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ZurückDie EU-Kommission hat im Juli 2025 ihren Entwurf für den Mehrjährigen Finanzrahmen 2028–2034 vorgelegt, welcher tiefgreifende Änderungen in der Kohäsionspolitik vorsieht. Die bisherigen Strukturfonds – darunter der Europäische Sozialfonds+ und der Just Transition Fund – sollen in einem „Nationalen und Regionalen Partnerschaftsplan“ (NRPP) aufgehen, wodurch soziale und regionale Förderziele verwässert werden könnten. Auf scharfe Kritik stößt unter anderem auch die Koppelung von Auszahlungen an das Erreichen von Meilensteinen und die Verknüpfung mit dem EU-Semester. Das Europäische Parlament prangerte vor allem auch die Bündelung der Agrar- und Regionalmittel im NRPP an und drohte sogar, die Haushaltsverhandlungen zu blockieren.
Am 16. Juli legte die EU-Kommission ihren Entwurf für den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2028–2034 vor. Dieser Vorschlag markierte den Auftakt zu intensiven Verhandlungen, die bis Ende 2026 abgeschlossen sein sollen. Leider zeichnet sich bereits ab, dass der Entwurf für die europäischen Arbeitnehmer:innen ernüchternd ausfällt. Insbesondere auch die Kohäsionspolitik könnte im nächsten Haushalt eine Abwertung erfahren.
Massive Änderungen im Bereich der Kohäsionspolitik geplant
Die EU-Kohäsionspolitik dient der Verwirklichung der in Artikel 174 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verankerten Ziele: erstens dem Konvergenzziel, bei dem es um die Verringerung der regionalen und nationalen Entwicklungsunterschiede geht, und zweitens dem Kohäsionsziel zur Förderung des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts innerhalb der EU. Die zentralen Instrumente der EU-Kohäsionspolitik stellen aktuell die vier Strukturfonds dar: der Europäische Sozialfonds (ESF+), der Europäische Fonds für Regionalentwicklung (EFRE), der Kohäsionsfonds und der Just Transition Fund (JTF). Diese Strukturfonds haben in den letzten Jahrzehnten nicht nur beachtliche Wachstums- und Beschäftigungseffekte bewirkt, sondern ebenso das Vertrauen in die EU-Institutionen gestärkt und dadurch den sozialen Zusammenhalt sowie eine gemeinsame europäische Identität gefördert. Doch nun besteht die Gefahr der Verwässerung der regionalen und sozialen Treffsicherheit. Im nächsten EU-Haushalt sollen diese vier Fonds in den „Nationalen und Regionalen Partnerschaftsplan“ (NRPP) integriert werden, zusammen mit den Mitteln für die Gemeinsame Agrarpolitik, die Fischerei sowie für Sicherheit und Migration.
Was wird aus dem ESF+?
Der ESF+ stellt aktuell ein zentrales Instrument zur Umsetzung der Europäischen Säule sozialer Rechte dar und gilt als Hebel zur Förderung von Beschäftigung, Bildung und sozialer Inklusion. Im neuen EU-Haushalt soll er als eigenständiger Fonds abgeschafft werden. Die Kommission schlägt stattdessen vor, 14 Prozent des NRPP für soziale Investitionen einzuplanen. Das würde allerdings nicht nur eine nominelle Verringerung gegenüber den ESF+-Mitteln in der laufenden Finanzperiode bedeuten. Darüber hinaus fehlen - wie bisher üblich - verbindliche Vorgaben für die Verteilung der Sozialausgaben der Mitgliedstaaten, etwa zweckgebundene Mittel für soziale Inklusion oder Armutsbekämpfung.
Letztlich bleibt zu befürchten, dass das 14-%-Ziel, im Vergleich zur derzeitigen Struktur, einen erheblichen Spielraum in Bezug auf die tatsächliche Verwendung und Höhe von Sozialausgaben lässt. Somit besteht die Gefahr, dass die Mittel zukünftig verstärkt an nationalen Prioritäten ausgerichtet oder zur Deckung von Haushaltslücken verwendet werden, während regionale und soziale Ziele das Nachsehen haben. Zu erwähnen bleibt noch, dass sozial- bzw. beschäftigungspolitische Ziele zwischen den NRRPs und dem neuen Europäischen Wettbewerbsfonds zweigeteilt werden. Letzterer soll nämlich in Zukunft gezielt Arbeitskräfte für strategische Sektoren fördern, unter anderem durch berufliche Weiterbildungsprogramme und die Unterstützung von Lehrlingsausbildung.
Was wird aus dem Just Transition Fonds?
Auch die Abschaffung des Just Transition Funds würde einen empfindlichen Rückschritt bedeuten. Dieser erst 2021 ins Leben gerufene Strukturfonds wurde als wichtige soziale Komponente des Europäischen Grünen Deals präsentiert. Der JTF förderte bisher Regionen, die vom Übergang zur Klimaneutralität besonders stark betroffen sind. Durch seine Integration in die NRPPs könnte er seine Wirkung verlieren. Die JTF-Mittel durften bisher nur in ausgewählten Regionen eingesetzt werden. Doch ab 2028 könnte die Entscheidungshoheit für die Mittelaufteilung im Rahmen der NRPPs auf die Mitgliedstaaten übergehen. Des Weiteren ist auch geplant, den Klimasozialfonds, mit dem die soziale Abfederung bei der Einführung des erweiterten Emissionshandels (ETS2) gewährleistet werden soll, in die NRPPs zu integrieren.
