskandal, der im September 2015 in den USA aufgedeckt wurde, beim Volkswagen-Konzern: Bei Diesel-Pkw mit dem Motor EA 189 funktionierte die Abgasreinigung nur auf dem Prüfstand und war im normalen Straßenbetrieb abgeschaltet („VW-Umschaltmodus“). Laut Europäischem Gerichtshof (EuGH) verstößt dies gegen EU-Vorschriften, den Pkw-Besitzer:innen drohte somit der Entzug der Betriebsgenehmigung. VW wollte sich durch ein Softwareupdate aus der Affäre ziehen, was aber immer noch nicht zu einem gesetzeskonformen Zustand führte. In der Folge weitete sich der Dieselskandal auf die meisten Hersteller von Dieselfahrzeugen aus, darunter Mercedes, Opel, Renault, Fiat und BMW. Dies zeigt deutlich, dass es sich nicht um ein „schwarzes Schaf“ handelt, sondern bis 2019 gelebte Praxis in der Automobilbranche war. Die Endverbraucher:innen wurden bewusst getäuscht.
Aktueller Stand in Österreich
In Österreich wurden knapp 800.000 Autos zurückgerufen, weitere 800.000 sind in Diskussion. Sollte nämlich in Deutschland ein Musterurteil Rechtskraft erlangen, in dem es um die Frage geht, ob die Abgasreinigung auch unter normalen Straßenbedingungen dauerhaft gedrosselt wird, etwa durch ein unzulässiges „Thermofenster“, wäre in Österreich ein Fünftel aller zugelassenen Fahrzeuge von der Abgasmanipulation betroffen. Die Abgasmanipulationen führten zu einem erhöhten Ausstoß des für Mensch und Umwelt schädlichen Abgases Stickoxid (Nox). Nach Angaben der Europäischen Umweltagentur sind weltweit 38.000 vorzeitige Todesfälle allein auf den erhöhten Ausstoß durch den Dieselskandal zurückzuführen.
Die AK, der Verein für Konsumenteninformation und der Europäische Verbraucher:innenverband (BEUC) setzen sich für eine lückenlose Aufarbeitung des Skandals ein. Das bedeutet, dass die betrogenen Konsument:innen entschädigt werden müssen. Die defekten Autos, die Umwelt und Mensch gefährden, müssen auf Kosten der Hersteller mit einer EU-konformen Abgasvorrichtung ausgestattet werden. Wenn das technisch nicht möglich ist , braucht es andere Lösungen auf Kosten des Herstellers, nicht der Konsument:innen.
Folgen im internationalen und europäischen Vergleich
In den USA, wo der Skandal aufgedeckt wurde, war im Gegensatz zu den EU-Staaten ein sehr schnelles Handeln der US-Umweltbehörde EPA zu beobachten. Die betroffenen Konsument:innen erhielten Schadenersatzzahlungen, die manipulierten Autos wurden zurückgerufen und VW musste wegen der verursachten Umweltschäden Strafzahlungen in Milliardenhöhe tätigen.
Auf europäischer Ebene hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Dezember 2020 und im Juli 2022 entschieden, dass die Abschalteinrichtungen von VW, wie der „VW-Umschaltmodus“ und die unzulässigen „Thermofenster“, illegal sind. Diese Entscheidungen waren ein riesiger Erfolg für Konsument:innen und Umweltschützer:innen. Nach einer weiteren wichtigen Entscheidung des EuGH sind die Mitgliedstaaten nach EU-Recht dafür verantwortlich, dass ein:e Bürger:in die Möglichkeit hat, den Autohersteller auf Schadenersatz zu klagen, wenn in ihrem bzw. seinem Auto eine illegale Abschalteinrichtung verbaut ist. Die Verantwortung liegt also bei den Mitgliedstaaten.
In Deutschland erreichte die Verbraucherzentrale (vzbz) bereits im Jänner 2020 einen Vergleich mit VW, damit werden 240.000 deutsche Konsument:innen entschädigt. Im Juni 2023 kam es zur Kehrtwende in der deutschen Rechtsprechung: Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) sprach erstmals – auch ohne Vorsatz – Schadensersatz wegen der Verwendung von Thermofenstern zu. Land- und Oberlandesgerichte erhielten erstmalig Leitlinien für Diesel-Schadensersatzklagen.
In Italien hat Altroconsumo, die italienische Verbraucherschutzorganisation, gegen VW geklagt und dabei im Juli 2022 auch Recht bekommen. VW Italia muss unter anderem Schadenersatz an die Konsument:innen und Strafen wegen Betrugs zahlen. Damit ist Italien neben Deutschland der einzige Mitgliedstaat der Europäischen Union, in dem es bereits zu einer gerichtlichen Entscheidung gekommen ist.
In den Niederlanden, Spanien, Portugal, Belgien, Frankreich, Slowenien und Österreich sind die Verfahren noch nicht entschieden, die Gerichte und Konsument:innenschutzorganisationen in diesen Staaten wenden weiterhin viel Zeit und Geld für die offenen Verfahren auf. Das bedeutet auch, dass die Verbraucher:innen immer noch auf Entschädigung warten müssen. Darüber hinaus sind nach wie vor viele stark verschmutzende Autos unterwegs, die große Mengen an Stickoxiden (NOx) ausstoßen.
Erschreckend ist aber das Versagen der EU-Kommission und der zuständigen nationalen Behörden. Acht Jahre nach Dieselgate fahren weiterhin fünfzehn Prozent aller zugelassenen VW-Fahrzeuge in der EU mit dem berüchtigten EA 189 im Umschaltmodus auf unseren Straßen herum.
Das fordert die AK
Die Europäische Kommission muss bei den „verhaltensauffälligen“ Diesel-Pkw endlich ein Überprüfungsverfahren bei den Autohersteller:innen einleiten. Konkret geht es dabei um Artikel 9 (Nachprüfung der Einhaltung der Vorschriften durch die Kommission) in der Verordnung über die Genehmigung und die Marktüberwachung von Kraftfahrzeugen ((EU) 2018/8589). Wird Nichtkonformität festgestellt, müssten die Hersteller:innen für eine EU-konforme Abgasvorrichtung sorgen. Klagen von geschädigten Pkw-Besitzer:innen müssen erleichtert und Verbraucherschutzorganisationen gestärkt werden.
Weiterführende Informationen:
AK Wien: Dieselskandal – Auswirkungen der Abgasmanipulation bei Dieselautos
AK Wien: Auswirkungen der Abgasmanipulationen bei Dieselautos in Österreich
AK Wien: Diesel-Skandal: Hersteller müssen für Schäden an Umwelt und gegenüber PKW-Besitzer:innen geradestehen
BEUC: Seven years of Dieselgate: A never-ending story (Nur Englisch)
EU-Kommission: Dieselgate