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Bei der Regulierung der Finanzmärkte verlässt viele PolitikerInnen derzeit der Mut. Die groß angekündigten Reformen werden solange zerredet, bis wenig von ihnen übrig bleibt. Weder international noch auf europäischer Ebene ist der Wille erkennbar, Lehren aus der Krise zu ziehen. Das zeigte sich in der vergangenen Woche beim Treffen der G20 FinanzministerInnen, aber auch bei Debatten im Europäischen Parlament. Grundtenor: Die Banken haben schon genug gelitten.
Keine Einigung der G20 bei Bankensteuern

Die Schuldenkrise in Griechenland stellt nicht nur die Tatkraft der EU-PolitikerInnen auf die Probe. Sie überschattet auch eine andere große europäische und internationale Baustelle, die Regulierung der Finanzmärkte. Wer zahlt für die Krise, und wie kann eine neue Krise verhindert werden? Das sind die zentralen Fragen. Die FinanzministerInnen der 20 wichtigsten Volkswirtschaften der Welt (G20) konnten sich am Wochenende nicht darauf einigen, die Banken an den horrenden Kosten der von ihnen ausgelösten Krise zu beteiligen. Weder die von AK und ÖGB geforderte Finanztransaktionssteuer noch eine Bankenabgabe oder die vom Internationalen Währungsfonds (IWF) in seinem jüngsten Bericht empfohlene Steuer auf die Gewinne und Boni der Banken waren mehrheitsfähig. Im Juni soll weiter diskutiert werden.

Eigenkapital der Banken gefährlich niedrig

Ähnlich das Bild bei der Bankenregulierung. Eines der wichtigsten der vielen Probleme, die die Krise an die Öffentlichkeit gespült hat, ist, dass Banken zu wenig Eigenkapital für ihre riskanten Spekulationsgeschäfte haben. Die Kombination von hohem Risiko und niedrigen Eigenmitteln ist dann besonders kritisch, wenn die Dinge schief laufen. Das einfache Rezept, über das bei allen ExpertInnen Einigkeit herrscht, lautet: Mehr Eigenkapital.

Banken legen die Ärmelschoner ab

Die Europäische Kommission hat aus diesem Grund zwei Vorschläge vorgelegt, mit denen die jetzigen Eigenkapitalvorschriften, die sich als unbrauchbar erwiesen haben, geändert werden sollen. Diese Vorschläge werden derzeit im Europäischen Parlament (EP) diskutiert. Allerdings gibt es ein Problem: Die Bankenlobby hat wieder ihre Kampftruppen ausgeschickt, um die Abgeordneten einzuschüchtern. Ein Beispiel für die dreiste Vorgehensweise der Banken lieferte die britische EP-Abgeordnete Arlene McCarthy (S&D). „Das wird auch Auswirkungen auf Ihre Wähler haben“, teilten ihr die Vertreter von 2 Großbanken unverhohlen mit.

Wer weise ist, steht dem Markt nicht im Weg

Wenig überraschend ist es daher, dass die ParlamentarierInnen jetzt davor zurückschrecken, strengere Eigenkapitalvorschriften für die Banken zu beschließen. Stattdessen versuchen sie Zeit zu gewinnen und arbeiten an Strategien, wie der Öffentlichkeit der Eindruck vermittelt werden kann, dass etwas entschieden wird, während in Wirklichkeit nichts entschieden wird. Ein Musterbeispiel dafür ist der liberale schwedische Abgeordnete Olle Schmidt. „Wenn wir weise sind, wollen wir nicht dem Markt im Weg stehen, er hat schon genug gelitten“, so Schmidt. Oder die britische Tory-Abgeordnete Vicky Ford, die anregte, jetzt nur nicht zu viel zu tun, um die Kreditvergabe der Banken an die produzierende Wirtschaft nicht zu gefährden.

Nur nichts überstürzen

Auch der österreichische EVP-Abgeordnete Othmar Karas, der bei anderen Gelegenheiten auch mal Alleingänge Europas bei der Regulierung der Finanzmärkte befürwortet hat, zeigte sich überraschend vorsichtig und zurückhaltend. Jetzt sei nicht die Zeit für Emotionen und Alleingänge Europas, so Karas. Die Einführung der Vorschriften solle gleichzeitig mit den USA erfolgen, so der einflussreiche Österreicher.

Was sollen wir denn noch alles bezahlen?

Die erfolgreiche Taktik der Bankenlobby wurde vom grünen MdEP Pascal Canfin auf den Punkt gebracht. „Ein Text wird gegen den anderen ausgespielt“, so der Franzose. Tatsächlich haben die Banken bisher den PolitikerInnen erfolgreich den Eindruck vermittelt, dass die Regulierungsvorschläge, die derzeit am Tisch liegen, zusammengenommen für sie finanziell nicht zu verkraften sind. Bei jedem Gesetzesvorschlag kommt deshalb der reflexhafte Aufschrei der Banken: „Das sollen wir auch noch bezahlen?“ In Wirklichkeit haben sie bisher noch keinen Cent für die sozialen Folgen der Krise bezahlt, sind dafür aber schon wieder im Wettcasino höchst aktiv und schütten massenhaft Boni aus.

Sind wir in der EU bald auch so weit?

Das Problem auf den Punkt brachte wieder Arlene McCarthy. Die Wall Street zahle 40 Mrd. $ an PolitikerInnen im Bankenausschuss des US-Senats. „Sind wir in der EU bald auch so weit?“, so die Britin. ArbeitnehmerInnenvertreter wie AK und ÖGB und die Zivilgesellschaft müssen mit aller Kraft daran arbeiten, öffentliches Bewusstsein für die Gefahr der schleichenden Aushöhlung der Demokratie zu schaffen. Die Lehren aus der Krise müssen gezogen werden, und die Schuldigen der Krise müssen ihren Beitrag bezahlen.