Geplante Umgestaltung der Kohäsionspolitik unter Kritik
Die Umgestaltung der Kohäsionspolitik stößt auf heftige Kritik. Andrés Rodriguez-Pose, Vorsitzender der von der EU-Kommission einberufenen „Hochrangigen Gruppe für die Zukunft der Kohäsionspolitik“, sieht in den neuen NRPPs einen bedenklichen Kurswechsel. Während die EU-Kommission den Entwurf als „straffer, flexibler und wirkungsvoller“ bezeichnet, warnt er davor, bis zu 14 Förderprogramme in einem einzigen „Megafonds“ zusammenzuführen. Wenn keine festen Mittelanteile (Ringfencing) für Bereiche wie ländliche Entwicklung oder Beschäftigungspolitik vorgesehen sind, ergebe sich erstens das Risiko, dass Regionen und Kommunen mit Landwirten um Finanzmittel konkurrieren müssten oder unterschiedliche Politikbereiche gegeneinander ausgespielt werden. Zweitens käme die pauschale Mittelverteilung über nationale Pläne einer Zentralisierung und Nationalisierung der EU-Investitionsprogramme gleich. Ein solcher Ansatz würde die grundlegenden Prinzipien der Kohäsionspolitik, das heißt ihre demokratische Legitimation, den ortsbezogenen Ansatz sowie die Partnerschaften mit regionalen und lokalen Akteuren, potenziell aushebeln. Ähnliche Entwicklungen waren bereits im Rahmen des Corona-Wiederaufbaufonds NextGenerationEU zu beobachten, dessen Struktur nun als Vorbild für das reguläre Budget dienen könnte.
Kritisch wird auch das Vorhaben gesehen, die Auszahlung von EU-Mitteln an die Erfüllung von Meilensteinen zu koppeln, die auf den Länderspezifischen Empfehlungen des Europäischen Semesters basieren. Gemäß diesem „cash-for-reform“-Modell, das sich ebenso an NextGenerationEU orientiert, sollen Zahlungen für die NRPPs erst nach dem Erreichen von Investitionszielen und Reformen freigegeben werden. Für diese Ziele und Reformen gibt es einen Verordnungsentwurf, der Output- und Ergebnisindikatoren für alle EU-Fonds und -Programme festlegt. Die Kommission und die Mitgliedstaaten wären verpflichtet, Zwischenevaluierungen durchzuführen. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund kritisiert diese Verzahnung zwischen der EU-Kohäsionspolitik und dem Europäischen Semester. Eine engere Kopplung zwischen dem Europäischen Semester und den Kohäsionsfonds könnte dazu führen, dass die Mitgliedstaaten unter Druck gesetzt werden, „sachfremde und aus wirtschaftspolitischer Sicht kontraproduktive Reformauflagen“ umzusetzen.
Heftige Kritik und Blockadedrohung aus dem Europäischen Parlament
Vor allem der Plan der Kommission, Agrar- und Regionalmittel in den NRRPs zusammenzufassen, sorgte über Fraktionsgrenzen hinweg für massive Ablehnung im EU-Parlament. Insbesondere Vertreter:innen der Regionen und der Landwirtschaft warnten vor Abstrichen bei Fördermitteln und einer zunehmenden Kontrolle durch nationale Regierungen. Seitens des Parlaments wurde gedroht, die Verhandlungen über den nächsten EU-Haushalt zu blockieren. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen konnte dies mit Hilfe einiger Kompromissvorschläge noch abwenden. Diese bezogen sich auf eine eigenständigere Gemeinsame Agrarpolitik, eine Stärkung der Regionalregierungen bei der Erstellung der NRPPs und mehr zweckgebundenes Geld für ländliche Regionen. Während sich die EVP damit letztlich zufriedengab, erkennt die S&D darin nur „kosmetische Änderungen“ und fordert weiterhin eine substanzielle Anpassung bei der Gestaltung des künftigen EU-Haushalts und die Beibehaltung einer umfassenden Kohäsionspolitik. Die Sorge um die Kohäsionspolitik bleibt aber über Parteigrenzen hinweg bestehen. Viele Europaabgeordnete sprachen während einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für regionale Entwicklung (REGI) am Dienstag von einem „besorgniserregenden Kurswechsel“ in der Kohäsionspolitik. Kritisiert wurde unter anderem, dass die Kommission die Regionen aus den Augen verlieren würde und somit die europäischen Verträge missachte. Ins Treffen geführt wurde auch die Option, eine Klage beim Europäischen Gerichtshof einzubringen, sollte die Kommission die Ziele der Kohäsionspolitik nicht weiter ernsthaft verfolgen.
Weiterführende Links:
EU-Kommission: Ein ambitionierter Haushalt für ein stärkeres Europa: 2028-2034
AK EUROPA: Neuer EU-Haushalt ab 2028. Ein schwieriger Einigungsprozess steht bevor
A&W-Blog: Paradigmenwechsel beim EU-Budget auf Kosten der Sozial- und Beschäftigungspolitik?
Europäischer Gewerkschaftsbund: The Commission’s 2028-2034 MFF proposal (nur Englisch)
Europäischer Gewerkschaftsbund: Guarantees still needed over social funds (nur Englisch)