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ZurückDer erste sogenannte EU-Topjob ist fix vergeben: Der italienische Sozialdemokrat David-Maria Sassoli wurde am 3. Juli 2019 für die nächsten zweieinhalb Jahre zum Präsidenten des EU-Parlaments gewählt. Er erreichte im zweiten Wahlgang die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen.
Es waren turbulente Tage und Nächte in Brüssel im Vorfeld zur konstituierenden Sitzung des EU-Parlaments am 2. Juli 2019. Denn es obliegt dem EU-Rat und damit den Staats- und Regierungschefs, Personen für die wichtigsten Positionen in der EU vorzuschlagen bzw. zu ernennen. An erster Stelle steht dabei die/der KommissionspräsidentIn. Für diese Position muss schlägt der Rat ein/e KandidatIn vor, anschießend muss das Parlament seine Zustimmung zum Ratsvorschlag geben. Um eine Ausgeglichenheit hinsichtlich der Parteifamilien, der Regionen sowie der Geschlechterbilanz zu erzielen, werden aber noch zusätzliche Personen für EU-Tobjobs im Rahmen derselben Verhandlungsrunde des Rates nominiert: Die/der PräsidentIn des Europäischen Rats, die/der EZB-ChefIn, die/der Außenbeauftrage und die Präsidentin bzw. der Präsident des EU-Parlaments – auch wenn letztere Position formal gar nicht im Kompetenzbereich des Rates liegt.
Am Abend des 2. Juli 2019 einigten sich die Staats- und Regierungschefs auf die derzeitige deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) als Kommissionspräsidentin. Die SpitzenkandidatInnen der SozialdemokratInnen und Liberalen für die EU-Wahl, Frans Timmermans und Margrethe Vestager, waren im Vorfeld noch als aussichtsreiche KandidatInnen dieser vermeintlich wichtigsten Positionen in der EU gehandelt worden. Doch nach Vorstellung des Rates sollen sie nun VizepräsidentInnen der Kommission werden. Als EU-Ratspräsident wurde der belgische Liberale Charles Michel nominiert. Außenbeauftragter soll der Spanier Josep Borrell werden, als neue EZB-Chefin wurde Christine Lagarde designiert. EU-Parlamentspräsident soll für die erste Hälfte der Wahlperiode der italienische Sozialdemokrat David-Maria Sassoli werden, in der zweiten Hälfte soll die Wahl auf EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber fallen.
Bis auf den EU-Ratspräsidenten und die EZB-Chefin müssen aber alle Positionen vom Europäischen Parlament gewählt bzw. bestätigt werden. Als erster dieser EU-Topjobs stand am 3. Juli die Wahl der Präsidentschaft des EU-Parlaments auf der Tagesordnung. Diese erste Abstimmung wurde mit Spannung erwartet, da unter vielen Abgeordneten großer Unmut darüber herrschte, dass die Staats- und Regierungschefs mit ihrem Personalvorschlag von Ursula von der Leyen das Prinzip der SpitzenkandidatInnen zur EU-Wahl, deren siegreiche KandidatIn in Folge die Kommissionspräsidentschaft übernehmen soll, verworfen haben.
Und so gab es auch gleich vier KandidatInnen für die EU-Parlamentspräsidentschaft: Neben Sassoli standen noch Ska Keller von den deutschen Grünen, die spanische Abgeordnete der Linken, Sira Rego sowie der tschechische Abgeordnete Jan Zahradil von den Konservativen und Reformern zur Wahl. Während für David-Maria Sassoli im ersten Wahlgang 325 Stimmen knapp nicht für die absolute Mehrheit reichten, war es im zweiten Wahlgang 345 Stimmen und damit neun mehr als notwendig. Auf Zahradil entfielen 160 Stimmen, Keller erhielt 119 Stimmen, und für Rego waren es 43.
Bei seiner ersten Rede vor dem Parlament forderte David Sassoli ein stärkeres Europa und betonte die Unabhängigkeit und Vielfalt des Parlaments. Europa solle moderner und stärker werden, und das Vertrauen zwischen BürgerInnen und den Institutionen müsse gestärkt werden. Als wichtigste Themen nannte er den Klimawandel, soziale Gerechtigkeit, Wachstum und Migration. Er wünscht sich vor allem auch ein starkes Parlament gegenüber den anderen EU-Institutionen, das dank der gestiegenen Wahlbeteiligung bei den EU-Wahlen seine Arbeit in der neuen Periode gestärkt aufnehmen kann.
In der Woche ab dem 15. Juli 2019 wird das Plenum des Parlaments erneut zusammentreten. In dieser Sitzungswoche ist die Abstimmung über Ursula von der Leyen als Kommissionspräsidentin geplant. Und auch wenn mit diesem Vorschlag die Staats- und Regierungschefs dem Prinzip der SpitzenkandidatInnen der EU-Wahl eine Absage erteilt haben, so wäre eine Mehrheit gegen sie aus heutiger Sicht doch eher überraschend. Denn mit der Bestätigung von David-Maria Sassoli als Parlamentspräsident zeichnet sich nunmehr ab, dass die Mehrheit des Parlaments den personellen Vorschlägen der Staats- und Regierungschefs folgt.
Neben dem Präsidenten wurden am selben Tag vom Parlament auch die insgesamt 14 VizepräsidentInnen gewählt. Einer von ihnen ist Othmar Karas (ÖVP), wodurch auch ein österreichischer Abgeordneter im Präsidium des Europäischen Parlaments vertreten ist.
Am 3. Juli 2019 beschloss das neu gewählte EU-Parlament auch die Anzahl und Größe der Ausschüsse für die nun beginnende Periode. Insgesamt werden – wie auch in der vergangenen Periode – 20 Ausschüsse sowie zwei Unterausschüsse eingerichtet. Mit 76 Abgeordneten wird der Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit der mitgliederstärkste sein. Der Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie ist mit 72 Mitgliedern der zweitgrößte Ausschuss. Welche Abgeordneten in den einzelnen Ausschüssen als Mitglied und Stellvertretung vertreten sein werden, wurde am 4. Juli 2019 ebenfalls fixiert.
Weiterführende Informationen:
EU-Parlament: David Sassoli zum EP-Präsidenten gewählt
EU-Parlament: Mitglieder der einzelnen Ausschüsse
Arbeiterkammer Wien: Ein solidarisches Europa kann mehr